Rede von Steffen Siegel, Schutzgemeinschaft Filder, auf der 453. Montagsdemo am 18.2.2019
Liebe Freunde,
besser als in der Fernsehsendung „Die Anstalt“ kann man den Irrsinn Stuttgart 21 kaum beschreiben. Ein abstruser Teil von S21 allerdings wurde dort nicht erwähnt. Er hätte ja auch wegen seiner speziellen Probleme den Fernsehrahmen gesprengt. Es ist der Filderabschnitt. Der gehört wahrlich eher in die Irrenanstalt.
Mit eurer großherzigen finanziellen Unterstützung zogen wir letzten Herbst gegen den Filderabschnitt 1.3a vors Mannheimer Verwaltungsgericht. Dort konnten wir zwar gewinnen, der Planfeststellungsbeschluss zum Abschnitt 1.3a musste zunächst zurückgenommen werden, aber eben nur wegen eines formalen Fehlers der Planer. Bei nahezu allen wesentlichen Punkten ist das Gericht den oft unsäglich dummen Vorgaben der Bahn gefolgt, z.B. wie hier schon vorgetragen, beim Tiefbahnhof unter der Messe, wo Hans Heydemann überzeugend zum Brandschutz referierte. Und was sagt das Gericht?
Es sagt: Ja, beim Brandschutz gibt es sehr wohl ernste Probleme, aber deren Lösung dürft ihr auf die Zeit der Ausführung des Projekts verschieben. Ja sind die denn von allen guten Tunnelgeistern verlassen? Ist ihnen der BER kein warnendes Beispiel? Darf ein Gericht Lebensbedrohliches auf Verdacht einfach verschieben? Von der Bahn sind wir ja einiges gewohnt, aber von einem Gericht?
Oder eine andere abstruse Argumentation des VGH. Oft sagte der Richter, wenn wir den Zusammenhang des Planungsabschnitts a zum Abschnitt b aufzeigten: Hier geht es nur um Teil a, Teil b steht hier nicht zur Diskussion (a ist die Neubaustrecke entlang der Autobahn und der Fernbahnhof unter der Messe, b ist die Mischverkehrsstrecke Rohr – Flughafen). In der Urteilsbegründung allerdings werden dann doch grundsätzliche Punkte, die den Abschnitt b betreffen, festgeschrieben, z.B. soll die Gäubahn über den Flughafen geführt werden, obwohl dies vor Gericht nicht ausdiskutiert werden durfte!!
Wir von der Schutzgemeinschaft Filder haben uns deshalb nach schwierigen internen Diskussionen dazu durchgerungen, Revision einzulegen. Dazu gibt es neben den völlig unerklärlichen inhaltlichen, bahntechnischen und sicherheitstechnischen Fehlbewertungen des VGH ein entscheidendes Argument: Wenn wir keine Revision einlegen, dann wird das VGH-Urteil in allen Teilen festgeschrieben, d.h. wir könnten z.B. beim jetzt anstehenden Verfahren zu 1.3b gar nicht mehr unsere wichtige Forderung nach Belassung der Gäubahn auf der Panoramastrecke einbringen, die Gäubahnführung über den Flughafen gälte als unumstößlich!!
Offensichtlich legen alle drei Parteien des Verfahrens, nämlich die Bahn, der NABU und wir Revision ein. Es verspricht also spannend zu werden. Was aber bedeutet eine Revision für uns?
Bei einer Niederlage ist dies mit einem erheblichen finanziellen Risiko behaftet, d.h. wir sind zwingend wieder auf eure Spendenbereitschaft angewiesen. Ich bitte euch eindringlich, unterstützt uns so großzügig, so wie das letzte Mal! Ich verteile gleich noch Zettel mit unserer Kontonummer, und bitte schreibt lesbar euren Namen und die Anschrift auf eure Überweisung, damit wir eine Spendenbescheinigung schreiben können.
Zurück zur Filderebene: Da oben kriselt es überall! Ihr kennt doch alle Herrn Manfred Leger, Chef des Projekts S21, der bis vor kurzem noch einfältig lächelnd behauptete (wörtlich): „Der Fertigstellungstermin 2021 für Stuttgart 21 steht für mich so unverrückbar wie eine Weltmeisterschaft. Gleichzeitig will ich Stuttgart 21 für unter sechs Milliarden Euro bauen“ – Irrenanstalt?
