Pressemitteilung des Aktionsbündnisses gegen S21 vom 3.1.2017
Norbert Barthle, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, zum Anhydritproblem bei S21
Erschreckend ahnungslos und ohne Verantwortungsbewusstsein
Einen Beleg mangelnder Kompetenz und fehlenden Verantwortungsbewusstseins im Umgang mit Stuttgart 21 sieht das Aktionsbündnis in der Antwort von Verkehrs-Staatssekretär Norbert Barthle (CDU) auf eine Kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel (Grüne) zum Thema Anhydrit in den geplanten S21 –Tunneln.
Bündnissprecher Eisenhart von Loeper nennt es eine „auch vom Bundesrechnungshof gerügte Pflichtverletzung“, wenn sich der Bund beim Projekt S 21 vor seiner Verantwortung „wegducke“, indem er S21 zu einem eigenwirtschaftlichen Projekt der Bahn umdeute, mit dem man eigentlich nichts zu tun habe. Angesichts der großen Risiken von Stuttgart 21 könne man es nicht mit dem Hinweis bewenden lassen, man vertraue der DB AG.
Es bestehe im Gegenteil ein „riesiges öffentliches Interesse“ an der Klärung der Frage, wie die von den Gutachtern des Bahn-Aufsichtsrats festgestellten „unüblich hohen Risiken des Anhydrit für die Betriebstauglichkeit des Projekts“ abgewendet werden sollen, wenn sie im gleichen Atemzug als „bautechnisch nicht beherrschbar“ beurteilt werden. Bündnissprecher und Anwalt von Loeper nennt es rechtlich und politisch untragbar, dass die Bundesregierung, unter anderem durch Verkehrs-Staatssekretär Michael Odenwald im Bahn-Aufsichtsrat vertreten, seit Monaten das von dort eingeholte Gutachten von KPMG/Basler kenne, sich aber Herr Barthle als Staatssekretärs-Kollege desselben Ministeriums unwissend gebe – ein krasser Verstoß gegen die grundgesetzliche „Gewährleistungsverantwortung“ des Bundes für die Funktionsfähigkeit der Bahn!
Wie in der Frage der Kostenträgerschaft, des Brandschutzes, zuletzt bei der unerlaubten Sonn-und Feiertagsarbeit, so auch beim Thema Anhydrit: keiner will die Verantwortung für das Projekt übernehmen, jeder schiebt sie anderen Beteiligten zu. „Leidtragende dieses Schwarze-Peter-Spiels wären auf Dauer die Wirtschaftsregion im Südwesten, etliche AnwohnerInnen, sowie Zigtausende Bahnreisende.“
Aus der Antwort auf die Anfrage von Matthias Gastel schlussfolgert Bündnissprechen von Loeper: „Prof. Wittke als Berater der Bahn kann auf kein Tunnelbauverfahren durch Anhydrit verweisen, das sich bereits in der Praxis bewährt habe. Sich ausgerechnet, wie Herr Barthle das tut, auf den Engelbergtunnel zu berufen, ist ein klassisches Eigentor.“ Dazu der Geologe und Anhydrit-Experte Dr. Jakob Sierig: „Trotz Bauweise im Widerstandsprinzip mit bis zu drei Meter dicker Betonplatte hat man dort aber die Quellungen des Anhydrit nicht in den Griff bekommen. Der Engelbergtunnel muss 2018 aufwändig wegen Anhydritquellungen saniert werden und ist somit ein prädestiniertes Beispiel dafür, dass Bauen im Anhydrit trotz moderner Erkenntnisse noch nicht sicher beherrschbar ist.“ Eine mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchtende viele Monate dauernde Sanierung auch nur eines der S21 Tunnel, etwa des Feuerbacher Tunnel nach Norden, würde mangels geeigneter Ausweichstrecken für die Region Stuttgart einem mittleren Verkehrsinfarkt gleichkommen.
Kleine Anfrage zum Anhydritproblem bei S21 von Matthias Gastel (MdB, Grüne) sowie Antworten von Norbert Barthle, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium (CDU) als PDF-Datei
Zum Thema Brandschutz und zum Thema Verkehrsbelastung in Stuttgart zwei Hinweise:
Ich finde es unglaublich mit welch unterschiedlichem Maß beim BER (Großflughafen Berlin) und bei Stuttgart 21 der jeweilige Brandschutz gehandhabt wird. Bei beiden Projekten geht es um große Menschenmassen, die im Brandfall evakuiert werden müssen. In Berlin hatte irgendein anonymer Prüfer den Mut im Mai oder Juni 2012 die Eröffnung des BER aufgrund von Brandschutzmängeln ein paar Wochen vorher zu stoppen. Seither laufen die Ertüchtigungsmaßnahmen und die fortlaufenden Verschiebungen der Eröffnungen. Zahlreiche Manager wurden dabei schon verschlissen, u.a. auch Herr Mehdorn. Bei Stuttgart 21 gäbe es jede Menge wichtiger Gründe die derzeitige Planung nur allein des Brandschutzes des Tiefbahnhofes zu stoppen und durch ein wirkliches sicheres Konzept zu ersetzen. Nichts dergleichen passiert. Lang lebe die Länderhoheit bei Bauplanungen! Auch beim Brandschutz!
