Wahlbilanz und Widerstand. Oder: die Menschen sind weiter als „die Politik“

Rede von Dr. Winfried Wolf, Verkehrsexperte, Journalist und Herausgeber von ‚LunaPark21, am 11. Jahrestag des Schwarzen Donnerstags am 30.9.2021

Ich komme gerade vom Betriebsrätekongress der GDL in Bremen. Es war dort beeindruckend, wie stark die mehr als 280 Betriebsräte dieser Gewerkschaft den Zusammenhang von Wertschätzung der Bahnbeschäftigten und Notwendigkeit einer Klimabahn sehen – was auch im Referat von Prof. Däubler aus Tübingen, der Ver.di-Mitglied ist und als Anwalt für die GDL arbeitet, betont wurde.

Nicht verhehlen möchte ich, dass ich dort einen „passiven“, mich bewegenden Auftritt hatte. Claus Weselsky bat mich auf die Bühne, um mich für die Gründung der STREIKZEITUNG, die während der GDL-Streiks mit zwei Ausgaben erschien, zu ehren.[1] Es ist auch für mich selten, einen solch starken Applaus zu bekommen – und dann noch einen solchen von kampferprobten, streikerfahrenen Proletariern.

Wichtig dabei ist für uns hier in Stuttgart: Immer wieder war Stuttgart 21 bei der GDL-Tagung Beispiel für die zerstörerische Politik der Führung der Deutschen Bahn AG. In beiden Ausgaben der STREIKZEITUNG war das Thema Stuttgart 21 breit vertreten – unter anderem mit Auszügen aus einer Rede von Tom Adler. So wie ja auch der Kollege Norbert Quitter, stellvertretender Bundesvorsitzender der GDL, hier in Stuttgart während des Streiks gesprochen und seine Solidarität mit der Bewegung gegen Stuttgart 21 zum Ausdruck gebracht hat.

Doch nun zum Thema WAHLEN: Am vergangenen Sonntag, dem 26. September 2021, gab es zwei in vielerlei Hinsicht historische Wahlen, über die kaum berichtet wird: An diesem Tag sprachen sich in der Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland 56 Prozent für eine Enteignung der großen Wohnungskonzerne aus. Und warum gab es diesen Erfolg? Weil Millionen Menschen das Recht auf bezahlbares Wohnen als Grundrecht sehen, und weil bis zu 2000 Aktive diese Kampagne in der Hauptstadt mit enormem Engagement getragen haben.

Am selben letzten Sonntag wurde in der Hauptstadt der Steiermark, in Graz, Elke Kahr zur Oberbürgermeisterin gewählt. Frau Kahr ist Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs. Sie geht auch heute weiter davon aus, dass „die lohnabhängigen Menschen der bewussteste Teil der Gesellschaft“ sind.[2]

Und warum hatten Elke Kahr und ihr Team diesen Erfolg? Sicher nicht vor allem, weil sie Kommunisten sind. Sondern vor allem, weil sie mit ihrer konkreten bescheidenen Lebensweise als Vorbild gesehen werden, weil sie sich seit Jahrzehnten insbesondere für die Interessen von Mieterinnen und Mieter stark machen und weil sie einen umfassenden öffentlichen Wohnungssektor fordern. Das gefällt natürlich denen nicht, die im Bündnis mit Miethaien und Wohnungskonzernen stehen. Die Schlagzeile in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung lautete: „Willkommen in Leningraz“.

Doch wenden wir uns dem zu, worüber breit berichtet wird – der Bundestagswahl in Deutschland. Die Ergebnisse, über die in der folgenden Klarheit ebenfalls fast nirgendwo berichtet wird, lauten:

  • 9,7 Millionen Menschen im wahlberechtigten Alter – rund eine Million mehr als vor vier Jahren – durften nicht zur Wahl gehen, weil sie keinen deutschen Pass haben.
  • 14,3 Millionen oder ein knappes Viertel der Wahlberechtigten – also der Menschen mit deutschem Pass – ging erst gar nicht zur Wahl.
  • Weitere 4 Millionen – das entspricht 8,6 Prozent – machten ihr Kreuz bei Kleinparteien, deren Ergebnis jeweils unter der undemokratischen Fünf-Prozent-Hürde blieb. Sie verschenkten mehr oder weniger bewusst ihre Stimme.
  • Sodann erhielt die Wahlsiegerin SPD 11,9 Millionen Stimmen, was 25,7 Prozent der Wählerinnen und Wähler entspricht. Das sind aber zugleich nur 19 Prozent der Wahlberechtigten. Es entspricht sogar weniger als 15 Prozent der Bevölkerung im wahlberechtigten Alter.

