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Ein Auftritt bei KenFm passiert nicht versehentlich. Hintergründe zu Pedram Shahyar und Ken Jebsen: https://blognau.wordpress.com/2018/01/17/niemand-soll-behaupten-koennen-sie-er-haette-davon-nichts-gewusst-oder-ein-auftritt-bei-kenfm-passiert-nicht-versehentlich/
Kommentar von Winfried Wolf:
Hallo Julia,
ich weiß nicht so richtig, wie ich auf Deinen blog-Beitrag reagieren soll. Weil es ja kein echter blog-Beitrag ist. Du „antwortest“ mit einer Link-Sammlung. Die belegen soll, dass Ken J. und Pedram Sh. böse, sogar sehr böse seien. Das ist doch recht hilflos, wenn nicht billig. Ich habe im Dezember inhaltlich auf diese Vorwürfe geantwortet. Ich erklärte dort, warum ich mein Rotes-Tisch-Interview für gerechtfertigt halte. Ich bat darum, darauf inhaltlich einzugehen.
Dazu kein Wort bei Dir.
Ich sagte auch, dass ich an BILD, FAZ, StZ natürlich Interviews und Statements zu S21 abgeben würde. Und dass ich nicht erkennen könnte, warum das gnädigerweise von Dir und anderen Leuten, die die Antisemitismus-Keule schwingen, wohl geduldet werden würde, warum aber bei KenFM plötzlich ein solcher spezifischer Maßstab angelegt werden würde.
Wobei BILD rassistisch ist, Ken FM nicht. Und die spezifische BILD-Grundhaltung pro Israel zu hundertprozent ist Teil eines heutigen spezifischen Rassimus, den auch Netanjahu in Tel Aviv gegenüber der Bevölkerung im Gazastreifen und im Westjordanland praktiziert.
Nehmen wir doch mal für einen Moment an, KenFM wäre Antisemit. Gut, dann hätte ich einen Fehler in meiner Öffentlichkeitsarbeit gemacht – weil es tatsächlich nicht korrekt und politisch inakzeptabel wäre, bei einem erklärten, offenkundig antisemitischen Organ zu publizieren.
Würde dies aber reechtfertigen, dass Du derart über jemand herzieht, der seit 1968 sich als radikaler Linker versteht, der in den bürgerlichen Medien (u.a. bei Wikipedia) als ein ausgewiesener engagierter Demokrat und Linker gesehen wird, der sich seit 1995 gegen S21 engagiert und seit 2010 ständig in Stuttgart präsent ist, wenn dies für die Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 wichtig ist? Ich gehe jetzt mal davon aus, dass Du selbst eine altgediente Anti-S21-Person bist und freue mich, wenn das so ist, über Dein Engagegment.
Jetzt ist aber Ken J. meines Erachtens kein Antisemit. Ich kann dir meinerseits Links anbieten, aus denen das hervorgeht. Aber vielleicht hilft Dir das Folgende: Schreib doch einfach an Ken Jebsen direkt, dass er Antisemit sei. Und nenne dazu offen Deinen Namen und Deine Adresse.
Ich kann mir gut vorstellen, dass Du dann einen Verleumdungsprozess am Hals hast, der sich gewaschen hat, und dass Ken Jebsen dabei alle juristischen Auseinandersetzungen gewinnen und die Sache für Dich am Ende peinlich sein wird.
Ach ja, das machst Du nicht, weil die bürgerliche Justiz auch böse-böse ist? Das leuchtet mit nicht ein. Die Justiz in diesem Land ist zwar eine Klassenjustiz. Sie ist dabei jedoch bei realem und vermeintlichem Antisemitismus ziemlich aktiv. Und sie ist vor allem dann aktiv, wenn es gegen Linke und gegen Plattformen mit linken Inhalten geht, denen man in irgendeiner realen oder angedichteten Form „Antisemitismus“ anhängen kann.
Allerdings hat diese Justiz mehrfach in Angelegenheiten Ken Jebsen und Antisemitismus den Kürzeren gezogen. Der rbb – also eine öffentlich-rechtliche Anstalt; Teil der ARD – für den Ken J. sehr lange und sehr erfolgreich arbeitete, musste alle diesbezüglichen Behauptungen (Antisimitismus) zurücknehmen.
