Rede von Maggie Klingler-Lauer, „S21 ist überall“, auf der 430. Montagsdemo am 27.8.2018
Der AK „Stuttgart 21 ist überall“ ist dem internationalen Forum der Protestbewegungen angeschlossen und mit Bewegungen verbunden, die gegen den Wahnsinn kämpfen.
Zur Bewegung GCO Non Merci – Straßburg (GCO heißt ‚große Umfahrung West‘)
Vergangenes Wochenende fand ein Großtreffen der Bewegung in Kolbsheim statt – zehn Widerständige aus Stuttgart sind hingefahren. Auch hier geht es um die Abholzung eines Waldes. Auch hier gibt es Besetzer, die sich bishnoi – radikale Waldschützer – nennen.
Dieses Projekt ist von keinerlei Nutzen für die Verkehrsbedürfnisse der Menschen, aber extrem zerstörerisch. Mitten durch Naturschutzgebiete, Feuchtgebiete, durch den Wald bei Kolbsheim und durch fruchtbare Äcker soll eine autobahnähnliche Schneise geschlagen werden. Eine Untersuchungskommission prognostizierte verheerende Auswirkungen auf Natur und Umwelt.
Die Planungen für das Projekt sind Jahrzehnte alt. Es wurde ehemals als Umgehungsstraße und Entlastung für Straßburg in der Öffentlichkeit eingeführt. Es war – nach massivem Widerstand der elsässischen Dörfer – unter der Regierung Hollande auf Eis gelegt und dann wieder aus der Schublade geholt worden, als der französische Baukonzern Vinci sich als Erbauer und Betreiber ins Spiel brachte. Vinci will die Trasse als Mautstraße betreiben, verspricht sich eine Milliarde Euro Rendite pro Jahr.
Es geht aber um mehr als um den Profit von Vinci. Die Strecke um Straßburg wird Teil einer Nord-Süd-Verbindung, die auch nach Deutschland – nach Rheinland Pfalz – führen soll. In Rheinland-Pfalz soll die Trasse dann durch den Bienwald geschlagen werden. Die Umweltverbände dort sind alarmiert.
Es wird prognostiziert, dass Lkw-Verkehr aus Deutschland über diese Verbindung nach Frankreich verlagert wird; damit wäre die Belastung für Straßburg höher denn je. Entlang des Rheins gibt es dann zwei Trassen für den Schwerlastverkehr. Das ist meilenweit entfernt von politischen Sonntagsreden: Güter auf die Schiene und Klimaziele erreichen.
Die Regierung Macron und die des Departements unterstützen den Trassenbau. Laut eines Gerichtsbeschlusses von Ende Juli darf Vinci die Besetzer ab sofort räumen lassen. Schlimmer noch: Vinci hat eine Baufreigabe erhalten ab morgen, 28.8.2018!
Sollte einem gerichtlichen Eilantrag der Bewegung nicht stattgeben werden, wird Vinci am Dienstag an 13 Stellen entlang der Route mit Bauvorbereitungen beginnen.
Beim Treffen am Wochenende war auch der Vorsitzende der europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer, anwesend. Er war sichtbar überrascht, in Kolbsheim mit einer Gruppe S21-Gegner konfrontiert zu sein. Er wird ab sofort wissen: Es gibt einen Zusammenschluss der Protestbewegungen.
Wir werden über die verhängnisvollen Planungen im Elsass informieren – das haben wir versprochen.
Nun zu einem Projekt mit – aus unsrer Sicht – hoffnungsvollen Aussichten:
Bewegung No TAV – Susatal
Das zauberhafte Susatal wird zerstört werden durch die Hochgeschwindigkeitstrasse Lyon – Turin. Und jetzt wird´s grotesk: Die neue italienische Regierung ist gespalten. Die fünf Sterne und ihr Verkehrsminister Tonielli sind klar gegen das Projekt, die andere Regierungspartei – die Lega Nord – klar dafür.
Das Projekt wurde 2012 von Frankreich und Italien gestartet. Güterzüge sollen genau auf dieser Strecke fahren, damit sie eine halbe Stunde schneller in Lyon sind. Dazu ein Kommentar aus der TAZ vom 4.12.2012: „Extrem teuer, völlig unsinnig, dazu noch schädlich – einfach die besten Voraussetzungen für ein Projekt … Wenn Deutschland sich S21 gönnt, so offensichtlich die Logik, können wir das genauso gut.“
Im Susatal kämpften die Menschen von Anfang an und standhaft bis heute, jedoch massiv verfolgt durch die Staatsmacht: Polizeigewalt, Gerichtsverfahren, mehr als 150 Jahre Haft usw.
Allmählich aber scheint der Widerstand Wirkung zu zeigen, denn, im Gegensatz zur italienischen Regierung zeigt die französische Seite inzwischen erstaunliche Skepsis. Macron lässt die französische Verkehrsministerin in öffentlichen Interviews sagen, die Rentabilität sei fraglich bei zu erwartenden Kostensteigerung bis zu 26 Mrd. Euro. Aber ein weiterer französischer Minister äußert, die Entscheidung zur Trasse werde Italien überlassen. Was die Regierung Macron umtreibt, wissen wir nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Vielleicht ist die im Grunde unbedeutende Trasse ein Hindernis bei ihren Bemühungen um eine Bahnprivatisierung.
Zum Abschluss zwei Bemerkungen:
Beim Großtreffen des internationalen Forums in Bayonne 2016 wurde uns eine internationale Studie vorgestellt, die besagt: Proteste gegen Mega-Infrastrukturprojekte mehrten sich in den letzten zehn Jahren. Die Menschen lassen sich nicht mehr mit den Behauptungen , sie seien alternativlos, abspeisen; sie kämpfen für ihren Lebensraum. Die Menschen nehmen das Thema Klimakatastrophe ernst. Alle genannten Projekte leisten einen furchtbaren Beitrag zur Erderwärmung.
Und 2018 haben wir zum ersten Mal mit Erfolgen zu tun. Die französische Regierung kippte im Januar den Großflughafen Notre-Dame-des-Landes; Lyon-Turin steht auf der Kippe; das Susatal wäre angebohrt, aber gerettet; Florenz wankt.
Das ist ermutigend! Wir müssen dranbleiben, um den marktradikalen und klimaschädlichen Charakter dieser Megaprojekte zu entlarven.
GCO non merci, No TAV Susatal – oben bleiben!