Nochmals dürftiger waren die Ergebnisse von CDU/CSU, Grünen und FDP. Und diese Gesamtveranstaltung bezeichnete der Grüne Cem Özdemir am Wahlabend bei „Anne Will“ dann als „das Hochamt unserer Demokratie“[3] Nein, ich mache mich keineswegs über die Wahlen lustig. Es ist gut, dass es sie als einigermaßen freie gibt. Und selbstverständlich habe ich (die LINKE) gewählt. Doch analysiert werden müssen die Verhältnisse, wie sie sind. Wobei das, was jetzt nach der Wahl stattfindet, nochmals erbärmlicher ist als die nackten Ergebnisse.

Der Zweitplatzierte – dieser Leichtmatrose aus Aachen – will eine „Zukunftskoalition“ mit FDP und Grünen bilden. Die beiden kleineren Parteien erklären noch am Wahlabend, dass sie eine Regierung mit der Union der Verlierer nicht ausschließen. Gelingt der Schlaftablette Olaf Scholz am Ende die Bildung einer Regierung, dann wird derjenige Kanzler, der 2020 in zwei SPD-internen Wahlgängen um den Parteivorsitz unterlag – und dessen Politik von einer Mehrheit der SPD-Mitglieder als wenig sozial und nicht ökologisch ausgerichtet angesehen wird.[4]

Drei Dinge sind damit ausgemacht: Erstens ist offenkundig, dass es sich bei der neuen Regierung um eine politisch schwache Regierung handelt, bei der die Gemeinsamkeit im Wesentlichen darin besteht, dass alle Beteiligten an die Futtertröge wollen. Nach 16 Jahren mit relativ stabiler Merkel-Regierung nähert sich unser Land auf diesem Gebiet dem EU-Normalmaß. Zweitens liegt auf der Hand, dass diese Regierung einen grundsätzlich unsozialen Charakter haben wird. Sie verfolgt das Ziel „Einhaltung der Schuldenbremse“. Sollte sie erkennen, dass Mehrausgaben – beispielsweise für Klimaschutz – notwendig werden, wird sie die entsprechenden Gelder nicht bei den Besserverdienenden und den hochprofitablen Unternehmen, sondern bei den kleinen Leuten holen – über „Rentenanpassung“, höhere Sozialbeiträge, steigende Energiepreise oder eine Mehrwertsteuererhöhung. Drittens ist klar erkennbar, dass diese Regierung in keiner Weise den Aufgaben, die sich ihr stellen, gewachsen sein wird.

Beschränken wir uns auf zwei Bereiche – den Klimaschutz und die Bahnpolitik: Zum Klimaschutz: Alle relevanten Player einer neuen Bundesregierung setzen auf rein marktwirtschaftliche Mechanismen zur Reduktion der Treibhausgase.[5] Tatsächlich wirken die Marktmechanismen in die entgegengesetzte Richtung. Das ist so bei einer Konzentration auf eine CO2-Bepreisung. Diese muss dann als Alibi dafür herhalten, dass verzichtet wird auf wirksame Sofortmaßnahmen wie Besteuerung von Kerosin, Wegfall der Dienstwagensubventionierung, Streichung der Diesel-Subventionierung und vor allem auf einen Beschluss zu wirksamen Tempolimits von 120 auf Autobahnen, von 80 auf allen anderen Fernstraßen und von 30 in allen Wohngebieten.

Das wird besonders deutlich beim Elektroauto-Wahn, für den es nicht zufällig eine große Koalition, bestehend aus Union, SPD, Grüne, FDP und dem Verband der Autoindustrie gibt. Wobei sich Scholz und Laschet beim Lob für das neue Tesla-Werk in Grünheide zu übertrumpfen versuchen.

Stichwort Paris: Ist es nicht verrückt, dass hierzulande, in der Hauptstadt Berlin und auch in der Landeshauptstadt Stuttgart, das Thema Tempo 30 in allen Wohngebieten nicht durchsetzbar erscheint – und dass diese elementare Forderung vor wenigen Wochen in Paris umgesetzt wurde? Für Gesamt-Paris gilt inzwischen Tempo 30 – die Stadtautobahn Périphérique  ausgeschlossen. Was dort im Interesse der Stadtbevölkerung machbar ist, muss es auch hier geben.

