Pressemitteilung der DUH

Die Wahlen rücken immer näher. Reicht es Stadt und Land noch, angemessen auf das "Acht-Punkte-Sofortprogramm für saubere Luft" zu reagieren? Nachstehend eine Pressemitteilung der Deutschen Umwelthilfe:

Pressemitteilung

Nach Stuttgarter Richterspruch zu Diesel-Fahrverboten: Deutsche Umwelthilfe fordert Umsetzung eines „Acht-Punkte-Sofortprogramms für saubere Luft“

Montag, 31.07.2017

Deutsche Umwelthilfe bewertet die von den Autokonzernen geplanten Software-Veränderungen als technisch weitgehend unwirksam und als klar EU-rechtswidrig – Stuttgarter Gericht fordert ab dem 1.1.2018 verbindliche Einhaltung der EU-Luftqualitätsgrenzwerte und erklärt die von den Autokonzernen angebotenen Software-Updates für Diesel-Pkw als ungeeignete Maßnahme – Verwaltungsgericht: „Behörde ist nicht befugt, das zur Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte sofort (1.1.2018) erforderliche Verkehrsverbot wegen der „Nachrüstlösung“ auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben“ – Dieselkonzerne wollen ohne vorherige Prüfung und Genehmigung durch die Behörden Motorsteuersoftware verändern – Unter plus 10 Grad Celsius will die Politik die faktische Abschaltung der Abgasreinigung und damit tausende unnötige Todesfälle akzeptieren – DUH kündigt an, „alle rechtlichen Möglichkeiten“ auszuschöpfen, um die erneute rechtswidrige Kungelei zu stoppen

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Berlin, 31.7.2017: Nachdem durch Gerichtsentscheidungen Diesel-Fahrverbote in Düsseldorf, München und Stuttgart als erforderlich bestätigt wurden, fordert die Deutsche Umwelthilfe (DUH), dass sich die Politik endlich von den in Hinterzimmern verabredeten unzureichenden Software-Updates verabschiedet und wirklich wirksame Maßnahmen ergreift. Angesichts der anstehenden Verhandlungen beim „Nationalen Forum Diesel“ am 2.8.2017 legt die DUH ein „Acht-Punkte-Sofortprogramm für saubere Luft“ vor.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist vor Gericht krachend mit seinem Versuch gescheitert, eine freiwillige Software-Änderung anstelle der für den 1.1.2018 bereits angekündigten Diesel-Fahrverbote durchzusetzen. Vernichtende Kritik erntete die Landesregierung Baden-Württemberg für ihre zuletzt als vorzugswürdig erachteten sogenannte „Software-Änderung“. Selbst unter der (unrealistischen) Annahme, dass 100 Prozent der betroffenen Autohalter bis 2020 daran teilnehmen und eine Reduzierung der Emissionen im Straßenverkehr um mindestens 50 Prozent einträte (beide Zahlen sind deutlich zu hoch), wäre nach Einschätzung der Gutachter der Landesregierung nur mit einer Reduzierung der Stickstoffdioxidwerte (NO2) um 9 Prozent zu rechnen. Da die Belastung der Stuttgarter Atemluft um bis zu 100 Prozent über dem gesetzlichen Grenzwert liegt, ist die Software-Änderung aus Sicht des Gerichts ungeeignet.

„Tatsächlich ist die maximal mögliche Gesamtreduktion der Emissionen noch weitaus kleiner als vom Gericht als Maximalwert dargestellt, da die Industrie weniger als die Hälfte der Bestands-Diesel-Pkw in diese Maßnahme einbezieht, die aktuelle versprochene Minderung der Emission bei durchschnittlich 25 und nicht 50 Prozent liegen soll und schließlich nur ein kleiner Teil der Autohalter an dieser „freiwilligen“ Maßnahme teilnehmen wird. Wir gehen von deutlich weniger als 5 Prozent Verbesserungspotential der NO2-Belastung in unseren durch Dieselabgase vergifteten Städte aus“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Die realen Stickoxid-Abgasemissionen von Euro 5 + 6 Diesel-Pkw liegen um das 5- bis 8-fache höher als erlaubt. Einen kürzlich untersuchten Audi A8, Abgasnorm Euro 6 hat die DUH im Rahmen ihres Emissions-Kontroll-Instituts (EKI) mit knapp 2.000 mg NOx/km gemessen; das Fahrzeug war damit 24-mal schmutziger als bei der Zulassung erlaubt. Aus Sicht der DUH ist es nicht akzeptabel, dass nun „freiwillige Software-Updates“ mit nur 25 Prozent Reduktion der NOx-Emissionen akzeptiert werden sollen. Bei Temperaturen unter plus 10 Grad Celsius und damit insbesondere im gesundheitlich besonders sensiblen Winterhalbjahr dürfen die Diesel-Pkw zudem so schmutzig bleiben wie bisher. Zudem sind die geplanten Software-Veränderungen ohne behördliche Genehmigung eindeutig EU-rechtswidrig und werden durch die Freiwilligkeit der Maßnahme nur von einer Minderheit der Fahrzeughalter akzeptiert.

„Wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um die illegalen Placebo-Software-Updates zu stoppen. Als gäbe es kein Dieselgate und kein seit zwanzig Jahren bestehendes Betrugs-Kartell, gibt sich die Bundesregierung mit freiwilligen Angeboten zufrieden. Spätestens mit dem Stuttgarter Richterspruch müsste der Bundesregierung klargeworden sein, dass Placebo-Lösungen die Luft nicht sauber machen und die von uns gerichtlich durchgesetzten Diesel-Fahrverbote das einzig wirksame Mittel sind, die Industrie zu verpflichten, die betroffenen Fahrzeuge technisch so nachzurüsten, dass sie im realen Betrieb auf der Straße die Euro 6 Abgaswerte einhalten. Anstatt die Industrie unterwürfig um „freiwillige Angebote“ zu bitten, müssen die Autokonzerne zur vollständigen Behebung des durch ihren Betrug entstandenen Schadens und zur Einhaltung von Recht und Gesetz gezwungen werden“, so Jürgen Resch„Jegliche Kaufanreize ausgerechnet für Diesel-Fahrzeuge, wie vom bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer am Wochenende gefordert, lehnen wir ab, da selbst die saubersten Euro 6 Diesel-Pkw deutlich höhere NOx-Emissionen haben als Euro 6 Benzin-Pkw."

Weder das Bundesverkehrs- noch das Bundesumweltministerium waren bisher zu Arbeitsgesprächen mit der DUH bereit. Umwelt- und Verbraucherverbände sind auch für die Teilnahme am Nationalen Diesel-Forum trotz aller Bemühungen bisher nicht eingeladen. So bleibt der DUH nur der Weg über die Öffentlichkeit, ihr mit Experten entwickeltes „Acht-Punkte-Sofortprogramm für saubere Luft“ als neue Verhandlungsgrundlage für den Dieselgipfel am Mittwoch, 2.8.2017 zu präsentieren, mit denen sowohl die Luftqualitätswerte ab dem 1.1.2018 eingehalten als auch die die Mobilität der Menschen sichergestellt werden kann.

Die notwendigen Maßnahmen des „Acht-Punkte-Sofortprogramm für saubere Luft“:

1. Verbindliche Zusage der Autokonzerne, ab 1.1.2018 nur noch Diesel-Neuwagen zu verkaufen, die den Euro 6-Grenzwert für NOx von 80 mg/km auf der Straße einhalten (gemäß RDE-Abgasmessung und dies bei Temperaturen bis minus 15 Grad Celsius).
2. Verstärkung des Angebots sauberer und effizienter Antriebstechnologien bei Neufahrzeugen noch im Jahr 2018 (Erdgas-, effiziente Benzin-Hybrid- und Elektroantriebe).
3. Verpflichtender Rückruf sämtlicher Euro 5 + 6 Diesel-Fahrzeuge zur Hardware-Nachbesserung der Abgasreinigungsanlage und Einhaltung des Euro 6-Grenzwerts für NOx von 80 mg/km auf der Straße (gemäß RDE-Abgasmessung).
4. Nachrüstprogramm für alle Euro 5/V + 6/VI leichte Nutzfahrzeuge (Liefer- und Handwerkerfahrzeuge) auf aktuelle Euro 6/VI SCR-Technologie.
5. Sonderinfrastrukturprogramm für einen „Sauberen ÖPNV“: Verpflichtung und Ertüchtigung der Kommunen, dass bis spätestens 1.7.2018 alle ÖPNV-Busse entweder über SCR-Katalysator und Partikelfilter verfügen und die Euro 6 Abgaswerte einhalten oder durch Neufahrzeuge mit Erdgas- oder Elektroantrieb ersetzt werden. Ausbau des Angebots an Nachverkehrsleistungen wie Streckenausweitung, Taktverdichtung und Ausdehnung der Betriebszeiten.
6. Einführung der Sammelklage ins deutsche Recht, um dem Verbraucher verbesserte Rechte gegenüber betrügerischen Unternehmen zu geben.
7. Transparenzzusage der Industrie: Verpflichtung zur Veröffentlichung der RDE-Messwerte aller Fahrzeugmodelle für CO2 und NOx (für den Temperaturbereich minus 15 Grad Celsius bis plus 35 Grad Celsius) und des fahrzeugspezifischen Temperaturbereichs mit von der Software gesteuerter, ordnungsgemäßer Abgasreinigung.
8. Transparenz der Behörden: Offenlegung aller CO2- und emissionsbezogener Daten durch das Kraftfahrt-Bundesamt: Die Automobilindustrie stimmt der Veröffentlichung aller für die Nachprüfung von CO2- und Abgaswerten notwendigen Fahrzeugdaten sowie der gefundenen illegalen sowie der für "legal" erklärten Abschalteinrichtungen ausdrücklich zu.

Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in dem Stuttgarter Verfahren und 15 anderen Auseinandersetzungen zur Einhaltung der NO2-Grenzwerte vertritt, bewertet die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart wie folgt: „Das Stuttgarter Urteil war ein letzter Weckruf für Politik und Industrie. Alle, die denken, es sei eine Einzelentscheidung eines besonders kritischen Gerichts, werden sich täuschen: Die Entscheidung liegt vielmehr ganz auf der Linie der seit zehn Jahren gefestigten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat sich daran orientiert und in tatsächlicher Hinsicht nur die Gutachten der Landesregierung ausgewertet. Das durch die Umweltverbände einklagbare Recht auf saubere Luft wird sich, da bin ich sicher, daher auch in einer höheren Instanz durchsetzen. Bei massiven Gesundheitsschäden bis hin zu den 10.600 jährlichen vorzeitigen Todesfällen in Deutschland aufgrund von Stickstoffdioxid sollte die Politik früher zur Vernunft kommen und die seit vielen Jahren ausstehenden Maßnahmen schnellstmöglich verabschieden.“

Hier die komplette Pressemitteilung mit zusätzlicher Information zum Richterspruch:

http://www.duh.de/pressemitteilung/nach-stuttgarter-richterspruch-zu-diesel-fahrverboten-deutsche-umwelthilfe-fordert-umsetzung-eines/

 

 

 

 

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