Rede von Tonny Nowshin, Wirtschaftswissenschaftlerin, Klimaaktivistin, auf der 529. Montagsdemo am 14.9.2020
Sehr geehrte Damen und Herren,
Danke, dass Sie mich heute hierher eingeladen haben. Ich habe von Ihrem Kampf und der großartigen Arbeit gehört, die Sie in den letzten 10 Jahren geleistet haben. Heute möchte ich die Geschichte des Kampfes gegen ein Kohlekraftwerk erzählen, der seit neun Jahren andauert. Der Kampf, der mich heute zu Ihnen hierher gebracht hat.
Ich bin Tonny Nowshin. Ich bin Ökonomin, Wissenschaftlerin, Klimagerechtigkeits- und Postwachstumsaktivistin. Ich unterstütze eine Bewegung, die in meinem Heimatland Bangladesch gegen ein Kohlekraftwerk begonnen hat, das eine Gefahr für unser Volk und unsere Natur darstellt.
Worum geht es dort?
Die Sundarbans im Süden Bangladeschs sind UNESCO-Weltnaturerbe und der größte und artenreichste Mangrovenwald der Erde. Dort wird von unserer und der indischen Regierung aktuell das Kohlekraftwerk Rampal mit einer geplanten Energieleistung von 1.320 Megawatt gebaut, nur wenige Kilometer nördlich der Mangroven.
Mit dem Bau des Kraftwerks wird die deutsche Fichtner-Gruppe aus Stuttgart beauftragt. Wissenschaftler*innen und Zivilgesellschaft warnen vor massiven Umweltzerstörungen und den sozioökonomischen Langzeitfolgen des Kraftwerks. Friedlichen Protesten der Zivilbevölkerung wurde mit Polizeigewalt begegnet. Aktivist*innen sehen sich mit Morddrohungen konfrontiert. Klagen vor Gericht gegen intransparente Entscheidungsprozesse und Verstöße der bangladeschischen Regierung gegen Umweltauflagen werden verschleppt.
Warum ist das problematisch?
Bangladesch ist eines der am stärksten von den Folgen des Klimawandels bedrohten Länder weltweit. Durch die naturräumliche Lage des Landes nur wenige Meter über dem Meeresspiegel ist Bangladesch vom Meeresspiegelanstieg, aber auch durch Wetterextreme wie Zyklone und Überschwemmungen stark betroffen.
Die Sundarbans wirken wie ein natürlicher Wellenbrecher bei Zyklonen. Sie sind Heimat vieler bedrohter Tier- und Pflanzenarten und die Einkommensgrundlage der zwei Millionen Menschen in der Region. Der Bau des Kraftwerks und die damit zusammenhängende Zerstörung des Ökosystems würde die Auswirkungen des Klimawandels verschärfen und die Bewohner*innen ihrer Lebengrundlage berauben.
Expert*innen zufolge hat der Bau des Kraftwerks schon jetzt für die Vertreibung und Enteignung tausender Menschen gesorgt. Vergleichbare Fälle in Bangladesch zeigen, dass in den seltensten Fällen angemessene Kompensationen an die betroffenen Menschen gezahlt werden.
Was hat das mit uns zu tun?
Trotz der starken Auswirkungen der Klimakrise in Bangladesch ist der Beitrag des Landes zur Erderwärmung bei fast null. In Deutschland werden dagegen jährlich 100 Millionen Tonnen CO2 emittiert. Während die deutsche Politik nun plant, die durch die Industrie verursachten CO2-Emissionen langfristig zu senken und Kohlekraftwerke abzuschalten, wird im Ausland nach wie vor in Kohleenergie investiert.
In Bangladesch spielt die deutsche Fichtner-Gruppe aus Stuttgart eine zentrale Rolle beim Bau von Rampal und liefert technische Komponenten. Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Claudia Roth, und der Europaabgeordnete Frithjof Schmidt haben erklärt, dass kein deutsches Unternehmen an diesem Projekt beteiligt sein sollte. Trotzdem ist Fichtner nicht bereit, von diesem Geschäft Abstand zu nehmen.
Das steht in krassem Widerspruch dazu, dass sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Bangladesch auf erneuerbare Energien und Anpassung an den Klimawandel konzentriert. Gleichzeitig bleiben aber deutsche Unternehmen dort an Umweltzerstörung und sozialer Marginalisierung beteiligt.