Ohne jedes Unrechtsbewusstsein oder gar Schamgefühl reist er jetzt gerade auf den Fildern herum –heute in Bernhausen – und informiert wieder einfältig lächelnd die Gemeinden darüber, dass der Abschnitt b jetzt öffentlich ausgelegt wird und man Einsprüche formulieren kann. Man beachte, dass die Bahn 2002 also vor nunmehr 17 Jahren das erste Mal versuchte, ein Planfeststellungsverfahren dazu einzuleiten. Damals machte nicht mal das EBA mit!
Leger erzählt gerade in Bernhausen, dass durch den Bau eines höchst fragwürdigen dritten Gleises am Flughafenterminal die S-Bahn dort und weiter bis nach Filderstadt für mindestens ein Jahr total stillgelegt werden muss. Bisher hat die Bahn von viel kürzeren Unterbrechungen gesprochen. Und wenn der jetzt ein Jahr sagt, dann können wir sicher sein, dass es zwei oder drei oder mehr Jahre sein werden.
Wir gehen davon aus, dass diese Planung zur jahrelangen Stilllegung der S-Bahn bei den Bahnplanern schon lange bekannt ist. Natürlich haben sie das auch schon beim VGH-Termin in Mannheim am 20. November gewusst – und verschwiegen, als die Schutzgemeinschaft Filder erneut die Forderung erhoben hat, die Gäubahn nicht über den Flughafen zu führen, sondern über die Panoramastrecke an den Hauptbahnhof in Stuttgart anzubinden. Das wurde ja bereits 2010 in der Geißler'schen Schlichtung einvernehmlich festgelegt und von unserem Verkehrsfachmann Frank Distel als machbar nachgewiesen. Es fand übrigens auch im Filderdialog eine überzeugende Mehrheit. Das kümmert heute weder Bahn noch Politik noch Richter.
Die Stilllegung der S-Bahn ab der Station Echterdingen bedeutet, es werden wesentlich mehr Privatautos und Taxis und Busse zum Flughafen und zur Messe fahren wollen. Bereits heute sind mindestens zu Stoßzeiten am Flughafen alle Parkplätze im Terminalbereich voll belegt. Wenn nun diese vielen Parkplätze, vor allem in der Ankunftsebene wegen der Bauarbeiten am dritten Gleis jahrelang ganz wegfallen, ist mit einem unvorstellbaren Chaos zu rechnen. Von den Baufahrzeugen ganz zu schweigen. Jetzt noch eine Großmesse und auf den Fildern ist Land unter.
Noch dramatischer trifft es die Gemeinden östlich des Flughafens, insbesondere die große Kreisstadt Filderstadt mit ihrem S-Bahnhof in Bernhausen, die dann vollständig vom S-Bahnbetrieb abgehängt wird, und der dort schon jetzt unerträgliche Autoverkehr wird vollends zusammenbrechen.
Wenigstens der Flughafen und Filderstadt müssten doch Sturm laufen gegen diese Pläne. Aber: Der Flughafen hält still, da er sich weit über eine Million mehr Fluggäste durch S21 erhofft. Durch S21 wird die Bahn zum Zubringer fürs klimaschädlichste Beförderungsmittel, das Flugzeug, missbraucht, und außerdem hat der Flughafen bereits ca. 359 Mio. Euro in S21 gesteckt.
Wenigstens die Filderstädter begehren auf. Sie wollen allerdings mehrheitlich nur, dass die Bahn(!) vorschlägt, wie man diese Jahre irgendwie erträglich überbrückt (Busverkehr?) und verdrängen, dass es eigentlich nur eine einzige Lösung gibt, eine Lösung, die fast alle Filderprobleme löst: Die Gäubahnen dürfen nicht über den Flughafen fahren! Es gäbe dann keine Verwicklungen an der Rohrer Kurve, es gäbe keinen Mischverkehr, wodurch sich S-Bahnen und Gäubahnen gegenseitig behindern würden, es gäbe keine Einschränkungen in den zu engen S-Bahntunneln, man benötigte kein drittes Gleis mit Gleiskreuzungen und Gegenverkehr auf einspurigen Teilen am Terminal usw.
Während des Baus des Filderabschnitts – nach Bahnangaben würde dies drei bis fünf Jahre dauern, also frühestens 2028, eher 2030 fertig sein – kann die Gäubahn, also auch der IC von Zürich nach Stuttgart, nicht mehr den Hauptbahnhof in Stuttgart anfahren, was bereits zu zahlreichen Protesten der Gäubahnanrainer von Böblingen über Rottweil bis Singen geführt hat.
