Rede von Uli Stübler, Parkschützer, auf der 487. Montagsdemo am 28.10.2019
Schon vor 8 oder 10 Jahren gab es einen Vortrag mit dem Titel „Es geht doch nur um einen Bahnhof“. Und der war natürlich ironisch gemeint.
In diesem Sinne, nämlich dass der Bahnhofsturm nicht den Rand eines Kirchturmdenkens unsererseits bildet, waren viele von uns vor zwei Tagen auch in Zuffenhausen. Es war ein von etlichen Gruppen getragener Protest gegen die drei Tage lang bei Porsche versammelte Notgemeinschaft namens „AutoGipfel 2019“.
Autoindustrie und Politik trafen sich, eingeladen vom Handelsblatt. „Wir bringen Strategen und Macher ins Gespräch“ versprach die Einladung. Wer nicht zum engsten Kreis gehörte, konnte sich für 2600 Euro den Zugang erkaufen. Gleich auf der Titelseite wurde auch eine Grundsatzfrage gestellt: „Fahrgefühl – bleibt der Fahrspaß zukünftig auf der Strecke?“
Das erinnert daran, wie vor Jahren auf einer Bezirksbeiratssitzung in Zuffenhausen, bei der es um einen Flächennutzungsplan zur Produktion des neuesten PS-Monsters ging, vor allem die bange Frage gestellt wurde, ob der E-Porsche weiterhin über den Porsche-typischen Sound verfüge.
Am Samstag aber hatte es fast etwas Historisches, möglicherweise war es Stuttgarts erste Demo nicht gegen dieses irrationale Ausmaß von Verkehr im Allgemeinen, sondern gegen den – auch global gesehen – hiesigen Hotspot einer Produktion umweltschädlicher Produkte.
Am Samstag kurz nach 13 Uhr also zogen wir vom Bahnhof zu – wie es gern formuliert wird – „einem der schönsten Automuseen der Welt“. Als der Demozug sich näherte, sah man dort schon von weitem das riesige Robin-Wood-Transparent: „Saubere Autos sind eine dreckige Lüge“.
Wie besprochen teilte sich der Demozug in zwei Gruppen, man könnte formulieren: in die legale und die legitime Gruppe. Weil wir – eigentlich unnötigerweise – über offene Mails kommunizieren, hatten sie den Braten gerochen. Zitat Handelsblatt: „Solche Sicherheitsvorkehrungen gibt es am Porsche-Platz in Zuffenhausen sonst nur, wenn die Bundeskanzlerin oder ausländische Staatsgäste kommen“, und es wurde die ernste Empfehlung erteilt, am Freitag lieber nicht mit dem Auto zum Handelsblatt Auto-Gipfel zu kommen. Wenn der Veranstalter so etwas schreibt, dann muss doch von unserer Seite aus einiges richtiggelaufen sein.
Gegenüber dem Porsche-Museum und der dortigen Skulptur, die unfreiwilligerweise darstellt, wie drei PS-Monster auf den Mond geschossen werden, wurden mehrere Reden gehalten, unter anderen von Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe, Paula Bär, Vertreterin der Gruppe Kesselbambule und Mischa (von Fridays for Future?).
Wie sehr die Autoindustrie inzwischen in die Defensive gerät, sieht man daran, dass das Handelsblatt Jürgen Resch nach seiner Rede noch auf der Straße interviewte und das direkt in die Konferenz übertrug. Opel-Chef Michael Lohscheller kommentierte ungerührt: „Herr Resch fordert, was wir längst machen“. Und Porsche-Vorstandsvorsitzender Blume sagte zu den Protesten wörtlich: „Also, ich find das zunächst mal gut, man muss sich diesem Dialog auch stellen. Wo ein Problem ist, gibt es auch eine Lösung. Bei Porsche machen wir einen ersten Schritt mit dem Taycan als vollelektrisches Fahrzeug.“
Wohlgemerkt: Die Problemlösung für Porsche ist ein Protz- und Spaßfahrzeug mit 761 PS, laut Porsche „CO2-neutral“ hergestellt. Und weil der Betrieb von E-Autos grundsätzlich in die Berechnung des Flottenverbrauchs eines Herstellers als CO2-frei eingeht, werden damit auch noch die Verbrenner mit über 200 g CO2/km weißgewaschen. Skandal ist kein Begriff für einen solchen von der Politik gedeckten Betrug!
Ach ja, da kommt doch die Meldung zur rechten Zeit, dass Sigmar Gabriel höchstwahrscheinlich der nächste Präsident des Verbandes der Automobilindustrie werde. Dann hört auch die Kritik auf, dass er wegen seiner zahlreichen Nebentätigkeiten sein Abgeordnetenmandat nicht mehr in ausreichendem Umfang wahrnehme.
Bei dieser Mischung von Kreidefressen, Umarmungsstrategie und Sprachverwirrung seitens der Autoindustrie ist es gut, dass anschließend der legitime Arm unserer Kundgebung durch eine Blockade den Strategen und Machern in diesen Stunden deutlich mehr Aufenthalt gönnte – im Museum und dessen Tiefgarage, dort, wo sie hingehören. Zu hoffen wäre, dass wir das nächste Mal so viele sind, dass sie selbst dafür vor dem Mikrophon Verständnis heucheln müssen.
Insgesamt war es eine Veranstaltung mit genügend Menschen, um eine gute Resonanz zu erzielen.
Von der Lokalpresse, die es nötig hat, sich im Titel jeden Tag aufs neue selber ihrer „Unabhängigkeit“ zu versichern, reden wir mal nicht.
Nach außen könnte sich in Zukunft die Diskussion über die umwelttechnischen Aspekte auch verstärkt in Richtung der Frage der Legitimation bzw. Transformation von gemeinschädlichen Arbeitsplätzen erweitern. Denn wir erleben gerade, dass diese sich vom Stolz einer Region zur Schande einer Region entwickeln.
Und es ist keine Lösung, mit der bei der Autoindustrie gepflegten Perspektive in Richtung E-Mobilität das Thema zu verwischen. Stattdessen müssen wir die Anteile der Personenkilometer von individueller Mobilität und ÖPNV glatt umkehren. Dazu brauchen wir einen ÖPNV, der die Gelder bekommt, mit denen der hochsubventionierte Individualverkehr mit all seinen Strukturen seit Jahrzehnten hinter den Kulissen gemästet wird.
Das Legale und das Legitime blieben sowohl bei der Planung der Veranstaltung wie auch vor Ort schwierige Partner. Wie so oft ein problembehafteter Aspekt, nicht anders als bei unserem ureige- nen Thema hier auf dem Platz. Die real existierende Demokratie bietet – leider – auch die Erkenntnis: Wer nicht stört, wird nicht gehört!
Oben bleiben!