Abstellbahnhof Untertürkheim – funktioniert er, oder ist er nur „so da“?

Rede von Dr.-Ing. Hans-Jörg Jäkel, Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21, Ingenieure22, auf der 714. Montagsdemo am 8.7.2024

Als Probleme von Stuttgart 21 werden die Gäubahnkappung und die unzureichende Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs in der Öffentlichkeit immer stärker thematisiert. Aber auch der Abstellbahnhof in Untertürkheim ist ein Problem von S21, das die Deutsche Bahn möglichst vertuschen will. Jetzt werden dort zwar Gleise und Weichen verlegt, so dass eventuell 2026 eine Fertigstellung machbar ist. Aber was nutzt dies, wenn die nötige Anbindung nicht gebaut wird? Im „großartigen Ringkonzept“ von S21 soll der Abstellbahnhof von beiden Seiten bedient werden können – vom Südosten über den Untertürkheimer Tunnel und von Bad Cannstatt aus mit zwei neuen Gleisen auf einer Art Tunnelgebirge über dem landwärtigen Gleis der S1. Aber das, was die schwäbischen Eisenbahner vor 100 Jahren mit fünf kreuzungsfreien Zufahrtsgleisen zum Abstellbahnhof Rosenstein geschaffen haben, das bekommt man offenbar jetzt nicht mehr hin.

Vor gut einem Jahr hatte ich bereits über diesen „So da“-Abstellbahnhof informiert und möchte kurz daran erinnern. Es gibt eine bereits 2006 genehmigte Planung für die nordwestliche Anbindung von und nach Bad Cannstatt. Aber die will man einfach nicht bauen. Herr Leger hatte ja sogar mal erklärt, dass man S21 ganz ohne Abstellbahnhof in Betrieb nehmen könnte – die Züge könnten ja irgendwo in der Region abgestellt werden. Herr Krenz und Herr Pradel von der DB haben es besser verschleiert: Bei der Inbetriebnahme von S21 stehe zwischen Bad Cannstatt und dem Abstellbahnhof nur ein Gleis zur Verfügung. Aber das ist nicht etwa ein Teil des geplanten Neubaus, sondern eine bestehende Verbindung, die an der Station Neckarpark die S-Bahn unterquert, dann allerdings beide Gleise der stark befahrenen Güterumgehungsstrecke nach Kornwestheim niveaugleich kreuzt und auch noch beide Gleise der Zufahrt aus dem Untertürkheimer Tunnel. Nach diesen „Blutgrätschen“ erreicht man zwei (!) Wendegleise, um mit Kopf machen zur Abstellung zu gelangen. So entsteht ein extremer betrieblicher Engpass, bei dem auch ETCS nichts hilft.

Als Begründung für den „Nicht-Bau“ der schon lange planfestgestellten Verbindung führen die Bahnverantwortlichen die hohe Komplexität dieses Tunnelgebirges an oder schieben es auf die spezielle Stuttgarter Eidechsenproblematik. Jedem Laien ist klar, welche Bedeutung die leistungsfähige Anbindung eines Abstellbahnhofs für den pünktlichen Bahnbetrieb hat. Schlafen denn die Verantwortlichen im EBA und im Verkehrsministerium?

Vor einem Jahr hatte ich berichtet, dass ein entsprechendes Schreiben an das Eisenbahnbundesamt (EBA) noch nicht beantwortet sei. Zwei Tage nach der Demorede gab es dann eine Antwort, aber wie ihr sicher erwartet habt, war das nur eine Beschwichtigung: „Das Planrecht verbietet nicht, Bahnanlagen nach und nach in Betrieb zu nehmen. Die zweigleisige Anbindung darf später gebaut werden“. Diese Ignoranz hat mich fast resignieren lassen. Aber nach unserem Motto „ihr werdet uns nicht los“ habe ich dann erneut und noch ausführlicher an das EBA, aber auch an das Verkehrsministerium und an die DB mit deutlichen Zitaten aus der Planfeststellung geschrieben. Mein Angebot für Rückfragen wurde dann tatsächlich vom EBA aufgegriffen, und es gab noch 2023 ein persönliches Gespräch. Mit genauen Plänen und bahntechnischem Wissen konnte ich die Probleme erläutern und erhielt nach wenigen Wochen eine Antwort. Die DB hätte das EBA informiert, dass die genehmigten Pläne nicht realisierbar seien und ein Änderungsverfahren erforderlich sei, das aber noch vorbereitet werde. Im EBA selbst wurde das für die Kapazitätsüberwachung zuständige Referat informiert und zugesichert, dass „die verzögerte Anbindung zudem als Belang in den Planfeststellungsverfahren zum Rückbau der Betriebsanlagen am bestehenden Hauptbahnhof behandelt wird“. Das ist doch mal ein Erfolg.