Zur Politik im Bereich Schiene: Die neue Bundesregierung und die Deutsche Bahn AG werden am Projekt Deutschlandtakt festhalten. Das klingt ja auch gut: bundesweiter Integraler Taktfahrplan; Vorbild angeblich die Schweiz. Doch es ist genau nicht die Schweiz, die da Vorbild ist – das Negativ-Vorbild ist die Politik der Deutschen Bahn selbst. Konkret: Man will, unter der Tarnkappe „Deutschlandtakt“, in den nächsten 10 bis 15 Jahren mehr als 75 Milliarden Euro vor allem in falsche, oft zerstörerische Großprojekte investieren. Man will, so auf einer neuen Verbindung Hannover – Bielefeld, erneut, wie im Fall Stuttgart – Ulm, eine Bolzstrecke für viel Geld und mit einem Energiefresser-Tempo 300 bauen. Und wie dies hier bei der Propagierung von Stuttgart 21 der Fall war und weiterhin der Fall ist, so wird bei diesen Deutschlandtakt-Projekten gelogen, dass sich die Schwellen und die Schienen biegen.

Interessant dabei ist: In den entsprechenden Kreisen werden diese Projekte damit begründet, dass alles „ganz anders als in Stuttgart“ sei. Stuttgart 21 wird allgemein in Deutschland außerhalb des Gesichtskreises von Nopper und Kretschmann als katastrophal angesehen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte vor ein paar Wochen einen Seite-1-Artikel mit einem Loblied auf den neu projektierten Frankfurter Fernbahntunnel mit der Überschrift: „KEIN Stuttgart 21 am Main“. Dort heißt es u.a.: „Alle oberirdischen Gleisanlagen im Frankfurter Hauptbahnhof bleiben erhalten – dank zusätzlicher Bahnsteige in 35 Metern Tiefe […] Mit Stuttgart 21 hat dies mithin wirklich nichts zu tun.“[6]

Das Projekt ist aus vielen Gründen, die ich hier wegen notwendiger Zeit-Ökonomie nicht erläutern kann, dennoch absolut gaga. Das zeigt allein schon die Zeitvorgabe; ich zitiere nochmals die FAZ: „Selbst wenn die Bürger nicht auf die Barrikaden klettern […] so wird es mindestens zwei Jahrzehnte dauern, bis die ersten Züge unter der (Frankfurter) Innenstadt hindurchrauschen.“

In Zeiten einer aufziehenden Klimakatastrophe, bei der das nächste Jahrzehnt entscheidend sein wird, plant man einen Betonbahn-Tunnel, der frühestens 2041 in Betrieb gehen würde…

Jetzt habe ich bei meiner Wahlbilanz darüber berichtet, dass ein großer Teil der Bevölkerung das Gefühl hat, die Wahlen gingen den Menschen schlichtweg am Arsch vorbei. Doch warum ist das so? Ein wesentlicher Faktor für den mangelnden Enthusiasmus des Wahlvolks besteht in der Politiker-Müdigkeit. Und ich meine es so, wie formuliert; die Rede ist nicht von „Politik-Müdigkeit“. Die Erfahrungen der Menschen mit der offiziellen Politik sind schlichtweg abstoßend. Auch hier zwei Beispiele:

Beispiel 1 - Thema Krieg & Frieden: Es gab mehr als ein Jahrzehnt lang in der Bevölkerung eine deutliche Mehrheit gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Im Bundestag stimmten jedoch immer gut 80 Prozent für die Verteidigung der Freiheit Deutschlands am Hindukusch. Und wie reagierte jüngst „die Politik“ auf den Kollaps von Nato und USA in Kabul? Man müsse jetzt den Aufbau einer EU-Armee beschleunigen, um autonom Auslandseinsätze durchführen zu können.

Olaf Scholz tönte: „In dieser Legislaturperiode haben wir den größten Aufwuchs für die Bundeswehr […] geschafft – ein Zuwachs von 36 Prozent. Das ist etwas, was ich aus tiefster Überzeugung für richtig halte.“[7] Allein diese Aussage ist doch ein Offenbarungseid für einen potentiellen Bundeskanzler und insbesondere für einen Sozialdemokraten:

  • 14 Prozent der Kinder in diesem Land leben in Hartz-IV-Haushalten.
  • Millionen Existenzen sind wegen (berechtigter) Pandemie-Maßnahmen bedroht.
  • Weit mehr als 100.000 Stellen fehlen im Bereich Krankenhäuser.
  • Im Schienenverkehr fehlen zehntausende Beschäftigte, darunter gut 2000 Lokführer.

Doch bei all diesen Themen heißt es, es gebe „kein Geld“. Und vor diesem Hintergrund sagt dann der Kanzler in spe, er halte immense Steigerungen der Rüstungsausgaben „aus tiefster Überzeugung für richtig“. Bei einem solchen Verhalten MUSS der mündige Bürger doch den Eindruck haben, dass das Kreuzchenmachen in der Wahlurne relativ wenig bewegt.

