Rede von Luigi Pantisano, Fraktionsgemeinschaft „Die FrAktion“, auf der 706. Montagsdemo am 6.5.2024
Liebe Freundinnen und Freunde,
es freut mich sehr, wieder zu Euch sprechen zu dürfen. Heute sogar vor dem Stuttgarter Rathaus. Ein passender Ort genau fünf Wochen vor den Kommunalwahlen am 9. Juni.
Seit einer Woche lachen uns auch – mehr oder weniger – von den Plakaten die verschiedenen Gesichter der Kandidat:innen der ganzen Parteien und Listen an. Besonders eine Partei hat mit ihren bläulichen Plakaten die Stadt geflutet. Kaum eine Laterne oder Mast wurde dabei verschont. Und ich meine nicht die Plakate der rechtsextremen AfD, von denen diesmal zum Glück nur wenige hängen, sondern die Plakate der CDU Stuttgart.
Ich hab schon viel gesehen, seit ich politisch aktiv bin, und ich weiß nicht, wie es Euch geht beim Anblick dieser Plakate, aber eine solch demagogische Kampagne habe ich selten erlebt. Da stellen sich die maßgeblichen Verursacher und Verantwortlichen vom Chaosprojekt Stuttgart 21 hin und schreiben auf einem Plakat ernsthaft: „Die schlimmste Baustelle Stuttgarts? Der grün-linke Gemeinderat!“
Haben die denn bei der Stuttgarter CDU die letzten Jahre auf dem Mars gelebt? Sicher ist: für sie gibt es keine Schamgrenzen mehr. Der symbolische Baubeginn – ich musste nochmal nachschauen – war im Februar 2010. Vor 14 Jahren haben diese Herren ein riesiges Loch inmitten der Stadt gerissen, einen funktionierenden Bahnhof zerstört, eine funktionierende Bahn aus den Gleisen geworfen; die baulichen Wunden klaffen in der Innenstadt an fast jeder Ecke und reichen nach Vaihingen und bis weit ins Land hinein.
Wer ernsthaft behauptet, dass der angeblich grün-linke Gemeinderat die schlimmste Baustelle in Stuttgart sei, sollte niemals wieder eine Mehrheit in unserer Stadt bekommen. UND ich möchte es deutlich sagen: wer die Verantwortung für Stuttgart 21 trägt, sollte vor Gericht gestellt und zur Rechenschaft gezogen werden! Da wäre mit einem Schlag wieder viel kaputt gemachtes Vertrauen repariert!
Dabei wird jetzt vor Gericht die Frage ausgehandelt, wer denn nun die Milliarden an Mehrkosten von Stuttgart 21 bezahlen muss. Bund, Land, Region oder Stadt ist die Frage.
Dabei ist das für uns Steuerzahler:innen unterm Strich immer dasselbe, aus welcher Kasse das Geld genommen wird, klar ist nur, es ist so oder so unser aller Geld, linke Tasche oder rechte Tasche! Und wir Bürger:innen sind die letzten, die für diesen Murks auch noch finanziell gerade stehen sollten. Es reicht doch schon, dass wir seit 14 leidigen Jahren tagtäglich an den Folgen dieser Baustelle leiden müssen! Schluss damit! Baustopp und Nachdenkpause, das ist das Gebot der Stunde!
Wisst Ihr, wer meiner Meinung nach auch finanziell für die Mehrkosten gerade stehen müsste? Sie haben Namen und Adressen und auch gut gefüllte Konten: Einer davon ist Alexander Kotz, der uns gerade von den Plakaten der CDU herab anlächelt. Er hat jahrelang als Fraktionsvorsitzender der Stuttgarter CDU dieses Projekt vorangetrieben. Er gehört doch auch zu denen, die für Stuttgart 21 gejoggt ist.
Er müsste ja auch nicht alles alleine bezahlen. Da sind noch seine Parteifreunde Erwin Teufel, Stefan Mappus, Wolfgang Schuster und Tanja Gönner, die einen Teil übernehmen können.
Auch sie sind nicht allein. Da wären die verschiedenen Bahnmanager sowie Bundes- und Landespolitiker:innen: Dürr, Mehdorn, Wissmann, Schaufler, Dietrich, Drexler und viele, viele, viele andere. Sie könnten alle gemeinsam eine Chaos-GmbH gründen, Geld zusammenlegen, unter den Freunden von Stuttgart 21 eine Kollekte machen und diese Milliarden an Mehrkosten tragen.
Leider läuft es in der Realität nicht so ab. So wird morgen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart erwartet, ob nun die Forderung der DB AG an Bund, Land, Region und Stadt zur Übernahme der Mehrkosten verjährt ist oder nicht. Die Kontext:Wochenzeitung hat vergangene Woche einen ausführlichen und lesenswerten Artikel geschrieben. Wenn die Forderungen der Bahn nicht verjährt sind, und sollte es dazu kommen, dass die Stadt Stuttgart zur Übernahme eines Teils der Mehrkosten von Stutt-gart 21 verurteilt wird, dann wären dies Stand heute: rund 1,3 Milliarden Euro!
Kommt es so, dann wäre die Stadt nahezu zahlungsunfähig. Zum Baustellenloch käme ein gigantisches Haushaltsloch hinzu. Die Stadt würde gezwungen, massiv Ausgaben zu streichen im Sozialen, Kultur, bei Klima und Wohnen.
