Die faulen Tricks der Deutschen Bahn beim Pfaffensteigtunnel

Rede von Dipl.-Ing. Hans Heydemann, Ingenieure22, auf der 718. Montagsdemo am 5.8.2024

Werte Mitstreiter für den Erhalt des Stuttgarter Kopfbahnhofs,

Stuttgart 21 ist eine Totgeburt – die Unzulänglichkeiten des Vorhabens sind offenkundig! Verzweifelt versuchen die S21-Macher Stuttgart 21 mit immer neuen „Ergänzungsprojekten“ zu retten. Doch noch so viele zusätzliche Tunnel können den unsinnigen Flaschenhals des Tiefbahnhofes mit seinen nur acht Gleisen nicht ausgleichen.

Die jüngste Ergänzungsmaßnahme ist der sogenannte „Pfaffensteigtunnel“, über den die Gäubahn ab Böblingen zum Flughafen Stuttgart-Echterdingen hin umverlegt werden soll, um die „Panoramabahn“ stillzulegen und den Kopfbahnhof abreißen zu können. Begründet wird das mit dem „Deutschland-Takt“, weil das angeblich einige wenige Minuten Fahrzeitgewinn für die wenigen hundert Leute ergibt, die aus dem Gäu zum Flughafen wollen – für die vielen anderen hingegen, die nach Stuttgart wollen, verlängert sich die Fahrzeit durch diesen Schlenker über den Flughafen deutlich!

Anstatt mehr Autoverkehr auf die Schiene zu verlagern, womit Politik und die Deutsche Bahn AG das Vorhaben rechtfertigen, ist eher das Gegenteil zu erwarten. Die behauptete „Wirtschaftlichkeit“ ist nur schöngerechnet, damit das Vorhaben von der Politik durchgewunken werden kann.

Um Stuttgart 21 nicht auch noch mit den Kosten des Pfaffensteigtunnels zu belasten, wird der als eigenständige Maßnahme nach dem Bundes-Verkehrswegeplan geführt, obwohl er doch nur für Stuttgart 21 gebaut werden soll.

Nutznießer des Vorhabens ist allein eine übernationale Bau-Mafia, auf die wie schon bei Stuttgart 21 satte Gewinne aus den Bauaufträgen zu Lasten der Steuerzahler warten. Mit dabei der Tunnelbohrer Herrenknecht mit einer neuen Tunnelbohrmaschine, sowie die Max Bögel GmbH mit der Lieferung der Beton-Fertigteile für die Tunnelschalen. Wieviel Bestechungsgelder die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung dabei kassieren, wird uns leider für immer verborgen bleiben! Auf der Strecke bleiben hingegen Umwelt und Klimaschutz.

Der Pfaffensteigtunnel ist als Zwei-Röhren-Tunnel mit 11,4 km Länge vorgesehen und soll nach Angabe der DB AG 2 Mrd. € kosten und in 6 Jahren fertig sein – wie Stuttgart 21 zeigt, werden die Kosten weit höher ausfallen und die Bauzeit deutlich länger werden.

Mit dem Pfaffensteigtunnel hat es die DB AG jetzt sehr eilig. Am 21. Mai 2024 wurde der Planfeststellungs-Antrag beim Eisenbahn-Bundesamt eingereicht. Die Unterlagen wurden am 8.7.2024 vom EBA auf deren Internet-Seite öffentlich bekannt gemacht und sind dort bis zum 9.8.2024 – also ab jetzt noch 4 Tage! – einsehbar. Einwendungen müssen bis spätestens am 10.9.2024 dem Eisenbahn-Bundesamt in Karlsruhe vorliegen.

Wie üblich ist das mal wieder genau während der Sommerferien, um so möglichst viele davon abzuhalten, die Antrags-Unterlagen einzusehen und Einwendungen zu erheben. Eine weitere Hürde ist die ausschließliche Veröffentlichung auf der Internetseite des EBA und die umständliche Art und Weise, die Unterlagen digital einsehen zu können. Die früher übliche und vorgeschriebene Veröffentlichung in den Tageszeitungen und die öffentliche Auslegung der Unterlagen ist im Rahmen des „Baubeschleunigungs-Gesetzes“ abgeschafft worden – aber wer besucht schon regelmäßig die Internet-Seite des EBA?

