Demonstrant in der Trauerweide
Bäume haben es in Stuttgart schwer. Nicht nur, dass sie von Autoabgasen, Feinstaub und harten Klimabedingungen im Kessel bedroht sind, sie werden auch als Störenfriede, Querulanten sowie überflüssige „Stadtmöblierung“ wahr genommen. Zumindest von Politikern, Verwaltung, Polizei und Justiz. Passend dazu der Kommentar eines Einsatzpolizisten bei der Fällung der Trauerweide in Feuerbach am 3. Dezember 2015: „Wenn ich Bäume sehen will, gehe ich in den Schwarzwald.“ (O-Ton!)
Da tut es gut, wenn es Menschen gibt, die sich schützend vor oder in Bäume setzen, um sie so vor der Fällung zu bewahren oder die Aufmerksamkeit auf ein unrechtmäßiges Vorgehen zu richten. Denn dass die Fällung der Feuerbacher Trauerweide am Feuerbacher S-Bhf. am 3.12.2015 unrechtmäßig war, dieser Meinung sind viele Feuerbacher Bürger, unterstützt von der „Feuerbacher Initiative zur Rettung der Trauerweide“.
Als am 3.12.2015 in der Frühe die Baumfällmaschinen anrückten, um die Trauerweide auf der geplanten S21-Baueinrichtungsfläche zu roden, waren die Baumschützer schon vor Ort. Und mit Eintreffen der Polizei wurde von Vertretern der Initiative Strafanzeige gegen Deutsche Bahn AG wegen „gemeinschädlicher Sachbeschädigung und anderer Dinge nach § 304 StGB“ gestellt. Gegen das Eisenbahnbundesamt (EBA) wurde am 13.01.2016 Anzeige erstattet. (Lt. Auskunft der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 7.6.2016 ist das Ermittlungsverfahren noch bei der StA anhängig.)
Eine 18-seitige Begründung wurde eingereicht, in der detailliert aufgeführt wird, warum die Trauerweide nicht hätte gefällt werden dürfen.
Es geht darum, dass die DB AG meint, auf einer planfestgestellten Fläche nach eigenem Belieben verfügen und Bäume fällen zu können; was nicht dem geltenden Recht entspricht. Die Umweltverbände wurden im Fall der Trauerweide nicht gehört. Hätte die DB AG ihrer Verantwortung und dem geltenden Recht entsprochen, so hätte objektiv geprüft werden müssen, ob die geplante Aufstellung eines Baukranes auch an anderer Stelle hätte erfolgen können, z.B. auf der anderen Seite der Schienen an der Siemensstraße. Dieser Alternativstandort wurde nicht in Erwägung gezogen. Ein Alibi-Vor-Ort-Prüftermin hatte die Aufstellung des Kranes an genau der Stelle der Trauerweide ergeben, keinen Zentimeter woanders.
So ein Strafantrag hat keine aufschiebende Wirkung, was bedeutet, dass erst einmal der Baum gefällt wird, dann „schaun wa mal, ob´s rechtens war.“ Aber ein Baum ist kein Ding, das man nach Belieben ab- und aufbauen kann. Tot ist tot. Wenn sich eines Tages in dem zu erwartenden Prozess herausstellt, dass die Fällung illegal war – wovon die Initiative nach Prüfung der Planungsunterlagen und ihrer vielfältigen Recherche ausgeht -, gibt es ein Problem. Dann wären alle Handlungen der Polizei im Rahmen der Demonstration am 3.12.2015 auf illegaler Voraussetzung geschehen. Bericht in der StZ/Nordrundschau
Dass es sich bei der Ansammlung empörter Menschen an jenem Dienstagvormittag am Fuße der Trauerweide um eine Versammlung handelte, haben Polizei und Ordnungsbehörde anerkannt. Um ihrem Protest gegen die ihrer Meinung nach illegale Fällung der Trauerweide Nachdruck zu geben, stellten sich zwei Demonstranten an den Baum und einer – Karl B. - kletterte in die Krone und verlas von oben mehrfach eine Protesterklärung. All dies wurde von zahlreichen Baumschützern auf dem Bahnhofsvorplatz mit Plakaten, Flyern und Gesprächen begleitet.
