Rede von Sabine Leidig, MdB und verkehrspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE, auf der 407. Montagsdemo am 5.3.2018
Liebe Freundinnen und Freunde,
es ist schön, mal wieder hier zu sein und ich danke Euch für die Einladung. Es ist so wichtig, dass Ihr immer wieder hier zusammen- kommt und immer noch die Mahnwache haltet und einfach nicht aufhört, Euch gegen den Wahnsinn namens Stuttgart 21 zu wehren!
Nun komme ich ja aus Berlin, wo jetzt die (gar nicht mehr so große) Große Koalition fortgesetzt wird. Das ist vielleicht nicht das Schlimmste, aber es ist schlimm genug – vor allem, weil es so weiter gehen wird mit der sozialen Spaltung … so dass die Besitzer großer Vermögen geschont werden, aber die Armen, die an den Tafeln abgespeist werden, sollen teilen.
Und es werden weitere verlorene Jahre für den Klimaschutz. Und das liegt vor allem am Verkehr. Weil die Interessen der Aktionäre der Autokonzerne mehr zählen als die Gesundheit und die Lebensgrundlagen der Menschen.
Im Koalitionsvertrag nimmt die Verkehrspolitik einen ziemlich großen Raum ein. Aber es geht nicht um eine soziale und ökologische Verkehrswende, sondern um das „Weiter so“ mit anderen Mitteln. Digitalisierung, Automatisierung und alternative Antriebssysteme sollen die Autogesellschaft verlängern. Kein Tempolimit, keine Daumenschrauben für die Autohersteller, keine Abschaffung von Dienstwagen- und Dieselsubvention. Und kein Plan für saubere Luft in den Städten. Ich finde das wirklich skandalös! Immerhin fordert sogar die IG Metall die blaue Plakette, damit nicht jede Dreckschleuder in die Innenstadt fährt. Aber wem sage ich das!
Am 30. Januar schreibt „Der Postillon“ (www.der-postillon.com) (und auf BAA vom 30.1.2018 nachzulesen):
VW, Daimler und BMW geben zu: Stuttgart ist nur ein gigantisches Abgas-Experiment
Stuttgart (dpo) - Die Skandal-Enthüllungen hören nicht auf. Erst mussten die größten deutschen Autohersteller einräumen, Abgastests an Menschen und Affen durchgeführt zu haben. Nun wird bekannt: Eine komplette Stadt wird seit Jahr und Tag als Labor genutzt.
Zwar handelt es sich nur um Stuttgart, dennoch ist die Empörung bundesweit riesig. Die 612.000 Einwohner werden seit Jahrzehnten als Probanden für ein moralisch fragwürdiges Experiment genutzt: Forscher von Volkswagen, Daimler und BMW gehen dort großangelegt der Frage nach, wie viel Stickoxide, Feinstaub und andere Umweltgifte in der Atemluft dem menschlichen Körper schaden. Das mussten die Unternehmen heute öffentlich zugeben.
Die Wahl sei seinerzeit auf Stuttgart gefallen, weil die Stadt sich niemals gegen Wünsche der Industrie stellen würde. Bereits seit vielen Jahren werden in Baden-Württembergs Hauptstadt Schadstoffausstöße gemessen, die die zulässigen Grenzwerte um ein Vielfaches überschreiten. Nur so ließ sich ermitteln, wie viele Schadstoffe der menschliche Körper auf lange Sicht verkraftet.
"Heute wissen wir natürlich, dass so ein Experiment nicht mit unseren hohen ethischen Standards in Einklang zu bringen ist, die wir uns an diesem Wochenende auferlegt haben", so der Sprecher.
Das ist Satire, aber mit erschreckend wahrem Kern.
Und dazu kommt: Stuttgart 21 verstärkt die Belastung mit Feinstaub- und Stickoxid. Durch die gigantische Baustelle sowieso, aber auch langfristig. Denn die notwendige Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene wird nicht klappen, wenn die Bahnhofskapazität so verkleinert wird!
Also auch für Klima- und Gesundheitsschutz muss der Umstieg her!
Ich habe mich übrigens gewundert, dass nicht nur der hessische Verkehrsminister Tarek Al Wazir, sondern auch Euer Oberbürgermeister Fritz Kuhn – also Grüne - den Nulltarif im Öffentlichen Nahverkehr abgelehnt haben. Ich finde ja, dass wir dieses Fenster weit aufstoßen müssen, nachdem die Bundesregierung es einen Spalt geöffnet hat.
