Presseerklärung von wikireal.org vom 13.11.2016
Stuttgart 21-Ausschuss des Gemeinderats:
Fehlt der Brandschutz oder die Leistungsfähigkeit?
Am Dienstag, den 15.11.2016, findet im Stuttgarter Rathaus die zweite Sondersitzung zum Bahnhofsprojekt zu den Themen Brandschutz und Kosten statt, nachdem am 26.10.2016 die Leistungsfähigkeit behandelt worden war. „Es geht ums Ganze: Der neue Bahnhof wird zu einer Todesfalle, wenn in ihm wie geplant mehr Züge fahren sollen, als heute schon im Kopfbahnhof!“ sagt Joris Schoeller, Vertrauensmann des 4. Bürgerbegehrens wegen des Leistungsrückbaus, dessen Vertreter und Argumente mit der Sondersitzung „gewürdigt“ werden sollten, wie es der Gemeinderat formuliert hatte.
"Es ist ein Armutszeugnis für die Bahn, dass sie nun die Reparatur einer untauglichen Reparatur ihres ursprünglichen Brandschutzkonzepts vorlegen muss. Auch wenn inzwischen einige wenige der Kritikpunkte aufgegriffen wurden, so bleibt dennoch der S21-Brandschutz insgesamt unzureichend", urteilt Dipl.-Ing. Hans Heydemann von den Ingenieuren22, Fachmann für Lüftungs- und Entrauchungsanlagen und ebenfalls Vertrauensmann. Er wird am Dienstag die Kritikpunkte zum Brandschutz vortragen.
Schon in den Simulationen der Bahn spielen sich im Brandfall dramatische Szenen ab: Die Menschen stehen bis zu sieben Minuten im Stau, mit deutlich mehr als vier Flüchtenden pro Quadratmeter. „Das ist eine Situation wie bei der Loveparade in Duisburg, mit der Folge von Toten und Verletzten“, so Heydemann.
„Hinzu kommt, dass die Bahn pro Bahnsteig mit maximal 4.000 Personen rechnet, aber für ein Verkehrsplus mit Zügen plant, die nach derselben sogenannten EBA-Formel 6.900 Personen für die Evakuierung vorgeben. Dann werden die Flüchtenden aber auch vom Rauch eingeholt“, schließt Heydemann und ergänzt: „Auch der Brandschutz in den Tunneln macht die Leistungsfähigkeit zunichte: Im Stresstest werden mehrere Züge gleichzeitig in einer Röhre des Fildertunnels angesetzt. Ein brennender Zug soll jedoch immer in den Bahnhof zurückrollen können. Dann kann aber immer nur ein Zug im Tunnel sein und die Bahnhofsleistung sinkt weit unter den heutigen Wert.“
„Es ist ein Unding, dass das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) die Frage, ob dem Tiefbahnhof die Leistungsfähigkeit oder der Brandschutz fehlt, erst zur Inbetriebnahme klären will“, kritisiert Dr. Christoph Engelhardt, Gründer des Faktencheck-Portals WikiReal.org und Mitinitatior des 4. BB, die Genehmigungsbehörde. Er hatte am 26.10. erläutert, dass der Tiefbahnhof, selbst nach Aussage der Bahn-Gutachter einen Kapazitätsrückbau darstellte – allein aufgrund der verringerten Größe, mit halb so viel Bahnsteig- und einem Drittel weniger Zulauf- und Bereitstellungsgleisen. Das steht nun den gegenteiligen Behauptungen der Projektumsetzer auf den Internet-Seiten der Stadt gegenüber.
Oberbürgermeister Fritz Kuhn hatte im Sommer die Entscheidungen zu den Bürgerbegehren vertagt unter der Maßgabe, dass in den Sondersitzungen "deutlich" werden sollte, "wo man steht und welche Fragestellungen" von wem "geklärt" werden müssten. Engelhardt: „Wenn Kuhn das ernst meint, dann muss hier der Klärungsprozess ohne »Maulkorb« fortgeführt werden. Wir begrüßen es daher sehr, dass die Fraktion SÖS-LINKE-PluS die Beantwortung der Kernfragen zum Brandschutz und der Leistung mit einem eigenen Antrag einfordert und die Vertreter von Bahn und EBA vorab informierte. Auf die Antworten sind wir gespannt. OB Kuhn, sorgen Sie dafür, dass endlich die offenen Fragen geklärt werden!“