Rede von Tom Adler, Fraktionsvorsitzender der Fraktionsgemeinschaft SÖS, LINKE, PluS, auf der 422. Montagsdemo am 2.7.2018
Liebe Freundinnen und Freunde,
die große Mehrheit von euch hat sich eben dafür ausgesprochen, die Montagsdemo am 9. Juli nach der S21-Demo am kommenden Samstag nicht ausfallen zu lassen. Das zeigt, wie entschieden und hochmotiviert gegen Stuttgart 21 wir sind. Wir werden nicht lockerlassen, bis das Unsinnsprojekt gestoppt und auf Umstieg21 umgesteuert wird, und für uns als Demoteam ist das der Auftrag, Redner/-innen und Musik zu organisieren. Es hätte uns und euch aber auch nicht aus dem Tritt gebracht, wenn ihr euch für den Ausfall einer Montagsdemo entschieden hättet – jetzt aber heißt es, auch am Montag, 9.7., nach unsrer Samstagsdemo motiviert und großer Zahl auf diesem Platz und auf der Straße zu sein, für unseren Kopfbahnhof, gegen Stadtzerstörung und Immobilienspekulanten, für unser Recht auf Stadt – geübt und ausdauernd im Straßenprotest wie wir sind!
Über „Street Fighting Man“ haben vor gefühlt 50 Jahren die Rolling Stones einmal gesungen, Repräsentanten einer Musik, die für etliche von uns beim Erwachsenwerden die Musik der Rebellion gegen die betonierten Zustände und Konventionen gewesen ist.
Die ursprüngliche widerständige Kraft populärer Musik, die erleben wir hier zwar immer wieder auf unsrer Bühne, aber die großen Bands wie die Stones haben sich die Musikkonzerne schnell als Geschäftsmodell einverleibt und auch der ältesten Rockband der Welt den rebellischen Geist abgekauft und sie von ,Street Fighting Men‘ zu Multimillionären gemacht.
Aber ab und zu sticht auch einen Mick Jagger noch der Hafer, und am Samstag, als die Stones im Stadion waren, hat Mick Jagger einen zynischen Satz gesagt – beabsichtigt oder nicht – zu Stuttgart 21 und seinen Hintergründen: „Ich liebe diese Stadt – ich wünschte ich wäre im Baugewerbe!“
Dass Stuttgart 21 nicht zuletzt die Lizenz zum Gelddrucken für die Immobilien- und Baubranche ist, das wissen wir alle seit langem.
Der Stadtumbau grassiert nicht nur auf den Stuttgart-21-Baustellen, sondern an jeder Ecke. Nicht nach den Bedürfnissen der Menschen, sondern ausschließlich getrieben von den Investoren-Wünschen, aus Geld noch viel mehr Geld zu machen. Und als dienstbarer Geist für diese Investoren-Wünsche ist die Stadtverwaltungsspitze immer bereit, Pläne für Investoren passend, unnötige Abrisse und unmögliche Bauvorhaben möglich zu machen.
Wir wissen das und unsre Stuttgart-21-Bewegung ist deshalb längst auch ein Teil einer Recht-auf-Stadt-Bewegung – und wir können stolz sagen: nicht der unwichtigste Teil – denn niemand anders als wir hat seit 2007 das zerstörerische Bau-Unwesen mitten im Herz der Stadt kritisiert, dagegen protestiert und kluge und menschenfreundliche Alternativen entwickelt! Und das alles öffentlich, nicht im IHK-Weinberghäusle, in Hinterzimmern oder auf elitären Tagungen, wo schon der Eintrittspreis Bürger*innen mit kleinen und Durchschnittseinkommen ausschließt.
Eine dieser Kungel-Veranstaltungen beginnt heute Abend im Rathaus, der sogenannte „11. Immobilien-Dialog Region Stuttgart“. Für 460 Euro plus 19% MwSt. Eintritt!
Mit dabei sind unter anderem die Stadt, die Wirtschaftsförderung, LBBW-Immobilien, Hildenbrandt Immobilien, Strabag, Züblin, Wolff&Müller – ja genau: der Wolff&Müller, der die Stadt mit mehr als fragwürdigen Rechnungen in Millionenhöhe beim Rosensteintunnel versucht, über den Tisch zu ziehen!
Unglaublich, dass das Rathaus unserer Stadt weiterhin als Plattform zur Verfügung steht, dass Immobiliendeals eingefädelt, Absprachen getroffen und dieser zerstörerische Stadtumbau organisiert wird, angefangen mit S21 und dem Wohnungsbauphantom Rosensteinviertel bis zum Allianz-Neubau in Vaihingen, für den eine ganze SWSG-Siedlung abgerissen werden soll!
Garantiert wird dort auch über das Rosensteinphantom gesprochen und gedealt werden – Fritz Kuhns letztes Aufgebot für Stuttgart 21, nachdem all die andern „Jahrhundertchancen“ zu Jahrhundert-Pleiten zerbröselt sind.
Liebe Freundinnen, ich glaube, wir sind deshalb sehr gut beraten, wenn wir uns jetzt gleich alle am Demozug rüber zum Marktplatz beteiligen, denn wir haben allen Grund, auf dem Marktplatz laut und deutlich zu machen, dass das unsre Stadt ist und wir nicht ohne Protest und Widerstand zuschauen, wie sie zu Höchstpreisen verhökert wird!
Dort können Sie übrigens einige interessante Leute hören, unter anderem Joe Bauer, Hannes Rockenbauch und den Musiker Stefan Hiss.
Und es gibt noch einen anderen Grund, mitzugehen, leider einen traurigen: die Capella Rebella und die Lokomotive Stuttgart trauern um Matthias, ihren Trompeter und unseren langjährigen Mitstreiter, der seit vergangener Woche nicht mehr unter uns ist. Capella und Lok werden auf der Strecke zum Marktplatz am Schillerplatz innehalten und bei einem kurzen Demostop mit einem Lied, das er gerne mochte, an Matthias erinnern.
Machen Sie sich am Schluss unsrer Kundgebung hier also nicht auf den Weg nach Haus, sondern kommen sie mit der Demo zum Marktplatz – es spricht alles dafür: Oben Bleiben!