71 Prozent der Bevölkerung finden es gut, dass der öffentliche Nahverkehr ab 2020 kostenfrei genutzt werden kann. Das ist wesentlich mehr, als die Zustimmung zur GroKo. Es kommt jetzt darauf an, diesen Rückenwind zu nutzen! Aber natürlich mit Plan und Ziel, damit es kein Chaos gibt. Es braucht mehr Fahrzeuge und Ausbau an vielen Ecken und Enden – auch bessere Bedingungen für Fuß und Fahrrad. Und hier in Stuttgart muss der Bahnhof oben bleiben!
Unser mittelfristiges Ziel ist der bundesweite Nulltarif und die Halbierung des Autoverkehrs. So könnten wir die klimapolitischen Versprechen einhalten. Und die Lebensqualität in den Städten wäre merklich besser. Und wir können das ganze auch bezahlen – es muss nur der politische Wille da sein:
Allein die Subventionen von Dieseltreibstoff belaufen sich pro Jahr auf fast 8 Milliarden Euro. Die Steuervorteile für Dienstwagen liegen bei über 4 Milliarden Euro jährlich und kommen in der Regel Gutverdienenden zu Gute. Dazu die völlig ungerechtfertigten neuen Subventionen für Elektro-Pkws, die den Autokonzernen zufließen … Diese Gelder müssen umgelenkt werden.
Außerdem fordern wir eine Sonderabgabe der Automobilindustrie, zweckgebunden als „Abgabe zur Verbesserung der Luftqualität“ – fünf Jahre lang je 4 Milliarden. Das ist mehr als gerechtfertigt: Laut Straßenverkehrsgesetz kann „das Feilbieten nicht genehmigter Fahrzeuge“ mit einer Geldbuße bis zu 5.000 Euro geahndet werden: Wir gehen davon aus, dass mindestens 5 Millionen illegale Diesel-PKW verkauft wurden: Also rund 25 Milliarden Euro Strafe, die eigentlich bei den Autokonzernen einzutreiben sind. Kurz und gut: Ich finde, der Nulltarif im öffentliche Nahverkehr ist machbar, finanzierbar und ein guter Hebel für das, was immer mehr Menschen wollen: Mobilität für alle – mit weniger Verkehr.
Es ist ein weiterer Skandal, dass diese Regierung das Gegenteil will: Nämlich mehr Verkehr. Insgesamt. Und dafür wollen sie noch mehr Autobahnen und Großprojekte. Und deshalb haben sie „Planungsbeschleunigung“ verabredet. Und das ist ein echter Hammer: Es droht ein massiver Abbau demokratischer Beteiligungsrechte. Dass auch von frühzeitiger Bürgerbeteiligung die Rede ist, darf niemand darüber hinweg täuschen. Vor allem die Umwelt- und Naturschutzverbände als „Anwälte der Natur“ sollen kaltgestellt werden, sogar durch Einfluss auf EU-Ebene. Ich hoffe, dass es da breiten Widerstand gibt!
Tja und dann gibt es den Teil zur Bahn, bei dem ich mir schon verwundert die Augen reibe: Eine ganze Reihe richtiger Forderungen stehen da, die wir in den letzten Jahren beantragt, begründet, gefordert haben – immer wurde alles abgelehnt in trauter Eintracht von CDU/CSU und SPD. Aber jetzt brüstet sich der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sören Bartol damit, dass volkswirtschaftliche Ziele in der Satzung des Bahn-Konzerns festgeschrieben werden. Gut so. Bis 2030 sollen wieder alle größeren Städte an den Fernverkehr angeschlossen werden, es soll ein Elektrifizierungsprogramm geben, und (ich zitiere) „mit einem 1000-Bahnhöfe-Programm sollen verwahrloste Bahnhöfe wieder für die Bahnkunden sauberer und attraktiver werden“.
