Die Wasserschlacht geht weiter

Rede von Christoph Hofrichter, Bezirksbeirat Obertürkheim „Die FrAktion“, auf der 585. Montagsdemo am 25.10.2021

Stand der Dinge

Schon 2018 hab ich hier von der „Unterwasser-Baustelle“ in Obertürkheim erzählt, ein ständiger Wassereinbruch in der Tunnelröhre mit täglich 3,8 Mio. Liter Wasser.

Nach einem Jahr Baustopp ist man seit 2020 inzwischen mit einem neuen Drainage-System gerade mal 12 Meter weitergekommen, noch immer 500 Meter vor dem Tunnelende in Obertürkheim entfernt. Jetzt steht der Tunnelvortrieb wieder still „plötzlich und unerwartet“ steht den Tunnelbauern plötzlich in Untertürkheim eine Brücke im Weg.

Verlauf der Tunnelröhren – auch Untertürkheim hängt

Ich hole noch mal aus, um euch die Situation zu erklären: vom Tunnelbahnhof aus verzweigt sich im Berg sofort der erste Strang, geht nach rechts hoch zum Filderbahnhof, weiter über Ulm nach Bratislava… der linke Strang teilt sich vor Wangen – unter der Erde natürlich – noch mal, nach links Richtung Untertürkheim, unter dem Inselbad bis zum Abstellbahnhof und über die neu gebaute Rampe Richtung Nürnberg und Aalen, dazu auch zu dem geplanten Abstellbahnhof. Dieser Tunnelstrang ist fertig, aber dort gibt es scheinbar wie jetzt in der Zeitung berichtet wurde, auch „ungeklärte Probleme“.

Der andere Tunnelstrang soll von Wangen aus in einer großen Rechtskurve vor Obertürkheim wieder oben in die Bestandstrecke einfädeln. Aber seit 3 Jahren kommen sie immer noch auf Untertürkheimer Gebiet nicht weiter.

Wassereinbrüche seit 2017 – Probebohrungen

Seit 3 Jahren dringen also täglich 3,8 Mio. Liter Wasser in den Tunnel, die mit großem Pump-Aufwand abgesaugt werden müssen und in der Nähe des Inselbads Untertürkheim wieder in den Neckar eingeführt werden – alles Grundwasser…

Schon 2016 war man auf eine Doline gestoßen, die in einer Sekunde 10 Liter Wasser mit großem Druck ausgestoßen hatte. Es stand kein Arbeiter daneben – er wäre von dem Wasserstrahl getötet worden. Daraufhin musste das gesamte Sportgelände an den Tennis- und Fußballplätzen der SG Untertürkheim abgebaut werden, und die Bahn füllte das ganze Areal ein Jahr lang mit Beton auf.

Nun sollte es zügig weitergehen. Das war 2017, dann kam 2018 der Wassereinbruch – wieder ein Jahr Stillstand. Unser Geologe, Dr. Ralf Laternser, sagte, als er die Pläne zu den Probebohrungen 2005 gesehen hatte: „Die haben präzise an den Stellen gebohrt, wo sie sicher sein konnten, NICHT auf Wasser zu stoßen“.

Ein Rückblick: Neckarverlauf und Kanalisierung nach Hedelfingen zum Hafenbau 1968

Man hatte beim bestgeplanten Projekt „irgendwie“ übersehen, das da die letzten ca. 10.000 Jahre der Neckar immer geflossen war! In Esslingen-Brühl bog er nach rechts durchs Tal nach Obertürkheim und floss am Ort entlang – das Wappen ist ein Mühlenrad – bis nach Untertürkheim, hier wieder nach links in die Talmitte.

Als er 1968 wegen des Wirtschaftsprojekts Stuttgarter Neckarhafen zwei Kilometer nach Westen verlegt wurde, also nach Hedelfingen, und das ausgetrocknete Flussbett zugeschüttet werden sollte, musste man zunächst noch über Hundert einzelne Quellen separat versiegeln, die in diesem Flussbett weiterhin ihr Wasser sprudelten. Danach wurde das Flussbett zugeschüttet und mit der hässlichen Industrie des Stuttgarter Neckarhafens überbaut. Genau hier, unter dem ehemaligen Flussbett des Neckars, könnte das „bestgeplante Projekt" scheitern. Es gibt übrigens im Hafen Gebäude, die sich schon jetzt bis zu 20 cm abgesenkt haben.

