Rede von Dr. Eisenhart v. Loeper, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S21, auf der 334. Montagsdemo am 15.8.2016
Stuttgarter Netz AG im Prozess gegen EBA: kein Durchbruch, aber wichtiger Teilerfolg beim Verwaltungsgericht Stuttgart
Liebe Freunde,
wir, die Bürgerbewegung für den Umstieg 21, sind sorgsame Beobachter, nicht verantwortliche Kläger in dem Prozess, den die Stuttgarter Netz AG gegen das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) führt. Der Vorsitzende Richter leitete letzte Woche die Verhandlung mit 150 Teilnehmern zwar fair, aber es kam doch zu empörenden Mängeln:
1. Gerade sechs Wochen zuvor hatte der Eisenbahnsenat des Bundesverwaltungsgerichts gegen das EBA entschieden und eine Planfeststellung für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt, weil im Fall der Streckenstilllegung von Sulen ein Stilllegungsverfahren unterlassen wurde. Warum hat der Richter nur bedauert, dass die schriftlichen auswertbaren Gründe noch nicht vorlagen? Leider hat niemand – auch nicht der Klägervertreter, den ich darum bat – beantragt, die Verhandlung zu vertagen, um die höchstrichterlichen Urteilsgründe auszuwerten und auf dieser Basis vielleicht anders zu entscheiden.
2. Außerdem: Die Stuttgarter Netz AG will gerichtlich nur verhindern, dass die Deutsche Bahn das oberirdische Gleisvorfeld des Kopfbahnhofs abbauen darf, bevor das EBA hierfür ein Stilllegungsverfahren durchgeführt und der Netz AG die Übernahme von acht Gleisen ermöglicht hat. Das Verwaltungsgericht hat dem entgegengehalten: Der eisenbahnrechtliche Schutz vor Stilllegungen von Bahnhöfen und Strecken betreffe nicht konkrete Gleisanlagen, sondern die bloße Bahnverbindung zwischen zwei Orten. Das verzerrt die Realität: So wird die unterschiedliche betriebliche Qualität von Kopfbahnhof und S21 übergangen und der Schutzzweck des Gesetzes missachtet:
a) Wir sagen: Die Gesamtsituation im neuen Tiefbahnhof mit seiner Verkleinerung auf einen Durchgangshalt mit nur acht Gleisen mit allen unterirdischen Erschwernissen ist doch unvergleichbar gegenüber dem Kopfbahnhof. Bei S21 kommt hinzu, dass keine Züge mit Dieselloks einfahren dürfen und die Fahrzeuge mit dem sehr kostspieligen Signalsystem ETCS ausgerüstet sein müssen, über das die Wettbewerber der DB nicht verfügen.
b) Nach § 11 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) muss das EBA ein Stilllegungsverfahren anordnen, wenn die DB „die dauernde Einstellung des Betriebes einer Strecke, eines für die Betriebsabwicklung wichtigen Bahnhofs oder die mehr als geringfügige Verringerung der Kapazität einer Strecke beabsichtigt“. Statt inhaltlicher Erörterung waren vom Gericht Begriffs-Klaubereien zu hören. Dabei pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass sich S21 z.B. im Brand- und Behindertenschutz auf die Betriebsabwicklung des Bahnhofs und angesichts der Halbierung der Gleise stark kapazitätsmindernd auswirken muss.
c) Auch wurde gesetzwidrig versäumt, den anwesenden Aufsichtsräten zur Sachaufklärung wunschgemäß das Wort zu erteilen.
3. Aber der Prozess hat wichtige Teilerfolge erbracht: Erstens hat das Gericht die Klagebefugnis der Netz AG gegen den Widerstand der Bahn anerkannt, zweitens muss die DB AG für den Abbau des Gleisvorfeldes zumindest eine neue Planfeststellung beantragen und drittens ist das Urteil anfechtbar: Durch neue Tatsachenermittlung beim Gerichtshof in Mannheim, alternativ allein zu Rechtsfragen durch Sprungrevision direkt zum BVerwG. Darüber entscheidet die Netz AG, wenn das schriftliche Urteil vorliegt.
Fazit: Die Chancen für den Erhalt des Kopfbahnhofs stehen unverändert gut, aber die Mühlen der Justiz brauchen Zeit. Das Allgemeinwohl jedoch, für das wir stehen, braucht den Umstieg 21 jetzt.
Oben Bleiben!
So kann man sich natürlich die Realität schönreden. Aber mit irgend was muss man sich ja weiter motivieren.