Rede von Dipl.-Ing. Hans Heydemann, Ingenieure22, auf der 430. Montagsdemo am 27.8.2018
Liebe Mitstreiter,
einmal mehr geht es um Stuttgart 21 mit dem nicht genehmigungsfähigen Brandschutz, den das Eisenbahnbundesamt mit der 18. Planänderung abermals nur durchgewunken hat. Bei einem schweren Brand im Tiefbahnhof oder in einem der 60 km langen Zulauftunneln wird es hunderte Tote und Verletzte geben – Stuttgart 21 wird sich dann einreihen in die Liste der großen Bahnkatastrophen, die so im bestehenden Kopfbahnhof nie stattfinden könnten. Beim Brandschutz wird die nicht heilbare Fehlplanung des Vorhabens immer deutlicher.
Mit der Erwiderung auf meine Klage gegen das Eisenbahnbundesamt wegen der 18. Planänderung tut man sich offensichtlich schwer – zwei Tage vor Fristablauf wurde Fristverlängerung beantragt und auch gewährt; die Klageerwiderung muss jetzt bis zum 11.9.18 vorliegen. Meine Klagegründe müssen schon schwerwiegend sein, wenn zu deren Erwiderung drei Monate Zeit benötigt werden. Oder wollen die das Verfahren absichtlich in die Länge ziehen? Klagen gegen solche Fehlplanungen der Bahn müssen nicht zwangsläufig vergeblich sein. So hat das Oberlandesgericht Hamburg letzte Woche den Baustopp für die Verlegung des Kopfbahnhofes Hamburg-Altona als Durchgangsbahnhof in ein zwei Kilometer entferntes Industriegebiet verfügt und damit der Bahn einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Wie bereits berichtet, ging es in unserer letzten Runde der Einsichtnahme in die Liste der 1.700 Risiken um Risikosachverhalte beim Brandschutz. Darin fehlen die wirklichen Risiken, etwa das Nichterreichen der Schutzziele bei der Abnahmeprüfung vor Inbetriebnahme, jedoch gänzlich. Dies habe ich den Vertretern der Bahn als unsere Sicht der Dinge zum Brandschutz vorgetragen mit der Feststellung, dass die vorgesehene Rauchabdrängung über die Lichtaugen durch Einblasen von Zuluft aus den Tunnel ungeeignet ist und stattdessen eine maschinelle Entrauchung über Abluftschächte auf dem Tiefbahnhofsdach notwendig ist. Das hatte schon 2012 der Brandschutz-Gutachter GRUNER AG gefordert.
Zusammen mit weiteren Unterlagen wurde uns eine Schnittdarstellung der Lichtaugen mit den Rauchabzugsöffnungen übergeben. Wie daraus hervorgeht, sollen die Rauchabzugsklappen zwischen einer inneren und einer äußeren Röhrenverkleidung angeordnet werden – was brandschutztechnisch gar nicht geht, weil der Austritt des Rauches dadurch erheblich behindert wird. Es ist nicht vorstellbar, dass es für diese allein nach gestalterischen Gesichtspunkten und an allen Brandschutz-Anforderungen vorbei entwickelte Lösung jemals eine brandschutzrechtliche Zulassung geben kann.
Die wirksame Rauchabzugsfläche – ohnehin viel zu klein vorgesehen – wird durch diese beidseitigen Röhrenverkleidungen stark verringert. Damit aber ist die Verrauchungssimulation falsch, denn dieser liegt eine sehr viel größere Rauchabzugsfläche zugrunde, die gar nicht vorhanden ist. Folglich ist auch das ganze Brandschutzkonzept fehlerhaft und als Nachweis einer sicheren Rettung untauglich. Die Tiefbahnsteighalle wird stärker und viel schneller verrauchen als dargestellt. Bei einem schweren Brand werden die Menschen nicht schnell genug herauskommen; der Evakuierungsnachweis ist falsch und nicht erbracht. Der Tiefbahnhof dürfte damit gar nicht gebaut werden! Die Bahn trickst hier verantwortungslos herum, und das Eisenbahn-Bundesamt winkt alles ungeprüft durch.
Wie unausgegoren die ganze S21-Brandschutz-Fehlplanung ist, zeigt sich auch in der Anordnung dieser Rauchabzugsklappen hinter der Röhrenverkleidung in 15 m Höhe über dem Bahnsteig. Wie bitte soll da oben die vorgeschriebene jährliche Überprüfung mit Wartung und Instandhaltung der Rauchabzugsklappen und weiterer Geräte durchgeführt werden? Mit einer Leiter geht das nicht; die Höhe ist dafür viel zu groß. Auch ein mobiler Steiger kommt dafür nicht in Betracht; das scheitert schon daran, diesen überhaupt auf die Bahnsteigebene herunterzubringen und damit von Bahnsteig zu Bahnsteig zu wechseln. Oder soll jedes Mal unter jedem Lichtauge ein Gerüst auf- und hernach wieder abgebaut werden? Das wird den Platz auf dem Bahnsteig noch mehr einengen. Die Bahn weiß selber noch nicht wie, aber sie bauen schon mal – ins Blaue hinein. Für diese Arbeiten über der Oberleitung muss aus Sicherheitsgründen die 15.000-V-Hochspannung abgeschaltet und der Zugverkehr solange eingestellt werden. Diese Arbeiten können also nur nachts stattfinden, wenn keine Züge fahren.
