Rede von Antonietta Ferri, auf der 626. Montagsdemo am 29.8.2022
Liebe Montagdemonstranten,
mein Name ist Antonietta, und ich stehe heute hier an diesem Ort des Widerstands, der Begegnungen und der Solidarität. Dieser Ort ist wichtig. Wie es letzte Woche so treffend hier auf der Bühne benannt wurde.
Ein Protestplatz ist immer auch ein Ort, an dem Informationen verbreitet werden, an dem Aufklärung stattfindet.
Im Hinblick auf die Krisen in diesem durch Profit funktionierenden kapitalistischen System, wie die Klima-, Corona-, Finanz-Wirtschaftskrise, der militärischen Aufrüstung und deren Folgen für die Menschheit, ist dieser Ort umso wichtiger. Wichtig für den Widerstand gegen diese menschenverachtende Politik. Gut, dass wir diesen Ort bis heute erhalten haben!
Ich rede zunächst von mir und der Unterstützung, die ich von Euch bekommen habe, als ich vor Jahren im Rosensteinpark mit Kreidefarbe Kreuze an die Bäume gemalt hatte, um sichtbar zu machen, was uns genommen werden wird.
Ich wurde angezeigt, mir wurde vorgeworfen, die Landschaft entfremdet zu haben. Wie grotesk, wenn wir uns anschauen, wie es dort und sonstwo in Stuttgart aussieht!
Ich hatte es damals satt, schon wieder im Gerichtssaal diese negative Energie zu erleben.
Mit meiner Entscheidung, den vorgeschlagenen Kompromiss anzunehmen, die Kreuze selbst zu entfernen, waren nicht alle von Euch einverstanden. Trotzdem ward ihr dabei, an diesem Tag, und wir haben die Kreuze gemeinsam entfernt. Ich bin dankbar um diese Erfahrung der Solidarität, und mir ist sie wertvoll und begleitet mich in all meinen Tätigkeiten auf der Straße.
Dieses Geschenk von Euch möchte ich heute weitergeben an einen liebgewonnen Mitstreiter. Jetzt in diesem Moment sitzt er im Gefängnis. Er hat die Geldstrafe von 510 Euro nicht gezahlt und ist seinem Haftantritt von 30 Tagen nachgekommen.
Ich spreche vom Vollzeitaktivisten Holger Isabelle Jänicke. Er ist aus Hamburg damals zu uns in den Widerstand gekommen und stand jedem geduldig zur Seite, der in rechtlichen Fragen Unterstützung brauchte. Er war das Rechtsbüro in Person. Im Gericht vertrat er uns kämpferisch.
Ich erinnere mich noch an einen Prozess, als der Richter wieder mal eine Einstellung mit Auflagen durchbekommen wollte und Holger Isabelle ihm gegenübertrat und sagte: „Wir nehmen die Einstellung an, doch die Auflagen [heißt, der Verteidiger zahlt seine Kosten] nehmen wir nicht mehr an. Die Bürger hier in Stuttgart werden bis heute vor Gericht so schlecht behandelt, sie haben es bis heute geduldig auf sich genommen, doch jetzt ist Schluss damit, die Auflagen akzeptieren wir nicht mehr“
Das war und ist Holger Isabelle. Und er hatte Erfolg.
Gesehen habe ich ihn vor zwei Wochen hier in Stuttgart, als er bei mir übernachtet hat , für zwei Tage, kurz vor seiner Haft. Er hat hier für die Klimaaktivisten der Letzten Generation ein Prozesstraining gegeben. Ich habe mich sehr gefreut, ihn nach so langer Zeit wieder zu sehen.
Was hat er getan? Er hat sich im April 2019 die Freiheit genommen, in das Gelände der Bundeswehr in Büchel einzudringen. Dort werden 20 Atombomben bereitgehalten und ihr Abwurf täglich trainiert. Ich zitiere aus seinem Newsletter, den mein Clownsfreund gerade an Euch verteilt: „Diese Übungen sendet an die Menschen vor allem in Russland: Wenn eure Führung nicht brav ist, zerstören, verbrennen, vergiften und verdampfen wir euch in euren Städten“.
Weiter schreibt er: „Letztlich geht es nicht darum, mich zu unterstützen, sondern die gewaltfreie Bewegung in ihren Bemühungen, den Druck aufrecht zu erhalten, den es für die Abrüstung der Atomwaffen braucht.“
Im Newsletter ist ein Gedicht von ihm enthalten und konkrete Schritte, wie ihr ihn unterstützten könnt.
Ich bedanke mich bei Euch ganz herzlich!
Wir machen weiter! In diesem Sinne… ich umarme Euch.
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