So geht Politik heute; auf diese Weise werden im „demokratischsten Deutschland aller Zeiten“ die Bürger um ihre verfassungsgemäßen Bürgerechte gebracht.

Die Liste der Tricks und Täuschungen der DB mit dem Pfaffensteigtunnel ist lang; die wichtigsten sind:

  1. Teilantrag auf Planfeststellung: Der von der DB eingereichte Antrag beschränkt sich auf die ersten 10 km ab dem Flughafenbahnhof; die restlichen 1,3 km mit der Einbindung in die Bestandsstrecke bei Böblingen sind noch gar nicht geplant und sollen als gesonderter Abschnitt nachgereicht werden. Die DB hält das für rechtlich zulässig – tatsächlich aber ist das grober Unfug: wie kann man sich einen Tunnel nur zu einem Teil genehmigen lassen, ohne zu wissen, wie es am anderen Ende werden soll? Das EBA hätte den Teilantrag der DB abweisen und stattdessen auf einem Gesamtantrag bestehen müssen.
  2. Fehlendes Rettungskonzept: Die Unterlage 21.2. „Rettungskonzept Pfaffensteigtunnel PFA 1“ / Stand 21.3.2024 beschränkt sich auf die Darstellung der vorgesehenen baulichen Maßnahmen entsprechend den Mindestanforderungen der Regelwerke der „Tunnelrichtlinie“ und der TSI-SRT.

Ziffer 1.3 der Tunnelrichtlinie fordert jedoch ausdrücklich „Für Tunnel ist ein Rettungskonzept aufzustellen, das die Selbst- und Fremdrettung gewährleistet.“ Der danach erforderliche Nachweis, wie die Sicherheit der Reisenden und deren Selbstrettung bei einem schweren Brandereignis im Tunnel gewährleistet wird, liegt jedoch nicht vor.

Weder durch Simulations-Untersuchungen noch durch Handrechnungen wurde nachgewiesen, dass und wie die Insassen eines im Tunnel in Brand geratenen Zuges sicher evakuiert und gerettet werden können, bevor die vom Brand freigesetzte Rauchausbreitung bedrohlich wird. Im Planfeststellungsantrag fehlt das; das Aufführen der Mindestanforderungen an die bauliche Ausführung genügt dem nicht. Das Vorhaben ist folglich nicht genehmigungsfähig; die Planfeststellung ist zu versagen.

  1. Unzulässiger wannenförmiger Tunnelverlauf: Zur Unterquerung der Zulauftunnel zum Flughafenbahnhof ist der Tunnelverlauf wannenförmig mit einem Tiefpunkt Nach dem Regelwerk der Tunnelrichtlinie ist das jedoch nicht zulässig, weil das selbsttätige Herausrollen eines Zuges aus dem Tunnel ohne Antriebsenergie damit nicht möglich ist Die DB verweist darauf, dass „diese Abweichung von der Soll-Vorgabe kompensiert werde, indem ein Zugang zu einem sicheren Bereich (Verbindungsbauwerke und Tunnelportale) in höchstens 250 m erreichbar ist“. Was für ein Bluff: die 250 Meter sind der halbe Abstand zwischen zwei Rettungsstollen von 500 Metern. Im Ernstfall beträgt der Fluchtweg im Tunnel jedoch 500 Meter – kompensiert wird also gar nichts! Das ist kein „Nachweis gleicher Sicherheit“, wie das bei Regelabweichungen zwingend gefordert wird. Damit ist eine weitere wesentliche Sicherheitsanforderung der Tunnelrichtlinie nicht eingehalten; der Pfaffensteig-Tunnel kann so nicht gebaut werden; die Planfeststellung ist zu versagen!
  2. Flucht- und Rettungswege viel zu lang und viel zu schmal: Im Antrag auf Planfeststellung sind die Abstände der Rettungsstollen mit jeweils 500 Meter und die Fluchtweg-Breite mit lediglich 1,20 Meter Das entspricht zwar der Mindestforderung der Tunnelrichtlinie sowie der TSI-SRT, eine sichere Selbstrettung im Brand- und Katastrophenfall ist damit jedoch nicht möglich, wie wir das hier schon mehrmals dargelegt haben.

