Kommt zur Großdemo zum Schutz der Filderböden und gegen den wahnwitzigen Pfaffensteigtunnel!

Rede von Steffen Siegel, Schutzgemeinschaft Filder, auf der 617. Montagsdemo am 27.6.2022

Ich wuchs in Möhringen auf, einem damals landwirtschaftlich geprägten Filderort. Es nisteten Störche mitten im Ort auf dem Spitalhof. Vereinzelt gab es noch Zerstörungen durch den zweiten Weltkrieg, und wir waren überzeugt, dass es nie wieder Krieg gäbe und es nur eine Frage der Zeit wäre, bis Hunger und Krankheit weltweit besiegt würden.

Wie hatten wir uns getäuscht! Nicht nur weltweit, nein gerade auch bei uns, einem inzwischen hochentwickelten Land, nimmt der Wahnsinn rasant zu. Man setzt auf grenzenloses Wachstum und zerstört, was dem im Wege zu stehen scheint.

Wer die fruchtbare Filderebene kennt, muss verzweifeln, wie die Kommunen, der Flughafen, die Messe, die Autobahnen usw., ja selbst eigentlich positiv besetzte Firmen wie die Bahn allerbeste einzigartige Böden malträtieren.

Seit 20 Jahren kämpft die Bahn – bislang ergebnislos – um die Führung der Gäubahn von Rohr zum Flughafen im Mischverkehr mit der S-Bahn. Das war eine hirnrissige Idee und würde die S-Bahn und die Bevölkerung massiv beeinträchtigen. Das Planfeststellungsverfahren zu diesem Abschnitt 1.3b ist nach Jahrzehnten trotz einer windigen Ausnahmegenehmigung noch immer nicht zu einem Ende gekommen, aber allen ist klar, das liegt daran, dass es eine völlig untaugliche Idee ist. Und hinter allem stehen ausgewachsene, meist studierte Menschen, die kräftig mithelfen, unsere Welt zu zerstören. Alles Wahnsinn, oder?

Und nun kommen sie in ihrer Not auf die ebenfalls hirnrissige Idee, dieses Teilstück durch einen 11,5 Kilometer langen doppelröhrigen, nicht minder wahnwitzigen Pfaffensteigtunnel „verbessern“ zu wollen.

In den Ortschaften entlang des geplanten Mischverkehrs atmete man auf und dachte: Unter die Erde mit dem Mist, dann ist alles aus dem Sinn, also alles gut.

Ich habe vor 6 Wochen hier schon über all die technischen und finanziellen Probleme dieses Tunnels gesprochen, und dass mit ihm der Deutschlandtakt in Stuttgart gewiss nicht gerettet werden kann, doch heute geht es um anderes.

Dabei denken wir nicht zuletzt auch an den Krieg in der Ukraine und die drohende Hungersnot in der Welt z.B. durch ein Transportembargo. Die Konsequenz kann nur sein: Jeder Quadratmeter fruchtbaren Bodens muss erhalten bleiben, um die Versorgung der Menschen zu sichern! Das heißt, die Landwirtschaft auf den Fildern, die verbrauchernah Nahrungsmittel erzeugt, muss zwingend erhalten und geschützt werden! Wenn Landwirte immer mehr Land einbüßen, kostet es sie irgendwann ihre Existenz. Fildererde, die durch Baustellen oder Erdlager jahrelang zugedeckt und verdichtet wurde, verliert ihre Qualität und Fruchtbarkeit.

Was ist denn nun aber so schlimm an einem Tunnel im Untergrund? Den sieht doch keiner.

Es sind zwei Röhren, zu je 11,5 km, in der Summe also 23 km (das wäre z.B. Luftlinie von Plieningen aus bis Tübingen oder bis Ludwigsburg!) Geplant ist, den zentralen Startschacht für den Pfaffensteigtunnel auf den Feldern nördlich der Autobahn in Stuttgart-Plieningen anzulegen. Dort sollen sich dann zwei Tunnelvortriebsmaschinen in die Erde fressen und sich viele Jahre lang 11,5 km bis nach Böblingen vorarbeiten. In Richtung Messetiefbahnhof sollen die beiden Tunnelröhren in bergmännischer Bauweise erstellt werden.

