Liebe Parkschützer,
ich spreche Euch heute so an, weil viele Wurzeln unserer Bewegung ja im Park liegen, bei den Bäumen. Wollten sich nicht viele von uns anketten, wenn es an die Bäume ginge? „Aufbäumen für 282 Parkbäume“ hatte ich vor 6 Jahren auf ein riesiges Banner geschrieben. Wie naiv waren wir eigentlich damals? Wir dachten, es ginge um Bäume. Dabei ging es um Landraub, um ein Immobilienprojekt, um Umverteilung von wahnsinnig viel Geld in private Taschen – wohl gemerkt : um öffentliches Geld, unsere erarbeiteten Steuergelder. Das war nichts Neues, das gehört zur Globalisierung. Aber wir haben es erst nach und nach gemerkt.
Damals, vor 6 Jahren, ging es uns noch um jeden einzelnen Baum. Der 30.9., die Parknacht, jeder Baum wurde verteidigt. Menschen ketteten sich an Bäume, sie saßen auf Bäumen, sie wurden wegen Widerstand gegen Vollzugsbeamte verurteilt. Nein, Anketten, das ist keine Ordnungswidrigkeit, das ist eine Straftat, die nicht zu gering bestraft wird. Auch das ist keine Stuttgarter Besonderheit, auch das gehört zur Globalisierung, dass Gerichte sich gern in den Dienst von Landraub und Durchsetzung von Investoreninteressenstellen.
Im Laufe von 6 Jahren haben wir viele Baumfällungen erlebt, in die Tausende geht es inzwischen in und um Stuttgart, den Rosensteinpark inbegriffen. Haben wir uns daran gewöhnt? Resigniert? Es braucht viel Kraft, sich für jeden einzelnen Baum aufzubäumen. Anfang Dezember 2015 wurde diese Kraft noch einmal aktiviert, als in Feuerbach am S-Bahnhof die wunderschöne alte Trauerweide gefällt werden sollte, um dort und nur dort einen Baukran aufzustellen. Keinen Meter rechts oder links.
Selbst die Feuerbacher Bezirksvorsteherin hatte sich im Namen der Feuerbacher Bevölkerung für den Erhalt der Trauerweide eingesetzt. Aber vergeblich. Die Trauerweide wurde am 3. Dezember 2015 gefällt. Zuvor wurde ein Baumschützer, der die Trauerweide besetzt hatte, von der Polizei aus dem Baum geholt. Kurze Zeit später war die Trauerweide nur noch Kleinholz. Einer der jungen Polizisten, die die Aktion bewachten, sagte zu mir: „Wenn ich Bäume sehen will, gehe ich in den Schwarzwald.“
Zwei Mitglieder der sehr aktiven „Feuerbacher Initiative für K21“ stellten eine Anzeige gegen die Bahn „wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung nach § 304 Strafgesetzbuch.“ Gehört haben sie seitdem nichts von juristischer Seite. Der Aktivist, der im Baum saß, wurde wegen Hausfriedensbruch angeklagt und im April 2016 zu 500 Euro Strafe verurteilt. Als die Trauerweide am Boden lag, fand ein Mitglied der Feuerbacher Initiative die Kraft, einige Zweige abzuschneiden und auf ihrem Balkon in Töpfe einzupflanzen. Diese Zweige sind inzwischen zu kleinen Bäumchen herangewachsen. Diese jungen Trauerweiden sollen an Baumschützer zurückgeben werden.
Ganz konkret: Hier auf der Bühne stehen sechs Töpfe mit kleinen Trauerweiden, die alle die DNA und Gene der großen Trauerweide von Feuerbach haben. Es wäre schön, wenn die Feuerbacher Trauerweide weiterleben könnte in ihrem Nach-Wuchs.
Wir möchten heute diese Töpfe abgeben, wobei natürlich die Voraussetzung ein entsprechender Garten ist, denn wir wissen, wie groß eine Trauerweide werden kann. Die Töpfen mit den Trauerweiden stehen am Ende der Demo hier an der Bühne. Die „Feuerbacher Initiative für K21“ hofft von Herzen, dass die jungen Trauerweiden eine Heimat finden. Die jungen Bäume sind zwar Erinnerung an das unsägliche, illegale Vorgehen der Bahn, aber sie sollen auch ein Beweis sein, dass wir nicht aufgeben. Wer eine Trauerweide mit nach Hause nehmen will – bitte kommt nach der Demo an die Bühne.
Zur Info: Gleich nach der Kundgebung kamen sechs Interessenten für die Bäumchen, so dass alle „Mini-Trauerweiden“ in gute Hände abgegeben werden konnten. Danke!Da die neuen Trauerweiden-Besitzer regelmäßig unsere Montagsdemos besuchen, werden wir sicher über das Wohlergehen der Bäume Auskunft bekommen.