Erforderlich sind wesentlich kürzere Abstände zwischen den Rettungsstollen von höchstens 125 Metern sowie mindestens 2,20 Meter breite Fluchtwege. Diese sind zudem auf Bahnsteighöhe anzuheben, um das Verlassen eines Zuges im Notfall schnell und sicher auch für Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen.

Die DB wird das als überzogene Forderung zurückweisen, das sei nicht finanzierbar – doch was ist ein Menschenleben denn wert?

  1. Tunnelbeleuchtung viel zu schwach: Für die Fluchtwege im Tunnel ist eine Notbeleuchtung mit einer Beleuchtungsstärke von lediglich 1 Lux vorgesehen – das entspricht der Leuchtkraft einer Kerze! Für die 500 Meter langen Fluchtwege im Tunnel zur Flucht von über tausend Personen ist das völlig unzureichend und entspricht nicht den einschlägigen Vorschriften. Danach gilt 1 Lux als Mindest-Beleuchtungsstärke nur für eine Notbeleuchtung, die bei Ausfall der Allgemeinbeleuchtung den [ortskundigen] Beschäftigten das Verlassen ihrer Arbeitsplätze und das Erreichen des Freien oder eines „sicheren Bereiches“ auf einem Fluchtweg ermöglichen soll, der nicht länger als 35 Meter sein darf und eine Breite von 2,40 Meter für bis zu 400 Personen aufweisen muss.

Das ist auf die 500 Meter langen Fluchtwege im Tunnel nicht anwendbar, denn hier geht es nicht um das Verlassen eines Raumes einiger weniger Personen nach Ausfall der Allgemeinbeleuchtung, sondern um die Selbstrettung von über tausend Personen bei einem schweren Brandereignis auf den mit 500 Meter viel zu langen und mit nur 1,20 Meter Breite auch viel zu schmalen Fluchtwegen. Vielmehr muss der Fluchtweg im Tunnel als hochbelasteter Verkehrsweg mit Absätzen und Stufen [wegen Ausstieg aus den Zugwagen] eingestuft werden, wofür nach der ASR3.4, Anhang 3, Ziff. 1.1A eine Beleuchtungsstärke von 100 Lux erforderlich ist.

Außerdem dürfen die örtlichen Einschalter nicht weiter als 25 Meter voneinander entfernt sein anstatt 62,5 Meter, wie von der DB AG vorgesehen.

Die DB AG ist Weltmeister im Anwenden unzutreffender Regeln und deren Mindestanforderungen!

  1. Ungeeignete Löschwasser-Versorgung: Vorgesehen sind hier sogenannte „trockene Löschwasserleitungen“, unterteilt in Abschnitte von jeweils 2.000 Meter Länge. Der Wasserinhalt eines solchen Löschwasserleitungs-Abschnittes DN 100 beträgt 20 m³. Der betreffende Leitungsabschnitt muss im Ereignisfall von der Feuerwehr mit mobilen Pumpen aus dem zugeordneten Löschwasser-Vorrats-Behälter befüllt werden. Mit der Förderleistung dieser Feuerwehrpumpen von 800 L/min wird allein schon das Befüllen eines solchen Leitungs-Abschnitts 25 Minuten

Berücksichtigt man noch die Anrückzeit der Feuerwehr ab Alarmeingang bis zum Eintreffen am jeweiligen Löschwasserbehälter im Tunnel mit 20 Minuten sowie die Zeit zum Aufstellen und Anschließen des mitgeführten mobilen Pumpen-Aggregates, so dauert es eine Stunde, bis ein Löschangriff im Tunnel überhaupt beginnen kann. Was will man dann überhaupt noch löschen?

Die weitaus meisten Zugbrände betreffen die elektrotechnische Ausrüstung, die nicht mit Wasser zu löschen sind, sondern nur mit Löschschaum. Das Schaummittel müssen die Einsatzkräfte in Kanistern an den Brandort mitführen und vor Ort mit Wasser zu einem Löschschaum mischen.

Eine Brandbekämpfung ist in den engen Tunnelröhren ohnehin nur eingeschränkt und auch nur bei geringen Brandlasten überhaupt möglich. Ein schwerer Brand kann im engen Tunnel überhaupt nicht gelöscht werden, weil die Einsatzkräfte auf dem nur 1,20 Meter breiten Fluchtweg wegen der Brandhitze gar nicht bis an den Brandherd herankommen. Es wird dann wie 2008 beim Brand im EURO-Tunnel nichts anderes übrig bleiben, als abzuwarten, bis alles Brennbare von den Flammen verzehrt ist, und das Feuer schließlich von selbst erlischt. Das Wagenmaterial wird dann weitgehend zerstört sein, und die Beseitigung des durch die Brandeinwirkung stark geschädigten Tunnelbauwerkes wird eine Monate dauernde Sperrung der Tunnelstrecke zur Folge haben.