Schwieriger als beim EBA war es, eine Antwort vom Verkehrsministerium zu erhalten. Aber nach fast acht Monaten und mehr als zehn Nachfragen – z.B. auch über Herrn MdB Gastel – erhielt ich eine fundierte Antwort. Die Befürchtungen werden darin vollständig bestätigt. Ich will hier nur einige Punkte aus der Antwort aufführen:

  • Leider wird die Anbindung zur Inbetriebnahme von S21 nicht zur Verfügung stehen.
  • Eine terminliche Perspektive konnte die DB auf wiederholte Nachfrage nicht benennen.
  • Es ist keine quantitative Einschränkung bei den Grundtakten von Regionalverkehrslinien nötig, aber zum Teil längere Zeiten zwischen Abstellung und Bereitstellung im Tiefbahnhof mit entsprechendem Mehraufwand bei Personal- und Fahrzeugkosten.
  • Züge müssen aus bzw. nach anderen Standorten mit Mehrkosten bereitgestellt werden.
  • Nicht alle für die Hauptverkehrszeit gewünschten Regionalverkehrszüge konnten in das Fahrplankonzept aufgenommen werden.
  • Die Inbetriebnahme von S21 ohne zweigleisige Anbindung ist zwar möglich, aber inkomplett und unbefriedigend.
  • Das Land wird die fehlende, aber vertraglich vereinbarte Anbindung nicht als dauerhafte Lösung akzeptieren.

Auf Grundlage dieser Antwort erfolgte ein ausführliches Gespräch im Ministerium und ein Austausch zur Positionierung des EBA. Mal sehen, ob nun das Verkehrsministerium beim EBA richtig Druck machen kann, denn vor wenigen Tagen kam vom dort zuständigen Sachgebietsleiter die ernüchternde Info, dass „die DB allgemein mitteilte, die Ausführungsplanung zeige auf, dass mit der planfestgestellten Realisierung größere bauliche Eingriffe in Bestandsbauwerke verbunden seien. Dies habe auch eine Verlängerung der Bauzeit zur Folge. Er habe derzeit keinen Grund, nachzuhaken. Denn rechtlich ist das Vorhaben wie planfestgestellt umzusetzen“, und ich möge bitte Verständnis dafür haben, dass er aus diesem Grund derzeit keine weiteren Schritte veranlasse. Mit den oben aufgeführten betrieblichen Problemen aus Sicht des Verkehrsministeriums und meinem eigenen Wissen kann ich für diese Haltung keinerlei Verständnis zeigen – aber so wird eben im EBA heute gearbeitet. Am Beispiel des Abstellbahnhofs ist der krasse Unterschied zur Zeit vor gut 100 Jahren deutlich.

Die schwäbischen Eisenbahner haben vor 100 Jahren den Abstellbahnhof schon 1919, also 3 Jahre vor dem ersten Teil des Kopfbahnhofs in Betrieb genommen – komplett mit allen fünf Zufahrten durch das Tunnelgebirge. Er wurde nach der Fertigstellung auch schon für den Bahnhof an der Bolzstraße genutzt und hatte damit bei der Inbetriebnahme des Kopfbahnhofs bereits gut erprobte betriebliche Abläufe. Von so einer Situation kann man heute nur träumen.

Im Lenkungskreis zu S21 und in der Pressekonferenz danach wurde weder von Minister Hermann und auch nicht vom Bahnvorstand Huber die noch viele Jahre fehlende Anbindung des Abstellbahnhofs erwähnt. Auch in der Presseinformation der DB gab es dazu kein Wort. Deshalb haben wir die verantwortliche Leiterin der Kommunikationsabteilung entsprechend angeschrieben. Es gab sogar eine Antwort. Aber dort hieß es nur: „Die von Ihnen vorgebrachte Interpretation teilen wir nicht; dies gilt sowohl für die Abtragung des Gäubahndamms als auch für die Anbindung des Abstellbahnhofs“. Wieso Fakten eine Interpretation sind, das weiß auch nur die DB.

Gäubahn und Abstellbahnhof sind wichtige Bestandteile des Bahnknotens Stuttgart. Sie sind heute über das Tunnelgebirge perfekt mit unseren Kopfbahnhof verbunden. Ersatzlösungen für den Tiefbahnhof werden – wenn überhaupt – erst in vielen Jahren in einem funktionsfähigen Zustand verfügbar sein. Doch es gibt für alles eine sehr gute Lösung: Oben bleiben!

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