Rede von Dr. Winfried Wolf, Verkehrsexperte, Journalist und Herausgeber von ‚LunaPark21', auf der 650. Montagsdemo am 27.2.2023
Die Zahl „650“ verpflichtet. Es soll hier demnach nicht um Profanes gehen: Nicht um das Gleisgefälle im Pfaffensteig auf der Magistrale Imhoven-Bratislava. Nicht um grünen Gorgonzola, der noch lang nicht gegessen ist. Und nicht um Gipskeuper mit ausstehender Planfeststellung. Diese 650. Kundgebung bringt den langen Atem der ObenbleiberInnen zum Ausdruck. Dieser lange Atem war nur möglich durch die ständige Begleitung von Kultur – wie heute mit Gerd Schinkel aus Köln.
In dieser 650er Rede soll es um Stuttgart 21 und um Kultur gehen. Dies in vier Kapiteln.
Kapitel 1: Stuttgart 21 – Kultur und Bahnhof
Oft wird uns entgegengehalten: Es geht doch bloß um einen Bahnhof. Wir antworten darauf: Was heißt da bloß „bloß“? Ja, es geht um einen Bahnhof. Und diejenigen, die die Größe dieser Sache nicht verstehen, verstehen nichts von Geschichte, nichts von Stadtgeschichte, nichts von Architektur und nichts von Bahnhofsarchitektur.
Als sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts europaweit die Bahnnetze verdichteten, als es nicht mehr um bilaterale Verbindungen von Stadt zu Stadt ging, bei denen wenige Gleise ausreichend waren, als sich also hier in Stuttgart der Bahnhof in der Schlossstraße, der heutigen Bolzstraße, als zu beengt erwies, da entstand der neue Bautyp des modernen Kopfbahnhofs. Er liegt nah am Stadtzentrum, aber nicht mehr im Zentrum. Er empfängt den Eisenbahnreisenden aus jeweils einer Himmelsrichtung und leitet ihn weiter in die Stadt – und umgekehrt. Der Kopfbahnhof wirkt damit als Schleuse. Die Architektur orientiert sich an dieser Funktion.
Wolfgang Schivelbusch schreibt dazu in dem wunderbaren Buch „Geschichte der Eisenbahnreise“:
„Der großstädtische Personenbahnhof […] ist charakterisiert durch eine Zweiteilung seiner Gesamtanlage: die in Eisen und Glas ausgeführte eigentliche Bahnhalle, sowie das in Stein ausgeführte Empfangsgebäude, jene dem offenen Land, dieses der Stadt zugekehrt.“[1]
An diese Grundidee haben sich Paul Bonatz und Friedrich Eugen Scholer gehalten, als ihr Entwurf am 20. Juni 1911 im Architekturwettbewerb für das Empfangsgebäude des neuen Stuttgarter Hauptbahnhofs den ersten Preis erzielte. Diese Konzeption wurde bis Mitte der 1920er Jahre verwirklicht. Wobei aufgrund der Knappheit an Finanzen und Material auf die ursprünglich vorgesehenen großen eisernen Gleishallen verzichtet werden musste. Mit der Konzeption unserer Alternative K21 und Umstieg 21 – bei der es bei den Bahnhofshallen wieder mehr Glas und mehr Licht geben soll – kommt auch diesem Element wieder die notwendige Geltung zu.
Die Grundidee des Stuttgarter Kopfbahnhofs wurde ein erstes Mal in Frage gestellt, als der große Platz vor dem Bahnhof mit dem damals ebenerdigen Weg zur Königsstraße durch die vielspurige Autostraße ersetzt und das Ensemble damit zerstört wurde. Damals bereits forderten die Autofetischisten, die Bahnreisenden müssten in den Untergrund, in die Arnulf-Klett-Passage abtauchen.
Diese Grundidee soll mit Stuttgart 21 endgültig zerstört werden. Der gesamte Bahnhof wird damit buchstäblich begraben.
Dazu dichtete Timo Brunke auf einer Montagsdemo:
Raub an der Stadt, am allgemeinen Wohl,
doch im Gleisbett zu Stuttgart, da trotzen die Steine,
es liegt die Vernunft in einem Grab auf der Prag;
das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine,
die Nacht währt [viele] Jahre, und dann kommt der Tag![2]
Kapitel 2: Stuttgart 21 und die Kultur des Widerstands
Kultur und Widerstand gegen Stuttgart 21 lassen sich nicht trennen. Ja, über die letzten knapp 15 Jahre hat sich eine Kultur des Widerstands herausgebildet. Diese ist so breit entwickelt, so vielfältig und so originell, sie wird von so vielen Personen getragen, dass ich ihr unmöglich in einer Kundgebungsrede gerecht werden kann: Es waren mehr als 1500 Reden auf den Demos und Kundgebungen. Hunderte Künstlerinnen und Künstler haben mit Gesang, mit Musikinstrumenten, mit Trommeln, mit Bildern und Grafiken, mit handgemalten Transparenten, mit Lyrik, mit Krimis und Romanen, mit Theaterstücken und einer großen Skulptur diesen Widerstand mitgestaltet und oft maßgeblich bestimmt.
