Weniger Bahnhof macht mehr Autos – das trojanische Pferd von Daimler & Co. heißt Stuttgart 21 oder: Wer hat Angst vorm autofreien Sonntag?

Rede von Peter Erben, KUS Klima- und Umweltbündnis Stuttgart, auf der 433. Montagsdemo am 17.9.2018

Herzlichen Dank an das Demoteam für die Möglichkeit, heute von dieser Bühne aus den Hintergrund unserer Aktion am kommenden Sonntag darzustellen.

Ein breites Bündnis von lokalen Umweltgruppen, Verbänden und unabhängigen Gestalterinnen und Gestaltern der Zivilgesellschaft steht hinter der Idee, diese Aktion umzusetzen. Es geht darum, sich mit unzähligen Kommunen und Städten in ganz Europa zu solidarisieren und wenigstens einen Tag im Jahr auf den Gebrauch des Autos zu verzichten.

Nicht hinter dieser Idee stehen die Unbeteiligten. An der Spitze der Unbeteiligten stehen der Oberbürgermeister Fritz Kuhn mit seiner Verwaltung und eine Mehrheit im Gemeinderat. Sie alle schaffen es nicht, sich dieser symbolträchtigen Aktion anzuschließen. Entsprechende Anträge wurden abgelehnt oder nicht bearbeitet.

Seit dem 26.1.2018 liegt ein Antrag der SPD-Gemeinderatsfraktion beim Oberbürgermeister, an der Europäischen Mobilitätswoche teilzunehmen, mit einer autofreien Zone im Zuge der B14, von der Heilmann-Kreuzung am Neckartor bis zum Marienplatz. Das Ganze sollte gestern stattfinden. Dieser Antrag ist trotz vielfacher Anmahnung in respektloser Weise unbearbeitet geblieben, sodass für 2018 eine Umsetzung unmöglich gemacht wurde. Anträgen von Hannes Rockenbauch 2005 und der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS 2015 erging es ähnlich.

Da stelle ich jetzt schon die Frage: Warum verhindert die Stadt Stuttgart – mit einem grünen Oberbürgermeister an der Spitze – anscheinend systematisch einen autofreien Tag im Rahmen der Europäischen Mobilitätswoche? Wer hindert sie daran, dieses Signal in Richtung echte Verkehrswende auszusenden? Wer hindert sie daran, eine menschengerechte Mobilität des 21. Jahrhunderts einzuläuten?

Uns hier ist schon lange klar, wer die Verhinderer sind. Es sind die ewig gleichen Seilschaften aus Industrie, Wirtschaft und Politik. Es sind die Seilschaften, die schon den Baubeginn von Stuttgart 21 mit brachialer Gewalt durchgesetzt haben. Bahnchefs, die ihr Geld vorher und nachher in der Automobilindustrie verdient hatten, haben die Interessen genau dieser Branche bedient. Und obwohl es beim politischen Personal an der Spitze von Stadt und Land Veränderungen gab, blieb und bleibt das Ergebnis in Sachen Verkehrswende doch mindestens ernüchternd. Güter auf die Schiene – Fehlanzeige!

Die Vision der Autobauer: Überlange LKW sollen in Zukunft autonom auf immer mehr neuen Straßen, in immer mehr neuen Tunneln das Land mit Gütern beliefern. Amazon mit dem 44-Tonner, am besten bis vor die Haustür.

Und wie sieht es bei dem Thema Automobilität mit der Sicht der Mehrheit der Bevölkerung aus? Eine sachliche Infragestellung der Dominanz von PKW und LKW als Mittel mobil zu sein, wird von Uninformierten als Totalangriff auf die deutsche Industrienation empfunden. Der vermeintliche Arbeitsplatzverlust muss als Todschlagargument gegen eine vernünftige Verkehrswende herhalten. In Wirklichkeit geht es aus meiner Sicht doch nur um den Schutz der Gewinnaussichten einer durch und durch moralisch verkommenen Clique von Konzernmanagern, die mit ihrer Abgas-Betrugssoftware über Leichen gehen.