Bruckwiesenbrücke „überraschend im Weg“

Was passiert jetzt? Die Bruckwiesen-Brücke, 120 m lang, die jetzt – völlig überraschend! – unterquert werden muss. 1986 so gebaut, dass jetzt die Pfeiler dieser Brücke direkt in den Tunnel hineinragen würden! Also quasi in halber Höhe…

Deshalb musste eine Spezialfirma aus Düsseldorf gefunden werden – über Vertragsinhalt und vor allem Kosten schweigt sich die Projektgesellschaft aus, die vier Spezialpfeiler tief in den Boden rammen will, miteinander noch durch Stahlstränge verbunden, dass das Ganze nicht verrutschen kann. Dann sollen die Pfeiler direkt tief auf den Fels gründen. Wiederhole „sie sollen“… Erst danach kann der Tunnel weiter vorgetrieben werden, unter der Brücke hindurch.

Die gefährliche Unterquerung der Bestandstrecke vor Obertürkheim

Der nächste Schritt ist dann die riskante Unterquerung der Bestandsstrecke Stuttgart Ulm/Tübingen mit vier Gleisen – das habe ich 2018 alles schon erzählt – also vier Gleise für S-Bahn, Interregio-Züge, ICEs, Güterzüge, alle fahren auf dieser Strecke zwischen Untertürkheim und Esslingen nach Ulm oder Tübingen, und wir haben immer noch das Bild von der „Fast-Katastrophe“ in Rastatt im Gedächtnis, wo bei einem ähnlichen Bauvorhaben die Gleise sich um anderthalb Meter abgesenkt hatten. Glücklicherweise war nur noch eine Straßenbahn über die nicht mehr fundierten Gleise gefahren. Die Strecke war über viele Monate vollkommen gesperrt.

Zusatzbahnhof macht Tunnel nach Obertürkheim überflüssig – Kombilösung

Meine Frage ist jetzt im Bezirksbeirat, warum der leitende Ingenieur Dörfel eigentlich ein so großes Risiko eingeht: Unterquerung dieser Brücke, Unterquerung der Bestandsstrecke? Es sind noch fast 500 Meter bis nach Obertürkheim…

Inzwischen steht von Verkehrsminister Hermann der Plan im Raum – von der scheinheiligen CDU mitgetragen – einen unterirdischen Zusatzbahnhof im rechten Winkel zum Tiefbahnhof zu bauen. Aber vielleicht doch oben mit den bestehenden Gleisen 1-6?

Um dann

  • die Gäubahn/Panoramabahn direkt bedienen zu können mit der immer notwendigen Ausweichstrecke für die S-Bahnen,
  • eine Strecke Richtung Ludwigsburg auch von dort aus anzufahren, und vor allem
  • durch den alten Rosensteintunnel über Cannstatt das Neckartal nach Unter- und Obertürkheim hochzufahren, wodurch dieser jetzige Tunnelstrang von der Wangener Abzweigung bis nach Obertürkheim obsolet, also quasi sinnlos wäre.

Hier könnte man tatsächlich dann einen Busbahnhof oder was auch immer bauen, bevor man es wieder zuschütten müsste. Ich vermute, das wird natürlich alles nicht zugegeben, man baut weiter, bis es klar ist, dass der Zusatzbahnhof kommt und dass diese Strecke über Cannstatt/Untertürkheim nach Esslingen auf der alten Trasse geführt wird. Und dann wird es Ausreden geben, warum man das nicht hatte voraussehen können.

Es könnte wirklich sein, dass der alte Flussgott des Neckars sich hier bei dem verlogenen „Jahrhundertprojekt“ S21 dafür rächt, dass man ihn 1968 nach so langer Zeit aus seinem vertrauten Flussbett in einen Kanal vergewaltigt hat.

Oben bleiben – und wenns nur der Zusatzbahnhof wird!

Rede von Christoph Hofrichter als pdf-Datei

 

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