Die Darbietungen erfolgten oft mit einfachen Mitteln – legendär der Bauzaun mit den vielen Hundert originellen Losungen und Bildern. Mal hatten die Künstlerinnen und Künstler unter ihren Füßen nur eine Europalette, auf der sie ihre Kunst präsentierten. Ab und an war es dann aber auch eine echte Theaterbühne. Und fast immer ist es bei der Montagsdemo die Ladepritsche eines Lastkraftwagens – seit vielen Jahren mit professionellem Equipment ausgestattet.
Diese Kultur des S21-Widerstands führte zu Kreationen mit bundesweitem Bekanntheitsgrad. Das Ortschild als „Stuttgart 21“, mit dem diagonal durchgezogenen Balken: Schwarze Schrift. Gelber Grund. Roter Strich – heute bei Dutzenden Protesten bundesweit genutzt. Das Copyright liegt in der Schwabenmetropole, aber als Allmende. Einfach genial, lieber Ulrich Stübler!
Zum Getöse, mit dem wir auch heute wieder den Demozug beenden werden, schreibt Volker Lösch:
„Der von Walter Sittler, seiner Frau Sigrid und mir erfundene ‚Schwabenstreich‘ ritualisiert lärmend das Bedürfnis nach täglichem und ortsunabhängigem Protest und kreiert Szenen einprägsamer Theatralität: Da stehen Punkt 19 Uhr zwei Fahrzeuge Nase an Nase voreinander im dichten Berufsverkehr und hupen 60 Sekunden lang am Stück, um dann mit einem herzlichen ‚Oben bleiben!‘ aneinander vorbei und weiterzufahren. […] Ältere Menschen halten etwas verschämt Kochtöpfe und Schlagutensilien unter Rollläden auf die Straße, um beim kollektiven Lärmen nicht erkannt, den Lärm aber mitgemacht zu haben. […] Da verabreden sich Stuttgarter zum Schwabenstreich am Times Square in Manhattan und in Berlin am Hauptbahnhof…“[3]
Zugegeben. Das war so zu anderen – zu den Hoch-Zeiten. Doch den Schwabenstreich vor dem Bahntower in Berlin gibt es noch – und wir sollten ihn am 30. März dieses Jahres, zur nächsten Aufsichtsratssitzung der Deutschen Bahn AG, erneut zelebrieren.
Kapitel 3: Stuttgart 21 – Kultur und Stadt
Es geht um mehr als um einen Bahnhof. Um mehr als einen Kopfbahnhof. Es geht um Stadt. Um Stadtqualität. Um die Beziehungen von Mensch und Stadt – oder auch: um den Protest gegen die Zerstörung von Stadt und von menschlichem Leben in der Stadt. Diese Zerstörung von Stadt, von Urbanität und von Lebensqualität ist ein seit langem stattfindender Prozess. Stuttgart 21 ist in dieser Entwicklung ein Element – wenn auch ein entscheidendes, gewissermaßen die monströse Krönung.
Matthias Roser beschreibt in dem Buch „Der Stuttgarter Hauptbahnhof – vom Denkmal zum Mahnmal“ den schleichenden Prozess der Zerstörung am Beispiel wichtiger Plätze und Straßen in Stuttgarts Zentrum:
„Gemeinsam mit Schillerplatz, Marktplatz und Schlossplatz bildet der Bahnhofsplatz in der ursprünglichen Konzeption den vierten bedeutenden Platz in der Innenstadt. Verkörpern jene in ihrer Anlage das Mittelalter, die Renaissance und den Barock […] so steht er für das ‚neue‘ Stuttgart, den Aufbruch ins 20. Jahrhundert. Der Bahnhof bildet gemeinsam mit Hindenburgbau, Bahndirektion, Königstraße, Lautenschlagerstraße, Schillerstraße und dem Schlossgarten ein harmonisch und funktional gekonnt in den Stadtorganismus eingebundenes großstädtisches und lebendiges Ensemble. Dieses ehemals funktionierende System gibt es heute nicht mehr. Stück für Stück sind seine Bestandteile […] durch hässliche Abgänge in den Untergrund und durch rücksichtlose Straßenführungen aus dem Gesamtzusammenhang herausgelöst worden.“[4]
Das entscheidende Element bei diesem stadtzerstörerischen Prozess ist das Auto – die Eroberung der Stadt durch das Auto bei gleichzeitiger Zurückdrängung von städtischem Raum für die Menschen. Was gleichzusetzen ist mit der Eliminierung von Stadtkultur.
