Von Elsbeth Sureau
Viele Grüße aus Notre Dame des Landes an die Montagsdemo!
Vorgestern fand dort mit 50- bis 60 000 Menschen die bisher größte Demonstration gegen den geplanten Großflughafen statt. Auf dem 5-km-Marsch auf der Autobahn trommelten die Demonstranten im Rhythmus auf die Leitplanken. Grußadressen aus Frankreich, Belgien, Türkei, Triest, Frankfurt und Stuttgart wurden vorgelesen. Wir erhielten gestern ein herzliches Dankeschön dafür!
Ab 27. März soll das Gelände für den sogenannten „Flughafen zum Fernen Westen“ geräumt werden!!! Wir möchten Ihnen am 18.3. um 20 Uhr im Welthaus einen kleinen Film über die ZAD (siehe unten) zeigen.
Der geplante Bau 30 km nördlich von Nantes ist - genau wie Stuttgart 21 - unnötig, zerstörerisch und teuer.
Wir haben vieles gemeinsam:
1. Der bestehende Flughafen von Nantes kann leicht optimiert werden. 1965 war der neue Flughafen gedacht für den Überschallgeschwindigkeits-Flieger Concorde; eine doppelte Fehlplanung. Dennoch gab die Regierung zur Jahrtausendwende grünes Licht, und sofort formierte sich auch der Widerstand neu.
2. Umweltzerstörung: Die Bau-Freigabe des Flughafens als CO2-Schleuder - gleich nach dem Klima- und Umweltgipfel in Paris - ist ein harter Schlag gegen jede Umweltpolitik, und sie zerschneidet für die Bewohner die ländliche Sozial- und Infrastruktur und schädigt eine lebenswerte Zukunft. Das Baugelände, genannt ZAD, würde unwiederbringlich zubetoniert: 1650 ha Land – das sind 2300 Fußballfelder -, eine einzigartige Feuchtzone mit ihrer Biodiversität sowie gutes Ackerland. Der Gemeinschaft der ZAD von alteingesessenen und Jung-Bauern und ihren Experimenten würde der Boden entzogen.
3. Die endgültige Planfeststellung steht noch aus. Trotzdem wurde dem Eilantrag der Baufirma VINCI zum Baubeginn stattgegeben - die VINCI-Aktien schnellten in wenigen Stunden in die Höhe, zur Freude der Betreiber in den Banken und Börsen.
Auch im Widerstand gibt es Gemeinsamkeiten:
4. Wie bei uns ist der Umwelt- und basisdemokratische Widerstand erstarkt. Ähnlich den Parkschützern haben sich zuerst die betroffenen Dörfer untereinander zusammengeschlossen, und seit 2004 mit 50 Bewegungen, Vereinen, Initiativen und Gewerkschaften.
5. Wie bei uns spielt die Kultur eine wichtige Rolle, v.a. Musik, und dazu Tanz und Essen.
6. Wie bei uns gibt es Gruppen hervorragender Fachleute: Piloten, Architekten, Wirtschaftsexperten, Biologen (und Bewahrer der Artenvielfalt), Juristen (für die Einsprüche bis hin zur EU), etc. Die Versorger sind dort die Bauern und Müller der ZAD.
7. Für die Gegner wird immer klarer, dass der eigentliche Zweck dieser unnützen aufgezwungenen Großprojekte ist, aus unseren Steuergeldern solide Profite zu schlagen. Eine entschiedene Bewegung gegen diese Herrschaft des Profits und für eine lebenswerte demokratische Gesellschaft und gesunde Umwelt passt den Regierenden nicht! Aber sie ist schon längst nicht mehr totzuschweigen.
8. Wie bei uns ging der Staatsapparat gewalttätig vor: im Oktober 2012 wurden den jungen Besetzern der ZAD die Häuser zerstört, es gelang aber nicht, sie zu vertreiben. Es gab umgehend Protestaktionen in 200 französischen Städten. Auf der ZAD wurden im Schutz einer Großdemonstration neue Häuser errichtet.