Beispiel 2 - Thema Stuttgart 21: Der Grün-schwarze Koalitionsvertrag für Baden-Württemberg wurde ja erst vor einem halben Jahr, im Mai 2021 vorgelegt. Darin wird festgehalten: Ergänzend zu Stuttgart 21, dem Tiefbahnhof mit acht Durchfahrgleisen, wird ein Winne-Hermann-Kopfbahnhöfle mit sechs bis acht Gleisen als notwendig erachtet, ebenfalls im Untergrund befindlich und irgendwie angeflanscht an den eigentlichen S21-Tiefbahnhof. Wir – das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 - interpretierten dies korrekt wie folgt: Die grün angeführte Landesregierung plant ein zweites Stuttgart 21.

Jetzt gab es seither ja nicht nur die Hochwasserkatastrophe in NRW und in Rheinland-Pfalz. Es gab im ersten Halbjahr 2021 auch zwei Mal Hochwasser in der Stuttgarter Innenstadt, wobei bei einem Mal die bestehenden und in Betrieb befindlichen Untergrund-Stadtbahnen bzw. S-Bahnen für mehrere Stunden ausfielen.

Erinnert ihr Euch an Frei Otto? Das ist einer der beiden S21-Architekten, der zweite neben dem S21-Profiteur Christoph Ingenhoven. Frei Otto ist aus dem S21-Projekt 2010 ausgestiegen. Er sagte damals, er müsse „aus moralischer Verantwortung“ seine Unterstützung für S21 aufgeben. Er erkannte die Gefahr, dass der Bahnhof in der gigantischen, tief in den Boden versenkten Betonwanne „von den umgeleiteten Wasserströmen überschwemmt“ werden könnte – oder dass das Gegenteil passiert und er aus der Erde „aufsteigt wie ein U-Boot aus dem Meer“.[8]

Wir wissen, dass die S21-Planer diese Gefahr auch sehen. Deshalb haben sie in die beiden gewaltigen Betonwände, die den S21-Trog seitlich begrenzen, riesige senkrechte Schlitze eingelassen. Diese werden dann geöffnet, wenn diese „umgeleiteten Wasserströme“ – der Nesenbach, der durch den Düker, der unter dem Trog hindurchführt, nochmals gestaut wird – drohen, den S21-Trog aufsteigen zu lassen. Das heißt im Klartext: Man PLANT KONKRET für einen solchen Fall, den S21-Bahnhof zu fluten.

Nun kann man zwar ohne allzu große Kosten einen Straßentunnel fluten – wie z.B. den Tunnel in Köln, der zwischen Rhein und Kölner Dom verläuft. Da muss man nach einer Flutung „nur“ das Wasser wieder abpumpen und den Schlamm herausholen. Und dann können die Autos den Tunnel wieder nutzen. Flutet man jedoch den S21-Bahnhof – dann sind davon Hightech-Elektronik und vielfältige sensible und ausgesprochen wertvolle Bahnhofs-Infrastruktur betroffen. Das heißt: Nach einem solchen Vorgang ist ein Hauptbahnhof Stuttgart für Wochen, wenn nicht für Monate komplett lahmgelegt. Bis vor einiger Zeit erschien all das vielen wie graue Theorie – wie übertriebene Kassandra-Rufe. Doch spätestens seit der Hochwasserkatastrophe 2021, spätestens seit den regelmäßigen Starkregen-Vorkommnissen, ist klar: diese Gefahren sind absolut realistisch.

Es ist bereits aus diesem Grund – und wir kennen alle die vielen anderen Gründe! – es ist allein aus dem Grund Starkregen/Hochwassergefahr schlicht absurd, das S21-Projekt weiter zu betreiben. Und es ist doppelt absurd, wenn eine grün angeführte Landesregierung und wenn demnächst wohl ein Bundesverkehrsminister mit grünem Parteibuch, sei es Cem Özdemir oder Anton Hofreiter, dieses zerstörerische, jeder Klimapolitik hohnsprechende Projekt weiter betreiben.

Der Politik müde sind die Menschen nicht unbedingt. Am 24. September waren erneut Zehntausende Fridays-for-Future-Jugendliche auf den Straßen, um für eine wirksame Klimapolitik zu werben. Ein paar Tausend Bahnbeschäftigte zeigten vor wenigen Wochen, wie wirksam Streiks sein können. Die Kolleginnen und Kollegen der GDL konnten sich nach drei Streiks fast in Gänze durchsetzen, was am Ende allen Bahnbeschäftigten zu Gute kommen wird. In Berlin stimmten die erwähnten 56 Prozent für eine ENTEIGNUNG der großen Wohnungskonzerne – obgleich die SPD-Spitzenkandidatin „Enteignung“ als „rote Linie“ brandmarkte.