Anfang der 1970er Jahre, als der Bahnhofsplatz dem Auto weichen musste, waren in Stuttgart gut 100.000 Pkw registriert. Im Jahr 2000 waren es dann 250.000. Heute sind es 300.000. Wobei der Autoverkehr selbst durch die intensiven Pendlerverbindungen noch drastischer als der Pkw-Bestand in der Stadt selbst zunimmt. Pro Tag wurden 1980 an der Gemarkungsgrenze 474.000 Pkw registriert – heute sind es 800.000.[5]
Die Ideen, wie dem beizukommen und wie ein Stück Stadtqualität zurückzugewinnen ist, existieren:
Nehmen wir hier nur beispielhaft den Radverkehr mit dem Radentscheid aus dem Jahr 2019. Für diesen wurden damals 35.249 Unterschriften gesammelt und dem Gemeinderat übergeben. Im Februar 2019 wurden im Gemeinderat mit knapper Mehrheit die zentralen Forderungen des Radentscheids angenommen – unter anderem mit der Forderung, dass an allen Straßen mit zulässigen Geschwindigkeiten von mehr als 30 km/h „baulich getrennte Radverkehrsanlagen“ angeboten werden – und zwar pro Jahr an 30 Kilometer Straßen. Dass pro Jahr „5000 neue Radstellplätze sowohl in Wohnnähe, an Schnittstellen des Umweltverbunds, ÖPNV-Haltestellen als auch an den Zielorten des Radverkehrs installiert“ werden.[6] Das – ebenfalls beschlossene – Ziel sollte sein ein Radwege-Anteil am gesamten innerstädtischen Verkehr von 25 Prozent im Jahr 2030. Das wäre mehr als eine Verdreifachung.
Bereits OB Fritz Kuhn zeigte wenig Bereitschaft, diese Ziele zu verwirklichen. Und mit OB Frank Nopper kam die Rolle rückwärts mit der verstärkten Förderung des Autoverkehrs im Allgemeinen und der „e-mobility“ im Besonderen. Allein das aktuelle Ziel, im Stadtgebiet 2000 Ladesäulen mit entsprechenden Stellplätzen für Elektro-Pkw zu einzurichten, bedeuten: 5 Hektar Fläche werden dann für diese elitäre Form des motorisierten Verkehrs bereitgestellt. Was auch heißt: Diese Fläche fehlt anderswo: bei Spielplätzen, für Straßencafés, für Parks. Es gilt: Greenwashing anstatt Grünanlagen.[7]
Unser Widerstand gegen Stuttgart 21 ist deutlich mehr als der Widerstand gegen die Zerstörung eines Bahnhofs. Es ist der Widerstand gegen die Stadtzerstörung als Ganzes.
Und der lange Atem unseres Widerstands, die Freude an diesem Engagement, der Mut, es an jedem Montag neu zum Ausdruck zu bringen – all das wird gut in einem Lied zum Ausdruck gebracht, das Bernd Köhler immer wieder hier auf dem Platz anstimmt:
Ins Geheul der Kriegssirenen // Singen atemlose Chöre
Ihre trotzig schönen Lieder // Über dem Schutt der großen Städte
Flattern stille bunte Fahnen // Für das Prinzip des Überlebens – die Vernunft
Komm Marie lass uns grad heut // Den roten Stern zum Tanzen bringen
Lass uns über Maulwurfhügel // Purzelbäume schlagen, springen:
Wir brechen das Eis der Computergehirne // Wir bieten die Stirne – Wir bieten die Stirn.[8]
Kapitel 4: Stuttgart 21 – Kultur und Klima
Immer wieder wird Stuttgart 21 mit dem Berliner Airport BER oder mit der Hamburger Elbphilharmonie verglichen. Dem haben wir immer erneut widersprochen und auf die – im negativen Sinn – Einmaligkeit dieses Monsterprojekts verwiesen: Während in Berlin und Hamburg mit viel Steuergeld die jeweiligen Kapazitäten für Kultur und Flüge erweitert wurden, soll in Stuttgart die Kapazität des Bahnhofs um mehr als 30 Prozent reduziert werden. Bereits dies ist ein Verstoß gegen alle Klimaschutzvorgaben – und, wie jüngst hier auf dem Platz Jürgen Resch ausführte, ein Verstoß gegen Recht und Gesetz in diesem Land, ein Verstoß unter anderem gegen das Landesklimaschutzgesetz.
Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 und viele Rednerinnen und Redner auf den Montagsdemos haben auch wiederholt darauf hingewiesen, dass mit S21 nicht nur das Klima massiv belastet wird, wenn dieser unterirdische Bahnhof in den Betrieb gehen sollte – eben weil die Kapazität schrumpft und weil damit Verkehr auf die Straße verlagert wird. Wir verdeutlichten auch, dass beim bloßen Bau der bis zu 100 Kilometer langen Tunnelstrecken immense Mengen an CO2 freigesetzt werden – und dass für den Betrieb von Eisenbahnen in den Tunnelstrecken wesentlich mehr Energie einzusetzen ist als im Fall der Fahrt auf freier Strecke. Erneut heißt das: zusätzliche Emissionen, die das Klima belasten.
Das mutet einem wie Willkür an – wie wenn künstlich alles getan würde, um mit viel Geld viele Tunnel-Kilometer zu buddeln – auch gerade dort, wo dies nicht erforderlich ist. Und es war der Schriftsteller Johann Nestroy, der bereits vor 180 Jahren eben dies behauptete – es fände der Bau von Tunneln um der Tunnel willen statt. Nestroy hat dazu ein Theaterstück – eine „Posse“ – verfasst, in dem es das folgende Gespräch zwischen drei Personen in der Eisenbahn gibt:
Frau Zatschelhuberin: Fahren Sie mit nach Neustadt? // Peter: Bitt´ untertänig, nur nach Brünn. // Frau Zatschelhuberin: O, das is nix. Da is kein Tunnel auf´n ganzen Weg! // Ignaz: Tunnel ist eine unterirdische Bahn, die man durch ganze Berge grabt. // Frau Zatschelhuberin (zu Peter): Wenn Sie einmal den schauderlichen Tunnel bei Gumpoltskirchen werden passiert haben … // Ignaz: Das is was Außergewöhnliches! Ein Tunnel, wo einer notwendig is, das is nix, was sein muss, muss halt sein. Aber da hab´n sie mühsam vier Schuh Weingartengrund auf einen Schwippbogen aufg´schottert, um nur unterirdisch fahren zu können. Das is a Riesenwerk!“[9]
Doch Ironie beiseite. Die Realität ist eine deutlich düsterere. Stuttgart 21 ist ein Beispiel dafür, dass in dem bestehenden Wirtschaftsmodell das Prinzip der Profitmaximierung zugleich das Prinzip „nach uns die Sintflut“ ist. Die Verantwortlichen in diesem System sind ab und an tumbe Ignoranten – ein Ronald Pofalla oder ein Frank Nopper mögen dafür typisch sein. Die Verantwortlichen sind aber meist mehr als das – es sind vor allem Zyniker. Denn sie wissen, was sie tun. Sie kennen ihr Zerstörungswerk nur zu gut. Sie gehen davon aus, dass sie das Desaster der Klimakatastrophe nicht mehr persönlich erleben. Oder dass sie in irgendwelchen Bunkern oder auf einer einsamen Insel überleben könnten – oder eben auf dem Mars.
