Liebe Friedensbewegte,
Im Radio sprach gestern ein Sozialpsychologe von Ratlosigkeit und Hilflosigkeit. Das sind genau die Worte, die uns alle bewegen angesichts des Überfalls Russlands auf die Ukraine. Wie oft haben wir schon gegen Kriegseinsätze der USA, gegen Drohnenkriege und Waffengeschäfte demonstriert, vor allem am Africom. Umso mehr ist es uns heute ein Bedürfnis, das brutale imperialistische Vorgehen Russlands anzuprangern. Bei allem Entsetzen muss man aber gutheißen, dass viele Politikerinnen und Politiker bis zuletzt versucht haben, mit Diplomatie den Frieden zu bewahren. Auch jetzt führt Scharfmacherei und Aufrüstung nicht zum Frieden. Denn Krieg darf nie eine Lösung sein. Krieg ist keine Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln, sondern ein Verbrechen.
Dazu möchte ich als Jurist auch ein paar Gedanken beisteuern. Die Charta der Vereinten Nationen sagt sehr deutlich, wie zivilisierte Völker miteinander umzugehen haben. Russland, damals als Sowjetunion, hat am 26.6.1945 in San Francisco zu den Gründungsmitgliedern und Unterzeichnern gehört.
In Artikel 1 heißt es:
„Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele: den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen.“
Und in Artikel 2:
„Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“
Artikel 33 regelt die friedliche Streitbeilegung:
„Die Parteien einer Streitigkeit, deren Fortdauer geeignet ist, die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu gefährden, bemühen sich zunächst um eine Beilegung durch Verhandlung, Untersuchung, Vermittlung, Vergleich, Schiedsspruch, gerichtliche Entscheidung, Inanspruchnahme regionaler Einrichtungen oder Abmachungen oder durch andere friedliche Mittel eigener Wahl.“
Die Vereinten Nationen haben auch den Internationalen Gerichtshof in Den Haag eingerichtet. Der kann Verbrechen gegen die Menschlichkeit ahnden und hat dies immer wieder getan. Bislang fällt aber ein Angriffskrieg nicht in seine Zuständigkeit. Das muss anders werden. Angriffskriege sind völkerrechtlich zu ächten und die Verantwortlichen sind zu bestrafen. Denn sie sind keine Staatsmänner, die im vermeintlichen Interesse ihres Landes zu solchen Mitteln greifen, sondern Verbrecher. Solche Kriminelle dingfest zu machen und vor das internationale Tribunal zu stellen, wäre ein mutiger Schritt. Und juristisch hätte es die Konsequenz, dass jeder, der einen solchen Krieg unterstützt, sich der Beihilfe zu einem Verbrechen schuldig machen würde. Dabei denke ich insbesondere an die Waffenindustrie.
Zwar reden wir heute von Russlands Angriff auf die Ukraine, doch in der ganzen Welt toben Kriege, die auch von demokratischen Staaten mit Waffenlieferungen angeheizt werden. Ich denke dabei an die Angriffskriege der Türkei, Saudi-Arabiens mit Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten und viele andere Konflikte. Unsere Waffenlieferungen haben unzählige Menschenleben gekostet.
Bei aller Empörung über Russland, das sich ähnlicher Methoden bedient wie Deutschland 1939 beim Überfall auf Polen, soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Durchsetzung von Machtansprüchen mit Gewalt weit verbreitet ist. In der Vergangenheit haben immer wieder auch andere Staaten mit derartigem Vorgehen das Völkerrecht gebrochen. Auch Deutschland hat sich 1999 am Kosovo-Krieg der NATO beteiligt. Mit seinen Verbündeten hat es Afghanistan statt Frieden zu bringen in ein Chaos gestürzt.
Um auf Russlands Überfall auf die Ukraine zurückzukommen: Es wäre falsch, allein Putin verantwortlich zu machen und den Krieg als das Werk eines Verrückten darzustellen. Genau so wie Hitler nicht allein Deutschlands Angriffskrieg angezettelt hat – denn er hatte genügend Menschen um sich, die mitgemacht haben – hat Putin mit kühlem Kalkül gehandelt. Seine Militärs haben entschieden, ihre Maschinerie in Gang zu setzen. Überfallen haben sie ein Brudervolk. Die Angehörigen der russischen Minderheit in der Ukraine sind von dem Leid gleichermaßen betroffen.
Ich warne davor, das russische Volk insgesamt für die Verbrechen seiner Führung in Mithaftung zu nehmen und Feindbilder aufzubauen. Unsere Völker sind seit vielen Jahrhunderten menschlich und kulturell aufs Engste verbunden. Beide gehören zur europäischen Familie und wollen in Frieden und Freundschaft miteinander leben. Das muss so bleiben. Dazu gehören gegenseitige Achtung und Respekt. Selbst in Russland protestieren mutige Menschen gegen den von ihrer Führung begonnenen Krieg.