Liebe Freundinnen und Freunde, die Kosten von Stuttgart 21 dürfen nicht wie Hundekacke an den Schuhen der Stuttgarter Bevölkerung kleben bleiben. Wir müssen uns dem widersetzen. Denn sollte die CDU Stuttgart eine rechnerische Mehrheit mit FDP, Freien Wählern und der rechtsextremen AfD im nächsten Gemeinderat erlangen, dann werden sie gnadenlos überall dort sparen, wo es die Ärmsten in unserer Stadt am härtesten trifft.
Als erstes nehmen sie sich Geflüchtete vor. Sie machen das auch schon seit über einem Jahr. Die CDU lehnt jede weitere Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten ab. Sie kriminalisiert Geflüchtete und Migrant:innen. Sie fordert, dass Flüchtlingskinder aus Schulklassen entfernt werden. Sie fordern eine schnelle Einführung der Bezahlkarte. Ihr Abgeordneter im Bundestag Max Mörseburg träumt schon davon, die Bezahlkarte auch auf Bezieher:innen von Bürgergeld auszuweiten. Alle diese Maßnahmen begründen sie mit den begrenzten finanziellen Mitteln der Stadt.
Sie zeigen auf Geflüchtete, um von ihrem eigenen Versagen und ihrer Verantwortung für die Mehr-kosten bei S21 abzulenken.
Bezahlbare Wohnungen gibt es nicht, auch weil sie seit Jahren auf die Fata Morgana Rosenstein zeigen, um davon abzulenken, dass sie durch den Verkauf von Grund und Boden und die Förderung von Spekulation maßgeblich verantwortlich sind für immer teurer werdende Mieten. Bei immer mehr Menschen in unserer Stadt verschlingt die Miete für das Dach überm Kopf nahezu das komplette Monatseinkommen.
Der ÖPNV funktioniert nicht, auch weil sie seit Jahren auf den Tiefbahnhof zeigen, von dem sie immer noch behaupten, dass er alle Bahnprobleme lösen wird – es ist so grotesk! – nur um davon abzulenken, dass sie verantwortlich sind
- für eine aus dem Takt geratene S-Bahn,
- für eine nicht ausgebaute Gäubahn,
- für verspätete Züge im Fern- und Nahverkehr und somit auch für mehr Autos.
Gleichzeitig plakatiert die CDU, dass irgendwer ihre Autos verbieten will. Schön wärs! Es hat Jahre gedauert, bis auch die Grünen aktiv wurden, um die immensen Feinstaub- und Stickoxidwerte am Neckartor zu reduzieren. Auch diese Maßnahmen will die CDU umkehren und zurück zu mehr Autos und Feinstaub in Stuttgart.
Diese Liste könnte ich ewig so fortführen. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die Stuttgarter:innen sich nicht blenden lassen von dieser CDU. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die rechtsextreme AfD niemals zu einem entscheidenden Faktor der Politik in unserer Stadt wird.
Die FDP und Freien Wähler in Stuttgart agieren im ähnlich rechten Fahrwasser wie CDU und AfD. Die AfD muss gar nicht erst eine Mehrheit haben, um richtig Macht zu bekommen. Dafür genügen ihnen CDU, FDP und Freie Wähler als Steigbügelhalter. Und die Geschichte hat uns gezeigt, dass die CDU sich dafür nicht zu schade ist. Das hat sie praktisch auch schon erklärt, dass sie sich eine schwarz-braune Mehrheit im Gemeinderat von Stuttgart vorstellen kann. Ihre Plakate machen das auch deutlich.
Es geht am 9. Juni somit um sehr viel in unserer Stadt. Es geht darum, wer die Kosten für Stuttgart 21 tragen wird, es geht darum, ob wir eine solidarische Stadt bleiben, es geht darum, die Klimaziele zu erreichen, es geht darum, dass die Mieten nicht weiter steigen.
Liebe Freundinnen und Freunde,
lasst uns die nächsten 5 Wochen dazu nutzen, unseren Nachbarn, Eltern, Kindern, Freunden, Kolleg:innen und Bekannten deutlich zu machen, um was es geht am 9. Juni:
- Lasst uns gemeinsam dafür einsetzen, dass Stuttgart eine solidarische Stadt bleibt, eine Stadt, in der Menschen Schutz finden, die Schutz suchen und brauchen.
- Eine Stadt, in der die Mieten wieder sinken.
- Eine Stadt, in der Bus und Bahn ausgebaut werden, die Busfahrer:innen besser bezahlt, und die Tickets nichts mehr kosten, weil die Unternehmen die Tickets bezahlen.
- Eine Stadt, in der Frauen geachtet werden, auch beim Lohn und der Entlohnung ihrer Sorgearbeit für Kinder und Eltern.
- Eine Stadt, die entschlossen eine klimagerechte Mobilität umsetzt, mit sicheren Fuß- und Radwegen, mit weniger Platz für Autos und mehr für Bäume, Wasser und Plätze für Kinder und Ältere.
Um all das geht es uns auch hier auf den Demos gegen Stuttgart 21. Es ging uns nie nur um einen Bahnhof. Sondern immer auch um das dahinter liegende System. Unser Mitstreiter Volker Lösch hat es das „Prinzip Stuttgart 21“ und das „System 21“ genannt.
Lasst uns dieses System am 9. Juni abwählen – und so oder so: auch nach dem 9. Juni auf der Straße und –
Oben Bleiben!