Vor etwa 12 Jahren schrieb ich, als ich noch in Stuttgart wohnte, die Stadt Stuttgart an und wollte wissen ob es nicht Überlegungen gibt in Zukunft den ÖPNV in Stuttgart nach dem Vorbild von Curitíba (Großstadt in Brasilien wo es einen, auf Bus-Basis, sehr gut funktionierenden ÖPNV gibt) auszubauen. Damals grassierte bereits die Tunnelbaueritis, auch wenn sie „nur“ auf die Stadtbahnlinien beschränkt war.
Die Stadt antwortete mir, dass die Stadtbahnen wesentlich ökonomischer beim Betrieb seien als Busse, trotz ihres hohen Eigengewichts (ich glaube irgendwas mit 60 Tonnen bei einem Doppelzug).
Ich konnte mir das damals irgendwie nicht so richtig vorstellen, auch wenn ich mir vorstellen konnte, dass man die Technik der Rekuperation bei den Stadtbahnen einsetzt. Die großen Mengen an Energie, die für den Bau der Stadtbahn-Tunnel aufgebracht werden mussten und müssen, kamen mir viel zu groß vor, als dass diese jemals wieder eingespart werden konnten.
Ich denke dass die Stadt Stuttgart sehr viele Fliegen mit einer Klappe erledigen könnte, u.a. auch die Verbesserung der Lage der Einzelhändler, wenn sie den ÖPNV in Stuttgart kostenlos machen würde und dafür viele neue Busse anschaffen würde – die Straßen sind ja schon vorhanden. Dafür bräuchte man natürlich an den großen Einfallstraßen entsprechend große Park-und-Ride-Flächen oder -Parkhäuser mit entsprechenden Kosten. Aber die Vorteile (u.a. Verringerung des Lärms, der Abgase, des FEINSTAUBS!) würden dies sicherlich bald wieder wett machen.
Noch zu den Aussagen des Staatssekretärs bezüglich Engelbergtunnel: Dass ein Staatssekretär (quasi ein Ministervertreter) des VERKEHRSministeriums anscheinend so ahnungslos bezüglich der Probleme des Engelbergtunnels ist, ist für mich absolut unbegreiflich. Spätestens seit 2010 ist der Bau von Stuttgart 21 mal mehr mal weniger, bis gar nicht, in vollem Gange. Und dies ist eines der größten, wenn nicht DAS größte Verkehrsprojekt des Bundes derzeit. Und die Probleme, die dabei enstehen und entstehen können, sollte wohl jeder in solch verantwortlicher Position kennen. In den Ministerien sitzen vermutlich jede Menge Fachleute oder ist das doch ein völlig falsche Annahme!? Und dann gibt es noch den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages!
…..dem Ingenieur ist nix zu schwör…denke ich, es gehört zum ingenieurtechnischen Ehrgeiz gerade nicht erprobte Lösungen auszuführen. Daher ist es eine Herausforderung im Anhydrit mit entsprechenden Technikversuchen zu bauen.
Überdimensionale Tunnelquerschnitte mit tollkühnen Brückenbauwerken Innerhalb der Tunnelgebirge sind mit nicht abschätzbarem Aufwand durchaus möglich.
Weil das nach OB Kuhn „gut für die Stadt ist“,
für Kretschmann gut für das Land ist, wird das Experiment ohne Rücksicht auf Verluste weitergeführt. Dafür steht das EBA. Die austauschbaren Bahnvorstände (nicht blöd) hätten ihre monitäre Daseinsberechtigung nicht erfüllt, wenn sie dieser Sichtweise nicht folgen würden. Eine AG in Staatsbesitz, was besseres ist für einen Vorstand in der freien Marktwirtschaft nicht auffindbar.
Schließlich sind die Entdeckungsfahrten zum Mond auch mit Hilfe des anonymen Steuerzahlers erst möglich gewesen.
Der feine Unterschied?
Außer der Entdeckung waren keine funktionalen Vorgaben zu erfüllen, weshalb die unabsehbaren Kosten wie bei S21 nie verschleiert worden sind.