Samt Auf- und Abbau des Gerüstes muss man für alle Arbeiten an einem Lichtauge mit einer Woche rechnen. Bis alle 23 Lichtaugen einmal durch sind, kann man gleich wieder von vorn anfangen – damit verkommt der S21-Tiefbahnhof zur Dauerbaustelle! Außerdem wird dies die künftigen jährlichen Betriebskosten für den S21-Tiefbahnhof weiter in die Höhe treiben. Dafür gibt es dann die nächste Fahrpreiserhöhung umsonst dazu! Von all´ dem hat man den Wählern vor der Volksabstimmung 2011 nie etwas gesagt.
Am 10. Juli haben wir an den Geschäftsführer der DB Projekt Stuttgart Ulm einen „Offenen Brief“ geschrieben und auf die erheblichen Mängel am S21-Brandschutz hingewiesen. Die knappe Antwort dazu: „Wie Sie wissen, sehen wir es als eine Aufgabe des professionellen Projektmanagements an, Hinweisen zu potenziellen Projektrisiken nachzugehen. Das werden wir selbstverständlich auch im Falle Ihres Hinweises tun, auch wenn ich Ihnen bereits heute mitteilen muss, dass ein Teil Ihrer Ausführungen auf veralteten Unterlagen beruht.“
Veraltete Unterlagen? Die Antrags-Unterlagen der DB PSU zur 18. Planänderung waren also „veraltet“, obwohl am 12.3.2018 als gültiger Stand vom Bauleiter der DB PSU abgezeichnet und beim EBA eingereicht? Die Genehmigung wurde nur eine Woche später vom EBA am 19.3.2018 erteilt. Damit sitzt die DB PSU jetzt in der Falle! Will sie allen Ernstes erklären, dem Eisenbahnbundesamt „veraltete Unterlagen“ zur Genehmigung der 18. Planänderung vorgelegt zu haben?
Das wäre Betrug und die erteilte Genehmigung damit nichtig!
Wir haben daraufhin den Geschäftsführer der DB PSU erneut angeschrieben und um Aufklärung sowie um Einsichtnahme in die „neue Planung“ gebeten. Doch jetzt „mauert“ die DB PSU; nach vier Wochen gab es lediglich einen Anruf vom Geschäftsführer der DB PSU mit folgender Aussage: Nach Prüfung unserer Hinweise würden diese als nicht stichhaltig angesehen; das Brandschutzkonzept sei bestätigt und werde so umgesetzt wie geplant; die DB PSU werde schon alles richtig machen.
Auf meine Nachfrage erklärte er, uns keine weiteren Unterlagen – auch nicht die „neueren“ – zukommen zu lassen und auch keine weiteren Gespräche mehr mit uns zu führen, zumindest solange mein Klageverfahren gegen die 18. Planänderung nicht abgeschlossen ist. Offenbar haben wir hier einen Nerv getroffen und bei der DB PSU für gehörige Aufregung gesorgt.
Der DB PSU bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder den Weiterbau von Stuttgart 21 sofort einzustellen und zunächst ein genehmigungsfähiges Brandschutzkonzept neu zu entwickeln sowie die Planung entsprechend überarbeiten zu lassen – man kann später nicht einfach große Löcher in das dünne Schalendach schneiden und solche Absaug-Schächte draufsetzen; das hielte die Konstruktion nicht aus. Das würde weiteren Bauzeitverzug um zwei bis drei Jahre und weitere erhebliche Mehrkosten bedeuten.
Oder Verschließen der Augen vor den aufgezeigten Brandschutzproblemen und weiterbauen mit einer falschen Planung; das wird am Ende noch teurer kommen und noch viel länger dauern, weil dann sehr kostspielig geändert werden muss – siehe Großflughafen BER Berlin.
Die DB PSU wird jetzt nicht mehr sagen können, davon nichts gewusst zu haben.
Besser wäre, jetzt das vorliegende Alternativkonzept „Umstieg21“ aufzugreifen und umzusetzen mit einem modernisierten Kopfbahnhof unter bestmöglicher Umnutzung bereits errichteter Bauwerke, bei rund fünf Mrd. Euro eingesparten Baukosten gegenüber dem Fertigbauen von „Stuttgart 21“. Der Brandschutz ist noch lange nicht durch – wir werden nachlegen und dranbleiben.
Oben bleiben!