Deren Verlogenheit zeigt sich in Putins Rede vom 21.2.2022. Allen Ernstes erklärte er: „Wobei Russland immer dafür eingetreten ist und auch heute dafür eintritt, dass noch die schwierigsten Probleme mit politischen und diplomatischen Mitteln gelöst werden, am Verhandlungstisch. Wir wissen sehr wohl, welche kolossale Verantwortung wir für die regionale und globale Stabilität tragen.“
Nichts davon hat er eingehalten. Frecher hätte man sich nicht tarnen können. Stattdessen erfüllt sich die Ankündigung der Gräuel in Zelens´kyjs Rede vom 23.2.2022: „Der Krieg ist ein furchtbares Übel. Und dieses Übel hat einen hohen Preis, in jeder Hinsicht. Menschen verlieren Geld, ihren Ruf, ihr tägliches Auskommen, ihre Freiheit. Aber das wichtigste ist: Sie verlieren ihre Nächsten. Sie verlieren sich selbst. Im Krieg fehlt es immer an allem. Im Überfluss gibt es nur dies: Schmerz, Schmutz, Blut und Tod. tausendfachen, zehntausendfachen Tod.“
Die Schrecken dieses Krieges haben gerade begonnen. Die Folgen sind noch gar nicht abzusehen. Mit dem Finger auf Andere zu zeigen ist eine gängige Methode. Man muss aber schon zurück fragen, weswegen Spitzenpolitiker des demokratischen Westens sich Putins Russland des eigenen Vorteils wegen als Aufsichtsratsmitglieder, Vorstandsvorsitzende und auf ähnlichen Posten zur Verfügung gestellt haben. Wo blieb da der Einsatz für Menschenrechte und den Frieden?
Namentlich nennen will ich Italiens Ex-Premier Renzi, den finnischen Ex-Regierungschef Aho, den österreichischen Exkanzler Kern, den französischen Ex-Premier Fillon und nicht zu vergessen unseren Altbundeskanzler Schröder. Des schnöden Mammons wegen haben sie ein Regime unterstützt, das nun zeigt, was ihm Recht und Frieden bedeuten.
Wir denken heute an die Millionen Menschen, die direkt vom Krieg betroffen sind, die sich auf die Flucht machen, die alles verlieren. Unsere Pflicht und Schuldigkeit ist es, sich um diese unschuldigen Opfer zu kümmern, wenn wir schon die Kriegsverbrechen nicht verhindern können. Wir fordern einen sofortigen Stopp der Kampfeinsätze und Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine.
Was gerade heute als Utopie klingen muss, möchte ich trotzdem als Hoffnung für eine bessere Zukunft wörtlich zitieren, nämlich einen Textausschnitt aus „Imagine“ von John Lennon:
„Stell dir vor, es gäbe keine Länder,
es ist nicht schwer, das zu tun.
Nichts, wofür es sich lohnt zu töten oder zu sterben
und auch keine Religion.
Stell dir vor, alle Menschen,
leben ihr Leben in Frieden.
Du wirst vielleicht sagen, ich sei ein Träumer,
aber ich bin nicht der Einzige.
Ich hoffe, eines Tages wirst auch du einer von uns sein,
und die ganze Welt wird eins sein.“
Ich danke euch Allen für eure Solidarität mit den betroffenen Menschen und euren Einsatz für den Frieden. Der ist gerade jetzt besonders wichtig, um einen Flächenbrand mit unabsehbaren Folgen bis hin zum Einsatz von Atomwaffen zu verhindern. Denn Frieden ist ein Menschenrecht!
Rede von Dieter Reicherter auf der Friedensdemo gegen den Ukrainekrieg als pdf-Datei
Danke Dieter Reicherter…für die Erinnerung an John Lennons Lied….sowie ihrer juristischen Betrachtung der Grenzsicherung mit Waffen …..schlimmer gehts (n)immer.
Da ordnet sich Max Colpets Lied „Sag mir wo die Blumen sind“ – Pete Seeger schrieb das Original ‚Where have all the flowers gone – von Marlene Dietrich, später auch von Joan Baez in englischer Sprache interpretiert in den friedvollen Kontext ein.
Zur „psychologischen“ Meinung des Psychologen „Ratlos“ bin ich allerdings anderer Meinung. Eine plumpe Telefon-Diplomatie die „Zar Wladimir“ -nur als Geschäftemacher akzeptiert-, hat jämmerlich versagt; zumal von deutscher „Nato“Seite mit dem Zauberwort „Sanktionen“, einem der größten Waffenexporteure der Welt.