Schau Dir vielleicht mal das Interview an, das Ken J. jüngst mit Rolf Verleger führte (auf KenFM).
Hier: https://kenfm.de/rolf-verleger/
Rolf ist Jude. Er war Mitglied im Zentralrat der Juden. Er hat seine Lebensgeschichte bei PapyRossa veröffentlicht. Er ist engagiert in der jüdischen Gemeinde in seiner norddeutschen Heimatstadt.
Allerdings kritisiert er die israelische Regierung sehr konsequent und hart. Er wirft ihr Rassimus gegen die palästinensiche Bevölkerung und eine unmenschliche Politik vor, mit der die Millionen Menschen im Gaza-Streifen praktisch in einer Lagerhaft gehalten werden.
Rolf stammt wie ich aus Ravensburg. Seine Familie, die Familie Verleger, war in den 1950er und 1960er Jahren die einzige (überlebt habende) jüdische Familie in Ravensburg. Rolfs Bruder, Peter Verleger, war in meiner Klasse im Gymnasium dieser Stadt (Spohn Gymnasium., Ravensburg). Ich war einige Jahre lang mit ihm befreundet und regelmässig bei der Familie Verleger in der Ravensburger Federburgstraße Gast – vor allem, um dort mit Rolf Schach zu spielen. Nicht, dass ich damit eine frühe antifaschistische Tradition behaupten wollte. Gar nicht: Damals waren der Holocaust und eine deutsche Verantwortung kein Thema – das war in meiner (katholischen) Familie ein Tabu – und es wurde auch bei der Familie Verleger nicht thematisiert. Auschwitz wurde, wie Rolf später schreibt, auch bei den Überlebenden verdrängt.
Mir wurden diese Zusammenhänge erst viel später bewusst. Wobei ich die konsequente Kritik am Antisemitismus seit mehr als vier Jahrzehnten als Teil meiner politischen Identität begreife.
Die Familie Verleger, Rolf und Peter, hatte ich dann lange aus den Augen verloren. Bis zum Libanon-Krieg 2006. Da war es Rolf Verleger, der als Mitglied im Zentrralrat der Juden seine Stimme erhob und die Regierung in Tel Aviv scharf wegen dieses Kriegs mit Ausrottungstendenzen und massiven Angriffen auf palästinenische Flüchtlingslager angriff.
Damals fand ich dies enorm mutig. Und traf mich mit Rolf nach vielen Jahrzehnten wieder. U.a. um mit ihm Interviews zu machen, die in der jungen Welt und in der „Zeitung gegen den Krieg“ veröffentlicht wurden.
Und ausgerechnet in diesen Tagen, in denen Du mich mit „Antisemitismus“ verbindest (bzw. andere mich in die Nähe von Antisemitismus rücken), und dies damit begründest, dass ich zwar Richtiges zu Stuttgart 21 und damit die Öffentlichkeitsarbeit für die Bürgerbewgeung gegen Stuttgart 21 gestärkt habe… , dass dies jedoch auf der „falschen“ KenFM-Plattform gesagt worden sei… ausgerechnet da taucht Rolf Verleger erneut auf. Auf der Plattform KenFM.
Vielleicht solltest Du Dich an ihn – an Rolf Verleger – wenden. Und ihn des Antisemitismus, der Querfrontlerei bezichtigen.
Ich bleibe dabei: Diese Art Antisemitismus-Keule ist zerstörerisch und selbstzerstörerisch für die demokratische Bewegung und für die Linke. Wenn der bürgerliche Staat, wenn die Rechte in diesem Land, wenn die Feinde der Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 sich wünschen könnten, wie sie unsere wunderbare, kreative Bewegung zersetzen könnten, dann war und ist der beste Tip, den man ihnen da geben kann: Schwingt die Antisemitismus-Keule!
Diejenigen aber, die es ernst meinen mit dem Kampf für Demokratie, für Recht auf Stadt und gegen Stuttgart 21, sollten mich und andere an ihren Taten und konkreten Worten messen. Und diese absurden Debatten mit Links, die auf Links verlinken, meiden.
Ich grüße
Winfried Wolf