Der Baumschützer Karl B. wurde nach zwei Stunden vom Sondereinsatzkommando (SEK) der Polizei aus dem Baum geholt - worüber er einen Kostenbescheid erhielt – und sein „Vergehen“ zudem mit einem Bußgeldbescheid des Stuttgarter Ordnungsamtes beantwortet. Wortlaut: „Sie haben sich nicht unverzüglich am 3.12.2015 um 8:03 aus einer öffentlichen Versammlung anlässlich der Rodung der Trauerweide im Bereich des Bahnhofes Feuerbach entfernt, obwohl die Polizei alle Versammlungsteilnehmer aufgefordert hatte, den Bahnhofsvorplatz zu verlassen. § 15 Abs. 3, § 29 Abs. 1 Nr. 2 Versammlungsgesetz.“
In einen Baum zu klettern, ist a priori in Baden-Württemberg erlaubt. Auch innerhalb einer Demonstration. Nach Zuweisung eines alternativen Versammlungsplatzes hat sich allerdings kaum ein Demonstrationsteilnehmer dorthin begeben, sondern blieb weiterhin auf dem Bahnhofsvorplatz stehen, der Baumschützer verblieb in der Trauerweide. Die Polizei nahm das Verbleiben der Demonstranten auf dem Platz hin, da sie mit einer vollständigen Absperrung den vielen morgendlichen Pendlern, die an ihre Feuerbacher Arbeitsplätze strebten, einen nicht zumutbaren Umweg ersparen wollte. Nur der Baumschützer soll nun ein Bußgeld wegen Nicht-Verlassen der Versammlung zahlen. Ca. dreißig weitere Demonstranten, die sich auch nicht vom Platz fortbewegten, wurden nicht belangt.
B. hat gegen den Bußgeldbescheid Widerspruch eingelegt. Er sah und sieht sich im Recht, dass er nicht hätte den Baum verlassen müssen, da der Baum nicht hätte gefällt werden dürfen. Zumindest hätte man den Prozess abwarten müssen, ob die Fällung rechtens war. So wird auch hier nach dem Muster verfahren: Erst mal verurteilen, dann "schaun wa mal, ob die Grundlage überhaupt gegeben war.“
Das Ordnungsamt besteht also – unabhängig von dem Ausgang des noch anhängigen Verfahrens – auf seiner Forderung und Staatsanwaltschaft und Richter sahen keinen Grund, das Verfahren einzustellen, denn „… wo kämen wir hin …“
Und so wird sich am kommenden Montag, 13. Juni, ab 14:30 das Amtsgericht an die Arbeit machen und sich mit dem Fall "Mann in der Trauerweide“ befassen. Ziemlich viel Aufwand, aber man hat ja sonst nichts zu tun.
Jedoch könnte dieses juristische Bemühen auch als Steilvorlage angesehen werden, denn so kommt die Trauerweide wieder in den Fokus, so wird man wieder einmal über Recht und Unrecht von S21 nachdenken dürfen, so ist es eine gute Gelegenheit für die Presse, die Bürger über das „dubiose“ Verhalten von DB AG und EBA und der Unterstützung von Polizei, Ordnungsamt und Justiz zu informieren. Und es ergibt sich die Möglichkeit, anhand dieses Beispiels das Versammlungsrecht im Zusammenhang mit Bau-Recht bzw. Bau-Unrecht zu betrachten.
