Peter Grohmanns Wettern der Woche am 22.1.2024
oder DDR ganz anders? Nee, es waren nicht die Ewig-Gestrigen, es war'n die Heutigen und die Morgigen, die im Anti-AfD-Kinderwagen, es waren die, die sonst nie da waren, alles links der Mitte, alles, was noch beweglich war von Kopf bis Fuß, alles, was sich sonst nicht rausgewagt hatte an die frische Luft. Jaaa, is ja schon gut, wir waren auch da, aber die Wenigsten. Das sah man schon an den Roten Fahnen, die nicht fehlten. Liberale Mehrheiten, die sich gegen Faschisten wehren, kriegt man nur "oben ohne". Und ohne liberale Mehrheiten klappt's nicht mit dem Kampf gegen die Faschisten: Die vereinigte Linke hat in diesen Zeiten weltweit keine Konjunktur.
Oben ohne – damit mein' ich auch, dass wir keine Aufrufe von Oberbürgermeistern oder Ministrablen brauchen. Es geht sogar ohne Promis, Kirchenfürsten und Printer. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Sie schaden auch nicht, wenn aufgerufen wird, sich gegen die rechten Stalinisten auf die roten Socken zu machen. Aber sie gehen unter in dem mitdenkendem Massenspektakel dieser Woche. Und sie waren diesmal nicht der Garant dafür, dass die Massen strömen, ganz im Gegenteil. Die Massen sind eher skeptisch gegen die da oben, und das mit Recht. Sie trauen der kaputten Koalition nicht allzu viel zu, aber auch nicht allzu viel den Södern, Merzen und der AfD und – sorry, das geht jetzt nicht gegen Sie persönlich – noch weniger den winzigen Wundergläubigen im linken Stimmungstief. Nicht nur das. Viele trauen auch der Staatsmacht nicht so recht über den Weg – so manche Träger der Gewalten waren eben zu oft und zu jahrelang und zu sehr irgendwie verschwistert und verschwägert und verbandelt mit der Politmafia aus dem Potsdamer Villenmilieu.
Vor Ort – etwa im Stuttgarter Cannstatt – koalieren AfD, CDU, FDP und Freie Wählerchen gegen die Ausstellung "Mein Name ist Mensch" des Dresdner Designers Jochen Stankowski. Keiner muckt auf, keiner merkt's: Diese Koalition wettert auch gegen Seenotrettung, Friedenspreise und linksgrünen Siff.
Es sind die Sorgen von Morgen, dass die Brandmauern mehr versprechen als sie halten. Die "Breite" war unerwartet und überwältigend – in Ost und West, in Metropolen und kleinen Orten. Es waren eben nicht nur die immer erwarteten urbanen, mehr oder weniger gebildeten und engagierten Milieus, die außer Haus lieferten, sondern eine Generationen übergreifende Zivilgesellschaft.
Es hat geruckt. Doch Vorsicht – die Kleinkarierten in eigenen Reihen werden nicht weniger. Wenn wir nicht klüger werden und aufpassen, wird's nix mit einer nachhaltigen Front gegen den Antisemitismus, Hass und Hetze, Dummheit und Rechtsextremismus.