Den Arbeitsmarkt seriös betrachtet, kann man auch zur folgenden Einschätzung kommen: Die Nachfrage der Menschen nach Mobilität generiert immer Arbeitsplätze. Die Mobilitätswirtschaft produziert auch Schienenfahrzeuge, Busse, Fahrräder, Rollatoren, Bollerwägen und Laufschuhe. Es muss nicht immer das Zweit-, Dritt- und Viertauto sein. Ein Ende umweltzerstörender Produktions-und Mobilitätslogik ist überfällig. Lokal, regional und weltweit. Die autogerechte Stadt hat ausgedient. Sie ist kein Modell für unsere Zukunft.

Während der Ölkrise 1973 wurde der „Autofreie Tag“ erstmals durchgeführt, um Energie zu sparen. Auf Initiative der EU-Kommissarin Wallström und einiger EU-Staaten wurde der „Autofreie Tag“ im Jahr 2000 erneut durchgeführt und findet seitdem jährlich am 22. September statt. Erweitert wurde der Aktionstag durch die Europäische Mobilitätswoche. Sie ist eine Kampagne der Europäischen Kommission, die jedes Jahr vom 16. bis 22. September stattfindet. Seit 2002 bietet sie Kommunen aus ganz Europa die Möglichkeit, ihren Bürgerinnen und Bürgern – zeitgleich und eingebettet in eine europaweite gemeinsame Aktion – zu zeigen, dass nachhaltige Mobilität möglich ist.

Wie schon gesagt: Stuttgart nimmt an diesen Aktivitäten nicht teil, obwohl Stuttgart mit dem Neckartor die schmutzigste Kreuzung Deutschlands hat und die Grenzwerte für Feinstaub seit 2005 und für Stickoxide seit 2010 jedes Jahr ununterbrochen überschreitet. Auch die aktuell veröffentlichte Lärmkartierung 2017 zeigt, dass der Straßenverkehr vielen Stuttgartern den Schlaf raubt.

Am autofreien Tag kann aber beispielhaft gezeigt werden, wie Straßen zu einem lebenswerten, nutzbaren Umfeld ohne Staub, Lärm und Abgase umgestaltet werden können. Mobil ohne Autos an Wochenenden wäre auch eine Geste zur Erfüllung des Vergleichs, den Land und Bürger 2016 ausgehandelt haben. Es wäre auch eine Geste in Richtung des Ziels von OB Kuhn, nämlich den Auto-Verkehr um 20 % zu reduzieren.

Jetzt haben wir die Initiative selbst ergriffen und machen am 23. September eine 3-stündige Demonstration auf der B14 zwischen Marienplatz und Neckartor. Im Vorfeld haben die städtischen Angestellten im Amt für öffentliche Ordnung, unter Mitwirkung der Polizei, alles darangesetzt, dass der Autoverkehr auch während unserer Veranstaltung weiter fließt. Unser Recht auf Versammlungsfreiheit wird auf ein Minimum beschränkt. So kennen wir das. So verhalten sie sich dort: Unsensibel im Umgang mit der Sache – respektlos im Umgang mit uns.

Mit unserer Aktion am kommenden Sonntag fordern wir vom Oberbürgermeister und dem Gemeinderat:

  1. Teilnahme an der Europäischen Mobilitätswoche 2019 und in diesem Rahmen die Durchführung eines „Autofreien Sonntags“.
  2. Reduzierung des Verkehrs auf der B14 um 20%, wie es im gerichtlichen Vergleich mit dem Land festgelegt worden ist.
  3. Schnellstmögliche Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte, wie es in den DUH-Urteilen von Leipzig und Stuttgart gefordert wird.
  4. Rückbau der B14 in eine stadtverträgliche Straße mit stadtverträglichen Geschwindigkeiten.
  5. Weitere Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs in der Innenstadt, Parkraumbeschränkungen und Förderung des Umweltverbundes Bus, Bahn, Rad und Fußgänger.
  6. Kein Rückbau der Schienenkapazitäten des Stuttgarter Hauptbahnhofs durch Stuttgart 21.
  7. Erhalt der Mobilitäts-Perle Kopfbahnhof um jeden Preis.