Der offene Startschacht muss riesig sein, um die über 90 m langen Bohrmaschinen aufnehmen zu können, und der gesamte Tunnelaushub aus den beiden 11,5 km langen Röhren soll über die Startbaugrube weggefahren werden, und das heißt, dass etwa 3,2 Millionen m³ Tunnelaushub von Plieningen aus weggefahren werden müssen. Somit werden hier mehr als 266.000 LKWs ihre Reise antreten, und schließlich würde eine gigantische Menge an Beton und Stahl zugeführt, gelagert und verarbeitet werden – und das über mindestens 15 Jahre. Allein für die Betonringsegmente, die sogenannten Tübbinge, wären ca. 28.000 Sattelschlepperfahrten nötig. Die Bahn argumentiert: „Auf der Autobahn fahren so viele LKW´s, da fällt das nicht auf.“

Außerdem ist bei diesem mehr als 25 m tiefen Startloch mit einer für die fruchtbaren Äcker verheerenden Grundwasserabsenkung zu rechnen. Die Klimakatastrophe lässt zunehmend grüßen.

Deshalb: Stoppt das neue Tunnelprojekt! Den Pfaffensteigtunnel braucht niemand!

Laut den DB-Plänen wird ein „8 Hektar kleines“ Baulager (Baueinrichtungsfläche, BE) ausgewiesen. Aber sowohl der große Erdschacht für die Tunnelbohrer als auch die Flächen für den Rettungsplatz und Zufahrt zu den Tunnelröhren am Langwieser See wird viel mehr Land verschlingen, das nie mehr landwirtschaftlich genutzt werden kann. Zudem sind Plieninger Landwirte und Fachleute sicher, dass die angegebene geplante Fläche für die Baustelleneinrichtung, für Lager, Straßen oder Erdaushub etc. bei weitem nicht ausreichen wird.

Dieser Zweifel hat gute Gründe: Bei der bisherigen Baustelle am Tunnelmund des Fildertunnels nach Stuttgart wurden in den vergangenen Jahren die BE-Flächen immer wieder erweitert, um Platz für Tübbinge, Aushublager etc. zu schaffen. Plieninger Landwirte befürchten, dass ihnen nach und nach das ganze Areal vom Langwieser See bis zur Echterdinger Straße entzogen wird. Wer weiß, ob das See-Biotop, nicht zuletzt wegen der Rettungszufahrten zu den Tunnelröhren, nicht ebenfalls gefährdet ist.

Plieningen musste bereits für die Durchgangsstrecke von Stuttgart 21 (ICE-Haupttrasse entlang der A8 und Tunnelmund für den Fildertunnel nach Stuttgart) mehr als 36 ha landwirtschaftliche Fläche mit besten Böden hergeben. Der Blick von der A8 Richtung Echterdinger Ei/Degerloch zeigt: Die S21-Bauarbeiten haben eine Schneise der Verwüstung in den Filderboden geschlagen. Zusätzlich gibt es auf Plieninger Markung bereits bisher 14 ha Baustelleneinrichtungsflächen (BE), die für gut 10 bis 15 Jahre unter Beschlag sind, und ein Blick in die Vergangenheit zeigt noch viel Verhängnisvolleres: Nach dem Flughafenausbau in den 90er Jahren, der Großmesse vor ca. 15 Jahren, der A8, der S21-Schnellbahnstrecke usw. sind allein für diese Großprojekte ca. 500 ha beste Ackerböden für alle Ewigkeit verschwunden und die Kommunen in ihrem Wachstumswahn setzten nochmal vergleichbar viel drauf.

Und jetzt kommt auch noch dieser neue Tunnelplan, der die Plieninger Filderlandwirte weiter einschränkt: Die Planer nennen die Ausweisung als Baustelleneinrichtungsfläche heute einen „vorübergehenden Eingriff“. Diese Aussage bagatellisiert trickreich die Auswirkungen für die Landwirtschaft! Schließlich handelt sich es bei dem Land-Entzug um einen Nutzungsausfall für die Dauer einer ganzen Landwirts-Generation.

Was nur veranlasst Bahn und Politik dazu, diesen Tunnel voranzutreiben? Es sind wohl hauptsächlich zwei Punkte:

  1. Sie wollen auf Teufel komm raus den Flughafen anbinden, obwohl nur sehr wenige Gäubahnnutzer wirklich zum Flughafen wollen. Und neben der katastrophalen Klimabilanz des Tunnels wird dadurch ja auch noch künstlich das extrem klimaschädliche Fliegen gefördert. Der Flughafen veröffentlicht gerade, wie er es nennt, „positive“ Prognosen. Diese besagen, dass man in ca. 20 Jahren doppelt so viel Flugpassagiere haben wird wie vor Corona. Das nennen sie positiv. Ja sind die denn total irre?
  2. Bauen dient den Grabfirmen (die nenne ich so, weil sie im Untergrund graben), und die meisten PolitikerInnen stehen solchen Firmen sehr wohlgesonnen nahe. So profitiert z.B. nicht nur Herrenknecht selbst vom Tunnelbau. Denken wir nur, dass Rüdiger Grube bis 2020 im Aufsichtsrat von Herrenknecht saß, und Günther Oettinger sitzt dort seit 2021. Ja und Gerhard Schröder gab seinen Aufsichtsratsposten erst jetzt im März diesen Jahres auf.