Genau davon geht der aktuell zweitreichste Mann auf dieser Welt aus. Elon Musk erklärte in einem Interview:
„Wir sollten uns daran gewöhnen, dass Leute in ein paar Jahren hochfliegen. Jeder sollte eine Reise zum Mars machen können. […] Die Kosten müssen langfristig unter 500.000 Dollar liegen, damit das geht […] Falls jemand auf den Mars umziehen möchte, muss das auch möglich sein. Die Vereinigten Staaten [von Amerika] wurden ja auch irgendwann einmal gegründet.“ „Wir müssen jetzt die Entscheidung treffen, ob wir eine multiplanetarische Spezies werden wollen.“[10]
Das sagte Musk vor acht Jahren. Und man fragt sich: Woher hatte der Mann diese Idee? Diejenigen unter Euch, die seit Jahren dabei sind und die immer aufmerksam die Montagsdemo-Reden verfolgt haben, erinnern sich an unsere Freundin Christine Prayon. Denn von der hat Elon Musk ganz offensichtlich die Idee mit der Flucht auf den Mars. Wobei es nicht das Musk-Unternehmen „Space X“ in Florida ist, mit dem diese Flucht organisiert werden soll. Vielmehr geht um die eine Geheim-Mission oben auf dem Killesberg. Bereits 2011 hat Christine Prayon hier auf der Montagsdemo dieses Geheimnis publik gemacht – wie folgt:
„Während die Welt auf den Stuttgarter Bahnhof hinunterschaut, wird oben auf dem Killesberg das eigentliche Projekt verwirklicht. Der eigentliche Skandal. Mit den 20 Milliarden Euro, die für Stuttgart geplant sind, wird seit Jahren auf dem Killesberg ein Raumschiff gebaut, welches in zehn Jahren die deutsche Elite auf den Mars befördern wird. Denn was wir vielleicht ahnen, ist diesem erlesenen Kreis aus Wirtschaft, Politik und Medien längst bekannt: Es gibt kein Wachstum mehr – unser Planet ist kaputt und in zehn Jahren heißt es nur noch: rette sich, wer kann! Und dann wird diese kleine feine Gruppe der wichtigsten Deutschen […] die Erde vom Killesberg aus verlassen und auf dem Mars neu beginnen. Wissen Sie, wie die Betreiber dieses Projekt nennen? Mission OBEN BLEIBEN!“[11]
Wir werden alles tun, die Flucht dieser Herren – garniert mit ein paar Damen wie Gönner, Baerbock, Strack-Zimmermann – mit Start Killesberg zu verhindern. Wir werden Montag für Montag auf den Kundgebungen und Tag für Tag an der Mahnwache über dieses verschwörerische Handeln aufklären. Wir werden von Stadt zu Stadt und von Kino zu Kino den wunderbaren Gietinger-Film „Das Trojanische Pferd“ aufführen. Wir werden ab dem 24. März Busse von Stuttgart nach Überlingen organisieren, um die Peter-Lenk-Ausstellung „Das Trojanische Pferd“ in der dortigen Kunstgalerie zu besuchen, wo im Übrigen in Dauerschleife der S21-Film gezeigt wird. Wir werden dafür werben, dass die Skulptur „Das Trojanische Pferd“ zurück nach Stuttgart kommt, um Zeugnis abzulegen über die Zerstörungswut der Herrschenden – und über den langen Atem des Stuttgart-21-Widerstands.
Und damit ein letztes Mal in den Worten von Timo Brunke:
Freunde, dieser Stadt zu Ehren // Holt den Kehrwisch aus dem Schrank!
„Unumkehrbar“ umzukehren // Und die Zukunft sagt uns Dank!
Keine Angst vor Zwang und Zahlen, // Wir sind das Volk, wir sind das Geld.
Seht, wie unsre Augen strahlen: // So verändern wir die Welt![12]
In diesem Sinn – und bitte alle:
OBEN BLEIBEN!
[1] Wolfgang Schivelbusch, Geschichte der Eisenbahnreise – Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert, Frankfurt – Berlin – Wien 1979, S.153.
[2] Timo Brunke, Zehn Jahre Montagsdemo. Im Original anstelle von „viele Jahre“ „zehn Jahre“.
[3] Volker Lösch, Schwaben, hört die Signale! Notizen zur Stuttgarter Kulturrevolte, in: Stuttgart 21 – Oder: Wem gehört die Stadt, herausgegeben von V. Lösch, G. Stocker, S. Leidig und Winfried Wolf, Köln 2011, S.47.
[4] Matthias Roser, Der Stuttgarter Hauptbahnhof, Stuttgart 2010, S. 85.
[5] Genaue Angaben nach: Winfried Wolf, Heiner Monheim, Wolfgang Hesse, Stuttgart 2030 – Eine Stadt für die Menschen, Stuttgart 2020, S. 28 und 30.
[6] Hier zitiert in: Wolf/Hesse/Monheim, Stuttgart 2030, a.a.O., S. 57.
[7] Ein Stellplatz für ein E-Pkw mit Ladesäule entspricht 20 Quadratmetern. 2000 Stellplätze sind entsprechend 40.000 Quadratmeter oder 4 Hektar.
[8] Text und Musik: Bernd Köhler; CD: die neue welt, jump-up 2007.
[9] Johann Nestroy, Eisenbahnheiraten. Oder Wien, Neustadt, Brünn. Posse mit Gesang in drei Acten, Uraufführung am 3. Jänner 1844, Theater an der Wien. https://nestroy.at/nestroy-stuecke/50_eisenbahnheiraten/eisenbahnheiraten.pdf
[10] Interview in der süddeutschen Zeitung vom 11. Februar 2014 (= erstes Zitat) und Gespräch mit Dieter Zetsche in Bilanz, November 2015
[11] Christine Prayon, Mission OBENBLEIBEN – Rede auf der Montagsdemo vom 30. September 2011
[12] Timo Brunke; aus: Widerstandshymne.