Kommt also alle am kommenden Sonntag zu unserem Autofreien Tag. Ab 14 Uhr geht es mit Auftaktkundgebungen – gleichzeitig am Neckartor und am Marienplatz – los. Sucht Euch den für Euch günstigsten Startpunkt aus. Wir ziehen dann auf der B14, aus zwei Richtungen, zur Oper. Die zentrale Kundgebung findet dort ab 15 Uhr statt.

OBEN BLEIBEN!

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Eine Antwort zu Weniger Bahnhof macht mehr Autos – das trojanische Pferd von Daimler & Co. heißt Stuttgart 21 oder: Wer hat Angst vorm autofreien Sonntag?

  1. Alexander Abel sagt:

    Das ist genau das Problem, das ich mit allen
    diesen Oko-Extremisten habe!
    Sie hetzen nur gegen das Auto, anstatt den Saustall VVS (+ im ÖPNV bundesweit) anzuprangern und Sofortmassnahmen
    bis hin zu einem Quantensprung im ÖPNV auszuarbeiten und einzufordern.
    Erst gestern habe ich wieder ein Beispiel erlebt:
    Ich hatte das Glück,dass mich am Wilhelmsbau ein fahrgastfreundlicher Busfahrer bei schon gesetztem Linksblinker noch in den 92-er reingelassen hat.
    Takt am Werktag 30min bei 21min Nettofahrzeit bis zu meinem Ziel „Metzgerhau“.
    Ist es vielleicht ein Wunder, dass der dort
    angesiedelte, für PR-Zwecke bestens geeignete Parkplatz gähnend leer war?
    Welcher Autobesitzer wartet schon 30min auf
    einen Bus, wenn er mit seinem PKW in 10-15min
    in der Stadt ist?
    Und wenn man den Busfahrpreis von 2x €2,75 von den Parkgebühren abzieht, tendieren die wahrscheinlich gegen null.
    Und mein zweites Problem mit den Ökofritzen
    ist, dass sich von denen keiner traut, den
    Flugverkehr anzugreifen, ein 100%-Verbot von innerdeutschen Flügen und die Schliessung aller Flughäfen bis auf Rhein-Main zu fordern.
    Mit dem Treibstoff, den ein Flugzeug bei einem einzigen Start unkatalysiert(!)verbläst,kann ich wohl mindestens 100’000km autofahren – katalysiert!
    Beispiel für den Flugzeug-Schwachsinn in D:
    Wie komme ich am billigsten von S nach DU?
    Antwort: Billigflug S – D und von D nach DU
    mit der S-Bahn!
    Viel schneller + bequemer gehts natürlich mit
    dem ICE über die unausgelastete Schnellfahrstrecke, aber das ist für Normalverdiener nicht bezahlbar!
    Daraus kann man doch wohl nur den Schluss ziehen, „Vergesellschaftung der Eisenbahn
    (Art.15GG!) und deren Bewirtschaftung nach den Grundsätzen der Gemeinnützigkeit!“
    Nix da Manager-Vergütungen, wie sie von Grube
    bekannt geworden sind!
    Krawattenaffen sollten wegen Untreue zu gemeinnütziger Arbeit in der Putzkolonne verurteilt werden.
    Mit solchen Massnahmen wäre der Umwelt weit
    besser gedient als mit unsachlichen Hassausbrüchen auf
    Auto(fahrer)und so symbolischen Anti-Auto-Demos wie Autofreier Sonntag!
    Soll die arbeitende Bevölkerung vielleicht grade am
    Sonntag zuhause in Depressionen versinken?
    Hat Herr Niess überhaupt einen Verbundfahrplan im Regal stehen?
    Hallo Herr Niess, mal reingucken unter „Sonntag“!
    Gerade an Sonntagen herrscht im VVS ein Fahrplan, der mich immer an die Zustände erinnert, die mir meine Eltern von der Nachkriegszeit geschildert haben.
    aabel-s@gmx.de

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