Rede von Ernst Delle, K21-Bündnis Rems-Murr und Koordinierungsteam „Bürgerbahn-Denkfabrik für eine starke Schiene“, auf der 738. Montagsdemo am 23.12.2024
Liebe Freundinnen und Freunde,
nach fünf Monaten intensiver Bauarbeiten rollen seit Sonntag, 15. Dezember, wieder die ersten Züge über die Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Am Samstag, 14. Dezember, fand die offizielle Inbetriebnahmefeier für die Riedbahn statt.
Bürgerbahn-Denkfabrik hat in einer Pressemitteilung am 17. 12. unter der Überschrift „Riedbahnsanierung: außen hui – innen pfui“ Kritik an zwei Aspekten vorgetragen:
- Erstens Kritik an den uneingelösten Versprechen der Bahn zu den Ergebnissen dieser teuren sogenannten „Generalsanierung“, die ja mit fünf Monaten Betriebsunterbrechung erfolgte. Mehr dazu später.
- Zweitens kritisiert Bürgerbahn-Denkfabrik das Versagen kritischer Öffentlichkeit: Willfährige recherchearme Medien blasen ins gleiche Horn wie die Kommunikationsabteilung der Bahn. Sie loben die Bahn und ihre unfähigen Manager.
Nun zu den Kosten der „Generalsanierung“ und ihren Ergebnissen:
1,3 Milliarden Euro wurden für zwei Verbesserungen ausgegeben, die einer „Generalsanierung“ nicht bedurft hätten:
- Der Gleisbogen durch Biblis kann nun mit 110 km/h befahren werden anstatt mit 90 km/h, wie die letzten 100 Jahre!
- Der Kurbelschranken-Bahnübergang bei Bobstadt, dessen Beseitigung seit 35 Jahren versprochen wurde, ist tatsächlich entfallen.
1,3 Milliarden Euro wurden aber auch ausgegeben, um auf der Riedbahn die seit Jahrzehnten problemlos funktionierende Linienzugbeeinflussung (LZB) auszubauen.
Dadurch kann jetzt nur noch höchstens 160 km/h gefahren werden. Bislang waren es 200 km/h – und das schon seit Jahrzehnten. ETCS wurde zwar teils eingebaut, ist aber noch nicht funktionsfähig. Das soll erst am 1. Juli 2025 geschehen, also ein Jahr nach dem Beginn der Generalsanierung. Das hat niemand vorher verkündet. Dafür erzählt die Bahn: Dann könne man teils 200 km/h fahren, als wäre das vorher noch nicht möglich gewesen. Nur an den angeblich neuen Überleitstellen geht das nicht, da fehlen die langen, schlanken, also schnellen Weichen. Dass die noch eingebaut werden, wurde nirgendwo verkündet. Im Übrigen gibt es diese Überleitstellen – die Möglichkeit des Wechsels auf ein anderes Streckengleis – ebenfalls schon seit Jahrzenten. Das kann aber auch in Zukunft nur mit 100 km/h geschehen, was zu langsam ist.
Doch das Sahnehäubchen kommt erst: Mit ETCS sind nur die ICEs ausgerüstet. Kein Güterzug, sowie auch – im Unterschied zum Digitalen Knoten Stuttgart (DKS) – keine S-Bahn, keine Regionalbahn und kein Regionalexpress. Reisezüge fahren höchstens 160 km/h, Güterzüge höchstens 100 km/h.
Nicht nur fehlt es an der Fahrzeugausrüstung, auch die Lokführer sind nicht ausgebildet! Die Riedbahn kann deshalb 30 Züge nicht aufnehmen, die in die vorgesehenen Blöcke hineingeplant worden waren. ETCS funktioniert – wenn es funktioniert – nur mit Strecken- und Fahrzeugausrüstung sowie Lokführerausbildung. Das steht in den Sternen, denn Geld dafür ist nicht da – wie auch in Stuttgart nicht für die ETCS-Ausbaustufe 3.
Verkehrsminister Volker Wissing – derzeit parteilos – hatte mittels der „Generalsanierung“ der Riedbahn eine Leistungssteigerung, ja Höchstleistung versprochen. Dieses Versprechen ist nicht umgesetzt worden, nicht von der Bahn und nicht vom Bund, und das für 1,3 Milliarden Euro!
Die Medien wurden u. a. auch von Bürgerbahn-Denkfabrik rechtzeitig über die Probleme informiert, auch über den Generalunsinn solcher Sanierungen, die keinem vernunftbegabten Bahn-Land Europas bislang in den Sinn kamen: Es erfolgte praktisch keine Reaktion.
Uns stehen noch bundesweit 41 solcher Generalunfug-Sanierungen bevor!
In meinem Redebeitrag auf der 728. Montagsdemo Mitte Oktober erwähnte ich den Bericht des Bundesrechnungshofes (BRH) vom April mit seiner Kritik u. a. an der „Generalsanierung“. In seinem am 11. November veröffentlichten Jahresbericht hat der BRH festgestellt: „Ohne Eigentümerstrategie fehlen klare Vorgaben zur Ausrichtung des Konzerns. Ziele, die das wichtige Bundesinteresse widerspiegeln, sind nicht definiert. Das BMDV (Verkehrsministerium) hat es versäumt, den Gemeinwohlauftrag des Bundes mit Leben zu füllen.“
Liebe Freundinnen und Freunde eines guten Bahnverkehrs nicht nur in und um Stuttgart: So klappt das nicht mit der Verkehrswende!
Deshalb müssen wir auch im neuen Jahr
Oben bleiben!