Rede von Michael Becker, Demoteam, auf der 644. Montagsdemo am 16.1.2023
Kohle bleibt unten, Bahnhof bleibt oben: unter diesem Motto haben sich letzten Samstag AktivistInnen aus Stuttgart neben weiteren hunderten TeilnehmerInnen aus Stuttgart und 35.000 KlimaschützerInnen aus der ganzen Republik unter widrigsten Bedingungen an einer Großdemonstration am Rande des Braunkohletagebaus Garzweiler 2 beteiligt. Unsere Forderung: das Dorf Lützerath nicht abzureißen und die sich darunter befindlichen 280 Millionen Tonnen Kohle im Boden zu belassen. Dieser Tagebau speist Europas zweitgrößten CO2-Emittenten, das Kraftwerk Neurath. Führende Wissenschaftler legten dar, dass die dortige Kohle nicht für die Energiesicherheit relevant ist.
Trotzdem hat die Regierung dem Stromkonzern den Abbau genehmigt. Der Bundesvorsitzende des Umweltverbandes BUND, Olaf Bandt, bezeichnet dies als einen „Hinterzimmerdeal mit RWE“, denn das Einzige, was damit gesichert wird, ist die Rendite des Konzerns. Vordergründig verkauft uns der grüne „Klimaschutzminister“ den Verrat am 1,5-Grad-Ziel als politische Errungenschaft, da der Ausstieg aus der Braunkohle damit von 2038 auf 2030 vorverlegt werden soll. Wohlwissend verschweigt er dabei, dass wir damit unseren Beitrag zur CO2-Reduzierung nicht einhalten werden, da sich nur der Zeitraum der Kohleverbrennung verkürzt, nicht aber die Menge an insgesamt ausgestoßenem Kohlendioxid. Dieser Deal mit einem Konzern wie der RWE, der offen den gesellschaftlichen Konsens, die Erdüberhitzung zu begrenzen, verhöhnt, ist an sich schon ein Skandal und zeigt, wie wichtig es ist, die Belange für unsere Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.
Ich zitiere hier aus einer Gerichtsakte des Oberlandesgerichtes Köln aus dem Jahr 2006, der Text stammt von der Rechtsvertretung des Braunkohlekonzerns RWE: „Die demgegenüber von den Beklagten aufgrund subjektiver Wahrnehmung angenommene Gefahr ist weder konkret noch gegenwärtig. Ob es Klimaveränderungen geben wird, ist wissenschaftlich nicht bewiesen, Kausalzusammenhänge zwischen den einzelnen menschlichen Einflussnahmen auf die Umwelt und Klimaphänomene sind offen.“
Nein, das waren sie auch 2006 schon nicht. Während wir vorgestern am Abgrund von „Mordor“ in die Ödnis des Tagebaus blickten, stiegen im Hintergrund dicke Kondenswolken vom Kraftwerk Neurath in den Himmel, direkt daneben abgeschaltete Windkraftanlagen, weil Braunkohlestrom im Netz Vorrang hat. Acht Windräder müssen dem Baggerbiss sogar ganz weichen, das ist Klimapolitik à la Habeck und Komplizen!
Die Bezeichnung „Mordor“ aus Tolkiens Herr der Ringe, „Dunkelland“, das Reich Saurons, stammt von der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg beim Anblick des Umweltverbrechens. Sie forderte auf der Demonstration den Erhalt von Lützerath und rief zu weiteren Protesten und Widerstand auf. „Solange die Kohle im Boden ist, ist dieser Kampf nicht vorbei“, sagte sie am Samstag in einer Rede zum Abschluss der Kundgebung. „Wir haben nicht vor, aufzugeben.“ Thunberg nannte es „eine Schande“, dass Deutschland trotz der Klimakrise weiter Verträge mit Energieunternehmen wie RWE abschließe, die Kohle abbauen und verfeuern würden. Die große Zahl an TeilnehmerInnen auf der Demo lobte die Schwedin als „Zeichen der Hoffnung“. Die Resonanz zeige, dass die Veränderungen in der Klima- und Umweltpolitik nicht „von den sogenannten Entscheidungsträgern“ in Politik und Wirtschaft erzielt würden, sondern von den „Menschen, die in Baumhäusern sind, die hier auf der Straße sind“. Liebe Greta, vielen Dank für diese ermutigenden Worte! Sie beendete ihre Rede auf deutsch und rief der Menge Lützi zu, die dann mit bleibt antwortete. Dem möchte ich mich anschließen. Lützi bleibt, Kohle bleibt unten, Bahnhof bleibt oben und wir bleiben dran und auf der Straße! Vielen Dank für Ihr Durchhaltevermögen!