Für lächerliche 4 Sitzungen im Jahr bekommen sie mehrere 100.000 Euro. Gutverdienende Altpolitiker nehmen so ein Zubrot gerne dafür an, dass sie sich für zerstörerische Bauprojekte stark machen. Ich frage mich: Wann endlich tragen sie mir einen solchen Posten an? Aber vermutlich würde ich ablehnen!

Legen wir den Zerstörern das Handwerk, kommt zur großen Demo am Sonntag, dem 10. Juli, ab 11 Uhr nach Plieningen, organisiert vom dortigen Landwirtschaftlichen Ortsverein und der Schutzgemeinschaft Filder. Mehr als 50 Traktoren werden dabei sein.

Ablauf:

11 Uhr bis 11.30 Uhr Sammeln beim Langwieser See, dort

11.30 Auftaktkundgebung – dann weiter über das geplante Baufeld

12.30 zweite Kundgebung bei der geplanten Baugrube

13 Uhr zurück Richtung Plieningen

Wo?

Am westlichen Ende Plieningens, am letzten Haus an der Echterdinger Straße Nr.36 liegt der Hof von Michael Gehrung. Dem gegenüber führt ein Feldweg zum Langwieser See, wo die Auftaktveranstaltung stattfindet. Die Route ist vom Hof aus ausgeschildert, bzw. durch die Traktoren, die das Gelände „abstecken“, erkennbar.

Da es direkt am Aktionsgelände keine Parkplätze gibt, bitte am besten mit dem Rad oder zu Fuß kommen. Weitere Möglichkeiten: Mit der S-Bahn zum Flughafen/Messe. Von der Messe-Piazza aus führt zwischen den Boschparkhäusern ein öffentlicher Rad- u. Fußweg auf die andere Seite der A8 zum Demogelände – dort der Ausschilderung folgen. Oder mit der U6 von Stuttgart über Möhringen zum Flughafen oder von Esslingen mit dem 122er Bus direkt zur Echterdinger Straße (Haltestelle Im Köpfert).

Auf den Hof von Michael Gehrung kehrt der Demonstrationszug nach den Kundgebungen wieder zurück. Dort veranstaltet der Obst- & Gartenbauverein ab Mittag eine Hocketse.

Macht Werbung in euerm Umfeld, kommt massenhaft:

  • Stoppt den weiteren Landraub
  • Stoppt das neue Tunnelprojekt! Den Pfaffensteigtunnel braucht man so wenig wie die Mischverkehrsvariante! Er kostet mindestens 2 Mrd. Euro; der Tunnelbau erzeugt mindestens 600.000 Tonnen CO2 ; der direkte Zulauf der Gäubahnen aus Zürich über Singen und Böblingen zum Stuttgarter Bahnhof würde für 15 Jahre vollständig abgehängt!
  • Der Pfaffensteigtunnel ist ein extrem teures, bahnbetrieblich schädliches, beste Böden zerstörendes, klimapolitisch unverantwortliches Projekt. Dabei gibt es doch eine so naheliegende Lösung, für die wichtige Verbindung Zürich-Stuttgart: Den Erhalt der Führung der Gäubahnzüge nach Stuttgart auf der schönen Panoramastrecke und zwar dauerhaft – nicht so, wie es gerade viele Gäubahnanrainer und auch Umweltverbände fordern, nur solange bis der Pfaffensteigtunnel fertig ist. Die vorhandene, z.Z. genutzte Trasse wäre die einfachste, preiswerteste und klimaschonendste Lösung für alle, auch wegen ihrer wichtigen Funktion als Ersatz-S-Bahn-Strecke für Notfälle und Störungen.

Zum Schluss noch eine kühne Frage: Was dient unseren Enkeln eher:

  • eine 100 m lange Herrenknechtbohrmaschine
  • oder ein 10 cm langer Regenwurm?

Ist doch klar, der Regenwurm siegt haushoch. Er lockert den Boden, macht, dass der Boden mehr Wasser speichern kann, fördert die Humusbildung usw.

Also, schickt die Bohrmonster zur Hölle, schützt Regenwürmer, Landwirte, Umwelt und Klima!

Kommt alle zur Demo, bei jedem Wetter, lasst die Regenwürmer unten, aber ihr bleibt gefälligst oben!

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