Da kann ich nur aus vollem Herzen zustimmen. Ja, Herr Bartol, fangen Sie mit Stuttgart 21 an! Dieses teuerste, nutzloseste und schädlichste Bahnprojekt kommt in Ihrem Koalitionsvertrag und in Ihren Plänen für die Bahn der Zukunft gar nicht vor. Sie wollen es unter den Teppich kehren. Dabei verschlingt es Milliarden Euro, wird den Taktverkehr blockieren und den Bahnzuwachs behindern. Stuttgart 21 steht wie ein schwarzer Riese vor der sonnigen Zukunft der Bahn. Mit diesem Milliardengrab wird es keine gute Bahn für alle geben.
Das sage ich nicht nur hier. Nein: Meine Fraktion DIE LINKE hat auch in dieser Legislaturperiode schon wieder zwei Anträge auf den Weg gebracht – noch bevor die Ausschüsse konstituiert waren. Wir wollen, dass das Parlament beschließt, dass die Bundesregierung – als Eigentümerin der DB-AG – dafür sorgen muss, dass die Gutachten zu Stuttgart 21 veröffentlicht werden und dem Parlament zugänglich sind:
- Das jüngste Gutachten von PWC und Emch + Berger zu „Stuttgart 21“, das vom Vorstand der DB AG im Oktober 2017 in Auftrag gegeben worden ist,
- das KPMG/Basler-Gutachten „Überprüfung des Berichtes zur aktuellen Termin- und Kostensituation Projekt Stuttgart 21“
- die beiden Prüfberichte des Bundesrechnungshofs an den Vorsitzenden des Bundesfinanzierungsgremiums zum Projekt „Stuttgart 21“ vom 8. September 2016 und an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses zu „Stuttgart 21“ mit dem gleichen Datum.
Es ist doch eine Riesenschweinerei, dass die Verschwendung von Steuergeld als Staatsgeheimnis behandelt wird!
Außerdem haben wir erneut einen aktualisierten, sehr klaren und ausführlich begründeten Antrag geschrieben: „Ausstieg und Umstieg bei dem Bahnprojekt Stuttgart 21“. Wir erläutern die Unwirtschaftlichkeit und die Gefahr für andere, sinnvolle Bahnprojekte. Wir weisen auf die Kapazitätsengpässe, die ungeklärten Sicherheitsfragen hin und die nicht vorhandene Betriebsgenehmigung. Wir zeigen auf, dass ein sinnvolles Umstiegskonzept vorliegt und Geld sparen würde und wir widerlegen die Legende vom Volksentscheid.
Ich kann die vielen guten Argumente hier jetzt nicht aufzählen – Ihr kennt sie alle. Das wichtige ist aber, dass sich zumindest die Abgeordneten im Verkehrsausschuss damit beschäftigen müssen. Die alten immer wieder und die neuen auf jeden Fall auch. Wir werden nicht zulassen, dass sie sagen können, sie hätten von nichts gewusst.
Sie wollen Stuttgart 21 totschweigen, aber wir geben keine Ruhe.
Sie wollen es unsichtbar machen, aber wir haben ein Auge drauf.
Sie wollen es als unverrückbare Tatsache, aber wir nähren die berechtigten Zweifel.
Liebe Freundinnen und Freunde,
ich kann Euch versichern, dass wir weiter nach Kräften am selben Strang ziehen, um dieses Projekt Stuttgart 21 und die ganze falsche Ausrichtung zu Fall zu bringen. Und wenn die Probleme größer werden und die Seile der Seilschaften noch mehr Risse kriegen, dann kann die vereinte Kraft plötzlich doch noch wirken – und dann ist das Umstiegskonzept gefragt. Auch wenn es noch dauert bis dahin: Lassen wir uns nicht unterkriegen. Sie wollen, dass es unumkehrbar scheint, aber wir zeigen die Alternative: eine andere Welt und ein anderer Bahnhof ist möglich! Oben bleiben!
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Herr Claus Peymann, Schauspieldirektor, hat mit seinen Worten auf den Punkt getroffen.Die Zerstörung der Stadt Stuttgart unter OB Fritz Kuhn und dem Grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, ist eine Katastrophe für Die Stadt und den Bahnverkehr.Von verlorenen Milliarden Euro gar nicht zu reden. Das Verhalten der Grünen, in den Koaliationen mit SPD und CDU, ist beschämend.
Mit der Volksabstimmung ist der „Käs“ gesse!Ein Irrtum Herr Kretschmann, ihre „Furzklemmer-Politik“ mit der CDU, führt ins Chaos! Da hilft auch das Beichten nichts.