Rede von Michael Becker, Kernen 21, auf der 320. Montagsdemo am 2.5.2016
Albaufstieg, Fildertunnel und Tiefbahnhof, der Kopfbahnhofverein Kernen 21 besichtigt alle drei Baustellen
Liebe Freunde,
sich in die Höhle des Maulwurfs zu begeben und uns aus erster Hand von Max Maulwurf persönlich seine Baustellen zeigen zu lassen war die Absicht, als wir Führungen am Albaufstieg, Fildertunnel und Baufeld gebucht haben. Die erste Führung war am Albaufstieg, leider kam Max nicht selber, sondern hat uns einen Stellvertreter geschickt, einen pensionierten Betonpumpenverkäufer, über den die Waiblinger Kreiszeitung schreibt: „Er ist der Typ perfekter Reiseleiter, braun gebrannt, drahtig, Frohnatur und eloquent. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wie er eine lustige Reisegruppe auf Mallorca durch das Tramuntanagebirge führt, ausgiebig und reich an Anekdoten historische Orte erklärt.“
Damit wir uns seinen Namen besser merken können, nennen wir ihn einfach Moritz. Die Geschichten von Wilhelm Busch hatten ja auch etwas Märchenhaftes. Beeindruckend, wie österreichische und polnische Firmen mit bayerischen Tübbingen die Schnellbahnstrecke Stuttgart-Ulm graben. Schade nur, dass sie kaum schneller sein wird als die alte Strecke, und wenn DB Netze aus den Bau- und Unterhaltskosten mal die Streckengebühren berechnet, wird unsereins doch eher zu Fuß in die Münsterstadt laufen. Wenigstens wird für diese Strecke keine bestehende Infrastruktur zerstört, was ja sonst bei dem Projekt Standard ist.
Unsere zweite Führung hatte den Fildertunnel zum Ziel. In freudiger Erwartung begeben wir uns zum Schalter im Turmforum, dem Ausgangspunkt der Führung. Doch statt von dort in den Bus zu steigen, nimmt uns wieder Moritz (Max Maulwurf ist im Stress, schaufelt er dem Plan doch heftig hinterher) in Empfang und schiebt uns durch ein 4-stufiges Gehirnwäscheprogramm, einen Rundgang durch alle Etagen des Turmforums. Dabei dreht er mächtig auf: „der neue Bahnhof kann 60 Züge die Stunde abfertigen“, „von der Königsstraße kommt man ebenerdig in den Tiefbahnhof“ und zu guter Letzt: „für S21 mussten nur 16 Bäume weichen“. Für Parkschützer, die mit Polizeigewalt aus dem Park getrieben worden sind, ist das kaum zu ertragen. Einige von uns wollen die Führung abbrechen.
Wir steigen dann aber doch alle in den Bus Richtung Fildertunnel. Dort angekommen ziehen wir uns um, Sicherheitsstiefel, Warnweste und Helm, fahren eine Schleife von 500 Metern, geben die Schutzkleidung wieder ab und fahren runter zum Hauptbahnhof, ohne auch nur einen Fuß auf die Baustelle gesetzt zu haben, Enttäuschung pur.
Der Grund, SUSE hat Muffe, von der quellfähigen Gipskeuperschicht zerquetscht zu werden und hat sich zurückgezogen, die Drecksarbeit unter dem Fernsehturm darf Max jetzt von Hand schaufeln. Selbstverständlich beteuert Moritz, dass Max die Sache voll im Griff hat und keine Gefahr für den Tunnel und den darüber liegenden Fernsehturm besteht.
Vor unserer dritten Führung auf der Schlossgartenbrache fordern wir vom Turmforum, dass Max uns einen anderen Vertreter schicken soll, am besten einen Bauingenieur, der uns die Baustelle fachlich kompetent erklären kann, und dass wir die Führung ohne vorherigen Rundgang durch den Märchenturm wollen. Am Tag der Besichtigung, wer kommt mit erfrorenem Lächeln auf uns zu? Richtig, Moritz zum dritten Mal. Statt animierter Märchenstunde laufen wir mit ihm einmal um die Baustelle, bis der Bus parat steht.
Diesmal ist Moritz sichtlich irritiert, denn wir haben zwei Redakteure der Waiblinger Kreiszeitung dabei. Der Gedanke, seine Aussagen mal in gedruckter Form schwarz auf weiß mit seinem Namen verknüpft zu lesen, bremst seine Fantasie spürbar aus. Er lässt sich korrigieren, rudert zurück, nur manchmal geht sein Marktschreier-Gen mit ihm durch, z.B. wenn er behauptet, die hohe Gleisneigung mache den Bahnhof sicherer als den Kölner Hbf, weil die Lokführer dadurch mehr aufpassen müssten. Dass S21 zehn Milliarden kosten wird, gibt er unumwunden zu.
Er zeigt uns das Baufeld 16, wo laut Zeitungsberichten schon im Dezember 2015 das zwanzigste Teilstück der Bodenplatte hätte gegossen werden sollen. Doch Fehlanzeige, bisher nur Arbeiten am Kanal und den Stützpfeilern. Moritz meint, das hätte die Presse halt falsch dargestellt. Dann besichtigen wir den Achtel Kelchstützenversuch, dort probiert man noch an der Betonsorte herum, einige Gussversuche haben Haarrisse bekommen, die man schnell übertüncht hat.
Auf der Baulogistikstraße fahren wir hoch zum Zwischenangriff Nord. Dabei fällt uns auf, dass das Parkhaus über der S-Bahn-Linie noch nicht abgerissen ist. Geht auch nicht, da die S-Bahn im Grundwasser liegt und ohne Gegendruck aufschwimmen würde. Hier muss der Tunnel erst aufwändig mit Schwerbeton gesichert werden, bevor das Baufeld freigegraben werden kann. Viel Staub um nichts, das ist das Motto des Zwischenangriffs, umständliches Verladen des Aushubes mit Staub und Lärmbelästigung für die Anwohner.
Am Bahnhof angekommen haben wir erst mal genug von Max und Moritz und den Dauerbaustellen, denn eines ist uns klar geworden: Es warten noch viele Risiken auf das Projekt, die Arbeiten hinken dem Zeitplan weit hinterher und im Turmforum wird gelogen, das sich die Eichenbalken biegen.
Freuen wir uns auf den Tag, wenn Oberbürgermeister Hannes Rockenbauch im Bahnhofsturm die Ausstellung für gescheiterte Großprojekte eröffnet und S21 in einer dunklen Ecke eine kleine Vitrine bekommt.
Oben Bleiben!