Rede von Peter Dübbers bei der 351. Montagsdemo am 19.12.2016 auf dem Kleinen Schlossplatz, Stuttgart
Zum 60. Todestags des berühmten Architekten des Stuttgarter Hauptbahnhofs Paul Bonatz
Liebe Freundinnen und Freunde unseres Kopfbahnhofs!
Als Enkel von Paul Bonatz möchte ich heute in Erinnerung rufen, dass am 20. Dezember 1956 – also morgen vor 60 Jahren – der Schöpfer unseres Kopfbahnhofs 14 Tage nach seinem 79. Geburtstag und 4 Wochen nach Aufsuchen des Stuttgarter Marienhospitals dort gestorben ist.
Es wurde ein ganz besonderes Weihnachten für unsere Rest-Familie: Großmutter, Mutter und 3 Kinder – als jüngster war ich kurz vorher 18 Jahre alt geworden – ein trauriges natürlich, aber auch ein irgendwie erhebendes Weihnachten. Am Vormittag des 24. Dezember – am Heiligen Abend also – fand die Beerdigung auf dem winterlich verschneiten Waldfriedhof statt. Nach einer ergreifenden Rede des 7 Jahre jüngeren Hochschulkollegen und Freundes von Paul Bonatz, Paul Schmitthenner, ging der lange Zug zum Grab, das in nächster Nähe vom Gefallenen-Ehrenmal liegt, das Bonatz dort 1922 geschaffen hatte. Der lichte Nebel wurde immer wieder von Sonnenstrahlen durchdrungen.
Zu Hause wurde uns erst ganz langsam klar, was wir zusammen mit einer großen Zahl von Freunden – weit über Stuttgart und Deutschland hinaus – verloren hatten. Auf seinem Arbeitstisch lagen noch druckfrisch die letzten Artikel der Stuttgarter Lokalzeitungen, über seinen Kampf gegen den „Planiedurchbruch“, mit Abriss des lediglich ausgebrannten Kronprinzenpalais` für das „autogerechte“ Verkehrskonzept der Stuttgarter Stadtplaner unter OB Arnulf Klett, und für den Erhalt des Neuen Schlosses durch Einbau des Landtags. Im Landtags-Wettbewerb ein Jahr zuvor hatte er nur den ersten Ankauf erhalten. Von dem Plenarsaal-Anbau, den er Richtung Akademiegarten an das Neue Schloss anfügen wollte, durfte ich als sein „Junior-Modellbauer“ damals noch ein schönes Innenraum-Modell bauen.
„Seinen“ Hauptbahnhof, der ihm in den Jahren zwischen den Weltkriegen so viel Ruhm und Ehre eingebracht hatte und der bald zum Wahrzeichen seiner Wahlheimat Stuttgart wurde, hat mir mein Großvater noch stolz gezeigt – nicht ohne auf die 289 Eichenpfähle hinzuweisen, auf denen der Turm fest und sicher stehe.
Und damit sind wir wieder – 60 Jahre später – mitten „im Hier und Heute“ angelangt. Genau so, wie sich Tunnelröhren im Anhydrit bei dem geringsten Wasserzutritt auch noch nach Jahren heben oder verschieben können, kann sich auch der Bahnhofsturm nach den Jahren mit Grundwassermanagement und auch viele Jahre später bewegen. Ich glaube zwar nicht, dass er im schlimmsten Fall einstürzen würde, aber schon das Ablösen vom übrigen Gebäude würde Sicherungsmaßnahmen erforderlich machen, die Mehrkosten verursachen würden – vergleichbar mit Tunnelsanierungen, wenn auch vielleicht ohne Chaos im Stuttgarter Bahnverkehr auszulösen.
Ihr versteht wohl, dass mein Engagement für den Bonatz-Bau bei dieser familiäre Bindung ungebrochen ist. Im Jahr 2016 war der UMSTIEG 21 das große Thema und wird es auch weiterhin bleiben. Aber es gibt daneben in der Planung der DB für den Umbau des alten Bahnhofsgebäudes noch einige andere Punkte, die vermieden werden sollten: Sei es der Abriss des Treppenaufgangs in der großen Schalterhalle, die weitgehende Öffnung des Bodens in der Kopfbahnsteighalle, oder die Hotel-Aufstockung über der Pfeilerhalle am Bahnhofsplatz.
Also heißt es, wachsam und OBEN BLEIBEN!
Wikipedia schreibt über Paul Bonatz:
Er zählt neben Paul Schmitthenner zu den Hauptvertretern der Stuttgarter Schule und – international gesehen – zu den bedeutendsten Architekten des Traditionalismus.
Peter Dübbers ist der Enkel von Paul Bonatz, er ist Dipl.-Ing. Freier Architekt i.R. und Mitglied in der Gruppe "Umstieg 21" des Aktionsbündnisses gegen S21. Dort hat er entscheidend zu den Plänen beigetragen, wie die bestehenden S21-Baugruben sinnvoll umgenutzt werden können, um aus Stuttgart 21 kostengünstig und verkehrstechnisch zukunftsorientiert aussteigen zu können.