Wenn dann die LINKE, die in der Hauptstadt als einzige diese Kampagne – wenn auch nicht mit voller Kraft – unterstützte, nur 14 Prozent der Stimmen erhält, dann wird auch hier just dieser Widerspruch deutlich: Man traut der offiziellen Politik aus guten Gründen nicht über den Weg. Schließlich ist bislang die LINKE Teil eines rot-rot-grünen Senats, der beispielsweise die Berliner S-Bahn zerschlagen und privatisieren will.[9]

Und so wie Fridays for Future für das Klima eintreten, so wie die GDL-Aktiven für ihre Interessen als Bahnbeschäftigte eintreten – so demonstrieren wir hier in Stuttgart gegen das Monsterprojekt S21. Wir machen deutlich an diesem Jahrestag des Schwarzen Donnerstags, als am 30. September 2010 die Staatsmacht mit offener Gewalt versuchte, den Widerstand gegen Stuttgart 21 zu brechen:

Der Widerstand gegen Stuttgart 21 geht weiter! Unser langer Atem ist bundesweit beispielgebend und vielen Mut machend. Und eine entscheidende Lehre aus den Wahlen vom letzten Sonntag lautet: Immer mehr Menschen wissen: auf die eigene Kraft, auf Basismobilisierung, auf Streiks kommt es an! Gegen einen abgehobenen Bahnvorstand! Gegen die Hambacher-Forst-Zerstörer! Gegen Mietenhaie! Gegen das Monsterprojekt Stuttgart 21! Für eine menschenwürdige Zukunft! Nur so werden wir

OBEN BLEIBEN!

Anmerkungen:

[1] Mir wurde dabei die „Goldene Ehrennadel der GDL“ verliehen – die bislang erst zwei weitere Personen von außerhalb der GDL erhielten. Die STREIKZEITUNG wurde maßgeblich von mir 2014, während des damaligen GDL-Streiks, gegründet. Sie erschien 2014/15 mit sechs Ausgaben. Im 2021er Streik wurde sie von einem Team, an dem ich beteiligt bin, neu gegründet (mit dabei waren u.a. Angela Klein, Köln, Violetta Bock, Kassel, und Heino Berg, Göttingen). Sie erschien in diesem Streik mit zwei Ausgaben. Die erste Ausgabe erreichte dabei eine Gesamtauflage von 90.000 Ex. (dabei gut 50.000 Ex. als Beilage in der taz).

[2] FAZ vom 28. September 2021. Überschrift: „Willkommen in Leningraz“.

[3] Anne Will, ARD, 26. September 2021.

[4] Im ersten Wahlgang erhielt das Duo Scholz - Geywitz 22,7 Prozent, im zweiten waren es 45,3 Prozent – gegenüber 53,1 Prozent, mit denen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als Parteivorsitzende gewählt wurden.

[5] Von einer „Entfesselung der Marktkräfte“ schwärmt Laschet. Von einer „industriellen Modernisierung“ schwadroniert Scholz. Für Baerbock gibt es „einen Weg der Klimaneutralität, den die Industrie bereits eingeschlagen hat“. Baerbock-Aussage in der „Elefantenrunde“ vom 26. September 2021.

[6] Manfred Köhler, Kein „Stuttgart 21“ am Main, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10. Juli 2021.

[7] Interview in Welt am Sonntag vom 12. September 2021.

[8] Zitiert bei: Winfried Wolf, abgrundtief +bodenlos – Stuttgart 21, sein absehbare Scheitern und die Kultur des Widerstands, 3. erw. Auflage, Köln 2019, S. 160.

[9] Wie bereits bei früheren Wahlen gewannen erneut explizit linke LINKE-Kandidatinnen und Kandidaten deutlich, wohingegen eher angepasste LINKE-Kandidierende vielfach verloren. So erzielten bei den Berliner Wahlen zum Abgeordnetenhaus z.B. Jorinde Schulz im Neuköllner Wahlkreis 1 30 Prozent und Lucy Redler in Neuköllner Wahlkreis 2 26,6 Prozent der Erststimmen. Das waren jeweils deutliche Zuwächse – wohingegen die LINKE stadtweit (leicht) verlor.

Rede von Winfried Wolf als pdf-Datei

 

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