Wenigstens einer, nämlich Matthias Gastel von den Grünen, deutet an, dass man die Gäubahn, mit einer vergleichsweise geringen Anpassung, in Stuttgart wenigstens noch diese drei bis fünf Jahre zum Hauptbahnhof in Stuttgart führen sollte. Warum eigentlich nicht für immer? Sogleich schreit sein Parteikollege Pätzold, zuständig in der Stadt fürs Zubauen freier Flächen, hysterisch auf und sieht seine Baufantasien in der Stadt gefährdet, wenn man dort nicht die Gäubahnführung so rasch wie möglich für immer total kappt. Verzeiht mir eine heimliche Freude, wenn sich Leute der gleichen Parteifärbung in die Wolle kriegen.
Denkt daran: Die Einspruchsfrist für diesen Mischverkehrsabschnitt 1.3b läuft am 27. März ab. Anders als beim Einspruch zu 1.3 vor fast 6 Jahren, bei dem kein Beschluss zu Stande kam, haben sich nur wenige Änderungen ergeben, nämlich
- Bahnsteig in Vaihingen als Endhaltestelle der Gäubahn und Umstieg auf S-Bahn
- Umbau Rohrer Kurve
- drittes Gleis am Terminalbahnhof
- Querung Bundesautobahn A8 und Neubaustrecke in bergmännischer Bauweise
Zum letzten Punkt noch ein Hinweis: Nach dem dritten-Gleis-Chaos steht dort bereits das nächste Chaos an: Wer vom Terminalbahnhof zur Flughafenkurve auf Plieninger Seite will, muss die dramatische Querung einer gigantischen Verkehrsschneise bewältigen. Der Reihe nach: Es muss gequert werden: Eine Kreisstraße, die K 9515, die 8-spurige BAB A8, die neue Bahntrasse und die Landesstraße, die L 1192, und schließlich auch noch die Querung der Abzweigung von der Neubaustrecke hinüber zum Tiefbahnhof unter der Messe.
Bisher war dies immer in offener Bauweise angedacht und von uns immer als nicht möglich gegeißelt worden, nun endlich sehen sie sich gezwungen, sich doch in bergmännischer Weise durch dieses Verkehrsgewurstel zu bohren. Diese Querung wird zum nächsten jahrelangen Chaos da oben führen. Rastatt und BER lassen grüßen. Sie sagen nicht, wieviel länger dann alles dauert und wieviel mehr es kostet. Das wissen sie vermutlich selbst noch nicht.
Sie schwärmen dort schon fast krankhaft von einer weltweit einzigartigen Verkehrsdrehscheibe, die so nie funktionieren wird und nur die Filder zerstört – Irrenanstalt!
Diese Trickser und Täuscher verdienen sich dumm und dämlich und schieben sich irgendwann gut dotierte Posten in anderen Branchen zu, dabei gehörten sie, um die Anstaltssendung weiter zu spinnen, eigentlich längst in eine geschlossene Anstalt.
Und wenn Leger – das ist der mit der Weltmeisterschaft und Dobrindt, das ist der mit der Maut und Scheuer, das ist der mit dem gesunden Menschenverstand usw. usw. – in der geschlossenen Bewahranstalt einträfe, dann wäre es doch wohl nur gerecht, wenn er dort bereits von Mehdorn, Dürr, Ramsauer, Grube, Wissmann, und vielen anderen empfangen würde?
Bei guter Führung könnte vielleicht der eine oder andere den Absprung schaffen und den Posten einer Aufsichtsperson in einer – wenn wir schon bei Anstalt sind – Bedürfnisanstalt in einem drittklassigen Provinzbahnhof einnehmen? Das müsste ihnen ja leicht fallen, nachdem es in ihren Büros schon jetzt stark müffelt, nach Inkompetenz und unanständig viel Geld.
Schluss mit diesen schönen Träumereien! Also, was tun?
Schreibt Einwendungen – wir versuchen noch Mustereinwendungen zu erstellen – und bitte spendet großherzig für unser Revisionsverfahren, auch wenn ihr keine Millionen verdient!
Was empfahl doch Uta Köbernick uns S21-Gegnern in der Anstaltssendung: „Bitte haltet durch, ihr habt noch nichts erreicht, ihr hattet nur immer Recht“, und ich sage: Einiges haben wir sehr wohl erreicht, u.a. haben wir die Wahrheit über S21 in die Welt getragen.
Und euch hier sage ich: bleibt oben!
Unser Spendenkonto bei der „Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen“ lautet:
Zahlungsempfänger: „Schutzgemeinschaft Filder e.V.“
IBAN: DE 93 6115 0020 0010 5976 51
Stichwort: „Unterstützung Klageverfahren 1.3a und 1.3b“
Wenn Sie eine Spendenbescheinigung wünschen, bitte unbedingt Name und Anschrift leserlich anfügen.