Heute bin ich hier, um diese Informationen mit Ihnen zu teilen. Ich danke Ihnen für Ihre heutige Mobilisierung vor der Fichtner-Zentrale. Es macht mir Freude zu wissen, dass Fichtner wahrscheinlich nicht damit gerechnet hat, eines Tages den Menschen an ihrem Firmensitz in Stuttgart Rede und Antwort stehen zu müssen über das schmutzige Kohleprojekt, das sie in Bangladesch bauen. Sie erwähnen dieses Projekt noch nicht einmal auf ihrer Website.
Außerdem werden sie jetzt auch noch für ein anderes Kohleprojekt in Bangladesch angeheuert. Ich denke, mit Ihrer Unterstützung können wir entlarven,
- dass sie nicht so grün sind, wie sie behaupten zu sein,
- dass es nicht in Ordnung ist, mit schmutzigen Projekten in anderen Teilen der Welt Geld zu verdienen und sich zuhause in der eigenen Stadt als grün zu verkaufen
Ich hoffe, dass wir mit Ihrer Solidarität und Unterstützung in den kommenden Tagen dieses verheerende Projekt stoppen können. Erheben wir gemeinsam unsere Stimme und sagen: Stoppt alle naturzerstörerischen Projekte – überall!
Denn es ist ein Planet, ein Kampf. Gemeinsam müssen wir den Planeten für unsere Generation und die kommenden Generationen retten!
Dear All,
Thank you for inviting me here today. I have heard of your struggle and the great work you have been doing for the last 10 years. Today, I want to share the story of struggle against one coal powerplant that has been going on for the last 9 years. The struggle that has brought me here today in front of you.
I am Tonny Nowshin. I am a Degrowth and climate activist. I am supporting a movement that started in my home country Bangladesh against a coal fired power plant that is bringing danger for our people and our nature.
What is happening?
The government of Bangladesh joined hands with Government of India to build a coal-fired power plant in Rampal, Bangladesh. The problem is, the project areas is very close to the Sundarbans world’s largest mangrove forest. It is a UNESCO World Natural Heritage and the largest and most species-rich mangrove forest on earth. The Rampal coal-fired power plant of 1,320 MW is currently being built, just a few kilometers north of the forest. The German Fichtner Group from Stuttgart is hired to build the power plant. Scientists* and civil society warn of massive environmental destruction and the socioeconomic long-term consequences of the power plant. People in Bangladesh started protesting against the power plant from the beginning but it was dealt with police violence. Activists are confronted with death threats. Lawsuits in court against non-transparent decision-making processes and violations of environmental regulations by the Bangladeshi government are being delayed.
Why is this problematic?
Bangladesh is one of the countries most threatened by the climate change worldwide. Due to the country's natural location at only a few meters above sea level, Bangladesh is severely affected by sea-level rise, but also by severe weather events such as cyclones and floods. The Sundarbans are like a natural barrier for cyclones. The construction of the power plant and the associated destruction of the ecosystem would exacerbate the effects of climate change and deprive the inhabitants* of their livelihood. According to experts, the construction of the power plant has already caused the displacement and expropriation of thousands of people. Comparable cases in Bangladesh show that adequate compensation is paid to the people affected in very rare cases.
What does this have to do with us in Germany?
Despite the strong impact of climate change in Bangladesh, the country's contribution to global warming is almost zero. In Germany, 100 million tons of CO2 are emitted annually. While German politicians are now planning to reduce the CO2 emissions caused by industry in the long term and to shut down coal-fired power plants, investments in coal energy are still being made abroad. The German Fichtner Group from Stuttgart is the chief engineering and consultancy firm for Rampal and is supplying technical components, and site-monitoring services. The Vice-President of German Parliament Claudia Roth and MEP Frithjof Schmidt has said that no German company should be involved with this project. Even then, Fichtner is not willing to step away. This is particularly inconsistent against the background that German development cooperation with Bangladesh focuses on renewable energies and adaptation to climate change. At the same time, German companies there are involved in environmental destruction and social marginalization.
Today, I am here to share these information with you. I thank you for your mobilization in front of Fichtner today. I feel joy in knowing that Fichtner probably didn’t think that one day they would need to answer about the dirty-coal project they are building in Bangladesh to people of their own town in Stuttgart. They don’t even mention this project on their website. Moreover, they are now being hired for another coal project in Bangladesh. I think with your support we can expose that they are not as green as they claim to be. That it is not okay to make money from dirty projects in other parts of the world and claim to be green in your own city.
I hope with your continued solidarity and support in the coming days, we will stop this devastating project. Together we raise our voices and say- stop all nature destructive projects everywhere. It is one planet, one fight. Together, we must save the planet for our generation and future generations to come.
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