Deshalb wird Karl B. eine Stunde vor seinem Prozess am Montag am Stuttgarter Rathaus (um 13:30 Uhr) vorstellig werden und OB Kuhn (Vertreter der Stadt Stuttgart, der die Baustellenfläche in Feuerbach gehört) sowie dem zuständigen Ordnungsbürgermeister Schairer eine Erklärung übergeben, die er zunächst vor dem Rathaus verlesen will. Er wird in seiner Aktion von Feuerbacher Bürgern, von der Initiative zur Rettung der Trauerweide, von Freunden und Mitstreitern unterstützt; auch Pressevertreter werden anwesend sein.
B. würde sich über weitere Unterstützung von vielen Baum- bzw. Naturfreunden freuen und eine Begleitung im Gerichtssaal wünschen. Er schreibt dazu: „Ich gehe vor der Verhandlung zum Rathaus, weil da die Verursacher dieser Bußgeldbescheide sitzen, obwohl sie scheinheilig die Bürgerbeteiligung ganz hoch ansetzen. Deshalb auch die Erklärung an OB Kuhn und seinen Ausführenden Schairer.“
Nach der Übergabe der Erklärung im Rathaus wird die Gruppe zum Amtsgericht gehen, um dem Prozess gegen Karl B. beizuwohnen.
Termine zur Info:
Montag, 13.06.2016, 13:30 Stuttgarter Rathaus (Übergabe einer Erklärung); 14:30 Amtsgericht, Raum 305, 3. OG (Prozess wegen Ordnungswidrigkeit in der Trauerweide).
(Text und Foto: Petra B.)
Kurz nach der Verhandlung war in der Cams21 twitterlist die Meldung , dass Karl zu 100€ und Gerichtskosten verurteilt wurde. Sowass von… Störung der Ordnung von politisch Gewolltem….
! Karl stört !
! Politisch !
Glückwunsch Karl
Jetzt ist gerichtsfest, dass deine politische Bedeutung größer ist als die der gesamten FDP. Die ist höchstens noch lästig
Gibt es auch nur ein einziges Beispiel bei irgend einem Amtsgericht in diesem Land, in dem das Amtgericht dem Antrag der Verwaltung nicht entsprochen hat, und wenn es nur durch Einstellung des Verfahrens mit einer am Fall vorbei gehenden Begründung geschah, um in einem völlig klar liegenden Fall die Staatskasse zu schonen? Hier wird nicht eine Nadel im Heuhaufen versteckt sein. Nicht eine.
Richter und Staatsanwälte dürfen daher ungestraft schädigen. Und sie tun das mit Regelmässigkeit, wenn es dem Schutz des eigenem Nestes dient. Die Gleichheit vor dem Gesetz, wie sie die Verfasser des GG nach der Erfahrung mit der braunen Pest so nicht gemeint hatten. Es hat sich daher nur eines geändert: was damals mittels Rechtssprechung brachial geschah, das geschieht heute mental.
Wir finden keine Gerechtigkeit in diesem Land, nur Urteile. Deswegen kommt das Wort Gerechtigkeit in allen Gesetzestexten nach meiner Kenntnis nicht ein einziges mal vor.
Und noch als Anmerkung: die ZPO, nach der abgeurteilt wird und die bei einstweiligen Verfügungen zum Beispiel gegen den Gebühren“servivce“ genutzt wird, hat keine Legitimation durch das GG. Und genau das entspricht dem Zustand dieser Rechtsprechung, den wir heute haben. Es ist alles genau so und viel schlimmer, wie es der ehemalige Richter Frank Fahsel in einem Leserbrief in der SZ und andere es sehen.
Rechtsbeugung als Straftatbestand ist nach StGB ist für diese Berufskaste ein leerer Paragraph und nur für Rechtsstaatsgläubigen.
Es lebt die alte Tradition in diesem Land. Und wer da nicht mit macht in der Staatsanwaltschaft oder bei den Richtern, und sei es nur aus Versehen, der wird in die Führerscheinabteilung versetzt. Stuttgart Staatsanwaltschaft 1984. Und danach weiss jeder, wie er zu ticken hat. Deswegen reiht sich dieses Urteil in alle anderen ein und entspricht der herrschenden Gemeinheit.