  1. Tunnel-Entrauchung: vergessen. Eine Entrauchung ist für den Pfaffensteigtunnel nicht vorgesehen. Um zu vermeiden, dass der Tunnel bei einem schweren Brand im Entfluchtungsbereich zu schnell verraucht und die Flüchtenden darin umkommen, muss der Brandrauch gezielt möglichst nahe am Brandort abgesaugt werden. Dies erfordert einen im Tunnelfirst angeordneten Absaugkanal, wie im Stuttgarter Wagenburgtunnel mit Einlassöffnungen alle 20 Meter und Stellklappen, die von örtlichen Rauchmeldern angesteuert werden und nur bei anstehendem Rauch öffnen.
  2. Klimaschädlicher Tunnelbau: Durch das Bauvorhaben mit seinem großen Verbrauch an Beton und Stahl sowie Dieselkraftstoff werden rund 000 Tonnen CO2 freigesetzt; das steht dem im Klimaschutz-Gesetz KSG festgelegten 1,5-Grad-Klimaziel entgegen, und ist selbst von der angeblichen Verkehrsverlagerung von Autoverkehr auf die Schiene während der 100 Jahre Standzeit des Tunnelbauwerkes nicht auszugleichen. Allein schon deswegen verbietet sich der Bau des Pfaffensteigtunnels.

Die DB AG hat keine CO2-Freisetzungen ermittelt; begründet wird dies mit dem hohen Aufwand, der in keinem vertretbaren Verhältnis dazu stehen würde. Stattdessen verweist die DB darauf, die Bahn sei doch das klimafreundlichste aller Verkehrsmittel, und somit werde der Pfaffensteigtunnel durch Verlagerung von Autoverkehr auf die Schiene einen wichtigen Beitrag zur Klima-Neutralität leisten. Nach einer Untersuchung könnten damit jährlich 28.750 Tonnen Treibhausgas-Emissionen vermieden werden. Das ist jedoch höchst zweifelhaft – um dies zu erreichen, müssten zig-tausende Autofahrer ihren Wage stehen lassen und nur noch mit der Bahn fahren. Da wird dem Bürger mal wieder etwas vorgemacht!

  1. Flächenfraß auf den Fildern geht unvermindert weiter: Für Baustellen-Einrichtungsflächen sollen 10 Hektar beste Filderböden geopfert werden, die damit als landwirtschaftliche Fläche für immer unwiederbringlich verloren sind. Weitere Flächen werden für Bau- und Betriebsstraßen draufgehen, auch etwa ein Hektar Wald muss dafür fallen. Vorgesehen ist auch das Fällen von 24 Einzelbäumen der Eschenallee entlang der L 1192 und weiterer Allee- sowie feldwegsäumender Bäume für den Baustellenverkehr und die Baustraßenerrichtung. Das ist nicht hinnehmbar!

Liebe Freunde und Mitstreiter, lasst diesen groben Unfug Pfaffensteigtunnel nicht durchgehen – erhebt bis zum 10.09.2024 massenhaft Einwendungen beim Eisenbahn-Bundesamt, Außenstelle Karlsruhe/Stuttgart, Südendstraße 44, 76135 Karlsruhe.

Danke für´s Zuhören und Oben Bleiben!

Rede von Hans Heydemann als pdf-Datei

Mustereinspruch Pfaffensteigtunnel PFA 1 4.8.2024 
Mustereinspruch Pfaffensteigtunnel PFA 1 4.8.2024 als pdf-Datei

Der Text des Mustereinspruchs kann beliebig geändert und erweitert werden; ggf. weitere Blätter anhängen. Unbedingt Namen, Anschrift sowie Datum und Unterschrift (digital) hinzufügen und bis spätestens zum 10. September 2024 als PDF-e-Mail an das Eisenbahn-Bundesamt unter <pfaffensteigtunnel@eba.bund.de> senden.

 

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