9. Danach hatten sie auch eine Schlichtung. Da waren sie bereits von uns gewarnt. Das Konzept die Bewegung einzuwickeln misslang und die Pläne zur Optimierung des bestehenden Flughafens wurden vorgetragen - aber anschließend wieder – illegal - aus dem Protokoll gestrichen. Denn auch dort hat der Widerstand nicht in der Hand, was die Verwaltung, große Medien und Politiker machen - Verschleierung und Diffamierung, Beharren auf den verbreiteten Lügen. (Ein Beispiel: Obwohl - auf Betreiben der Piloten - die Flüge über der Stadt Nantes wieder abgestellt wurden, benutzen die Betreiber hartnäckig das Argument der Fluglärmbelästigung.) Und das Neueste:
10. Präsident Hollande hat vor 10 Tagen vorgeschlagen, eine Volksabstimmung zu machen - „so wie in Stuttgart“ hat er gesagt, also von oben, ohne uns (Ein Schelm, wer Böses dabei denkt). Ein perfides Spaltungsmanöver. Unsere Freunde in Frankreich haben umgehend unsere Infos, v.a. den „Tunnelblick“ übersetzt und studiert und gehen in die Offensive.
Aber manche Dinge sind dort auch anders. Z. B.:
1. Sie haben auf dem Lande andere Mittel: z.B. Schafe vor dem Rathaus, gemeinsames Traktorfahren im Schneckentempo auf der Autobahn, etc.
2. Die basisdemokratische Strömung hat ihre offensiven Strukturen erhalten können: Alle wichtigen Entscheidungen der Koordination, Information u. Aktion werden vorausschauend auf großen offenen Vollversammlungen gemeinsam getroffen. Gestern gab es mit über 200 Leuten eine Auswertung und die nächste Aktion wurde für den 26. März am Tag vor der ZAD-Freigabe festgelegt.
3. Sie arbeiten ständig an der Vernetzung. Es gibt 50 Gruppen gegenseitiger Unterstützung in ganz Frankreich, von Brest bis Nizza. 2014 stellten 20 Bewegungen einen gemeinsamen Katalog von demokratischen Forderungen an die Regierung vor.
International arbeiten sie auch im Forennetzwerk gegen aufgezwungene unnütze Großprojekte mit.
Das 6. Forum findet vom 15.-17. Juli in Bayonne im Baskenland statt.
Und
4. steht das Projekt bis heute nur auf dem Papier, und das bleibt hoffentlich so.
Baustopp für Stuttgart 21, und: kein Flughafen in NDDL!
Unser Widerstand ist eng miteinander verflochten.
Schreibt Protestbriefe an die französische Botschaft!
Die Franzosen sagen und singen: Wir lassen nicht locker! On lâche rien! Oben bleiben!
Elsbeth Sureau, Arbeitskreis Stuttgart 21 ist überall
Wir treffen uns an den geraden Dienstagen um 18.30 Uhr im Parkschützerbüro. Unser Blog: https://stuttgart21ueberall.wordpress.com/
On Lache Rien (Wir lassen nicht locker, wir geben nicht auf!) – hier in der musikalischen Fassung der Band HK et les saltimbanks von 2011
– da versteht man, was Elsbeth wohl mit Tanz gemeint hat: https://www.youtube.com/watch?v=gE6jAegQzmI…naja, außer dem Typ am Ende vielleicht
PS: Der Sänger trägt auf seinem Hoodie das Logo der Abbe Pierre Fondation. Mit dem Gründer lohnt es sich zu beschäftigen, als Einstieg hier https://de.wikipedia.org/wiki/Abb%C3%A9_Pierre
Wer es noch immer nicht kapiert hat, die Profitgier des Kapitalismus (des Neoliberalismus) ist zerstörerisch, brutal und gewalttätig. Dabei unterscheidet er nicht zwischen der eigenen Bevölkerung und anderen/fremden Ländern – gegen beide führt er Krieg (im Ausland militärisch und im Inland mit der ganzen Staatsgewalt – Polizei, Propaganda, Diffamierung, etc., etc.)
Wenn Ihr wissen wollt, wie die Leute dort tanzen: Für das zweite Juli-Wochenende ist in Notre Dame des Landes wieder das große Sommerfestival vorgesehen. Das organisieren sie auch gemeinsam.