Presseerklärung des Aktionsbündnisses gegen S21 vom 10.10.2016
Ein Umstieg würde 6,5 Milliarden Euro einsparen und die Verkehrskapazität erhöhen
Kritiker warnen Aufsichtsrat vor blindem Weiterbau
Als reines „Placebo-Gutachten“ muss – nach allem was bisher bekannt geworden ist - das vom Bahnvorstand beauftragte Kostengutachten der Unternehmensberatung KPMG gewertet werden. Offensichtlich solle der Aufsichtsrat „eingeseift“ werden, um ein längst unwirtschaftliches Projekt trotz alledem fortzuführen, so Dr. Eisenhart von Loeper, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 auf einer Pressekonferenz im Vorfeld der Sondersitzung des DB-Aufsichtsrates zu S 21.
Dort kritisierte auch der Berliner Wirtschaftsingenieur und Kenner der DB-Finanzen, Professor Christian Böttger, die mangelnde Transparenz bei einem immerhin „praktisch vollständig aus öffentlichen Mitteln finanzierten Projekt“. Deshalb sollte „sowohl der aktuelle Rechnungshofbericht zu Stuttgart 21 als auch der von der DB AG beauftragte KPMG-Bericht vollständig veröffentlicht werden“. Die steigenden Kosten von Stuttgart 21 erhöhten den finanziellen Druck auf die DB AG, die ohnehin „erhebliche Probleme hat, die anstehenden Investitionen zu finanzieren”. Zur Deckung der Projektinvestitionen greife die Bundesregierung auch auf EU-Mittel zurück, „die dringend für verkehrlich bedeutende Projekte benötigt werden. Dieser Verdrängungseffekt bei den Investitionen schadet der Eisenbahn in Deutschland“, so Böttger.
Mit seiner verkürzten Fragestellung und den systematisch ausgeblendeten, aber gravierenden Projektrisiken liefert das KPMG-Gutachten ein geschöntes Bild der Realität und kann die fundierten Einschätzungen des Bundesrechnungshofs (BRH) als der obersten Rechnungsprüfungsinstanz sowie weitere bahnunabhängige Kostengutachten nicht entkräften.
Laut BRH ist es haushaltsrechtlich verboten, ein nicht finanziertes Großprojekt zu fördern. „Damit ist der Aufsichtsrat umgekehrt in der Pflicht, den Ausstieg oder Umstieg von S 21 einzuleiten“, so Bündnissprecher und Rechtsanwalt von Loeper. Die unternehmerischen Entscheidungen der Deutschen Bahn hätten sich – einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zufolge – „ausschließlich am Unternehmenswohl“ zu orientieren und dabei seien „die Entscheidungsgrundlagen sorgfältig zu ermitteln“ (vgl. BGHZ 135, 244, 253 f.). Es seien „alle Maßnahmen zu unterlassen, die den Eintritt eines sicheren Vermögensschadens der Gesellschaft zur Folge haben“ (BGHSt 50, 343 f. wegen Untreue).
Der Trierer Verkehrswissenschaftler Professor Heiner Monheim verweist – jenseits der dramatischen Kostenentwicklung – auf die als „verheerend“ bezeichneten Folgen von S 21 für den Schienenverkehr bundesweit. Es könne nicht sein, „dass 15 Länderverkehrsminister zusehen, wie die deutsche Bahnzukunft in Stuttgart mit S 21 verspielt wird“. Monheim appelliert an den DB-Aufsichtsrat, „sich die kapazitätserweiternden Ideen und bereits weiter durchgearbeiteten Pläne des Konzepts 'Umstieg 21' gründlich anzusehen“. Die Planer des Umstiegskonzepts, die ja alle das lokale und regionale Netz in seinen Strukturen und Entwicklungen wie ihre Westentasche kennten, bewiesen eine „bemerkenswerte Kreativität“, indem sie die bisherigen Baufortschritte geschickt für eine gesamtverkehrlich intelligente Weiterentwicklung des Stuttgarter Hauptbahnhofes als intermodalen Knotens nutzten, so Monheim.
In diesem Zusammenhang hatte das Aktionsbündnis erneut das Verkehrsberatungsbüro Vieregg & Rössler beauftragt, die Kosten des Umstiegskonzepts mit den zu erwartenden Projektkosten bei einem Weiterbau zu vergleichen. In dem heute veröffentlichten Gutachten wird eine Kosteneinsparung von 6,5 Milliarden.Euro bei einem Ausstieg aus Stuttgart 21 und einer Umnutzung der bisherigen Baustellen ermittelt.