In einer eindrucksvollen Rede auf der 307. Montagsdemo stellte Pfarrer Eberhard Dietrich die vermutlich illegale Fällung der Trauerweide in Feuerbach dar. Es ging darin nicht nur um die Unrechtmäßigkeit der Handlung, es ging vor allem auch um den Umgang von Bahn AG, Eisenbahnbundesamt und der Stadt Stuttgart mit den Bürgern (wieder einmal), mit Naturschutz und Einsatz von polizeilichen Druckmitteln.
Letzteres betrifft diejenigen DemonstrantInnen, die mit ihrem Körper die Trauerweide am 4. Dezember 2015 geschützt haben, die auf oder unter dem Baum saßen und so zeigten, dass hier staatliches, aber vor allem ökologisches Unrecht geschieht. Die Polizei war - in ihrem Auftrag, staatliches Recht zu schützen und durchzusetzen und ohne Interesse daran, ob der Auftrag der Baumfällfirma auf rechtlicher Basis steht – mit 60 Beamten gekommen, um die 25 DemonstrantInnen in ihre Schranken zu weisen. Vermummte SEK-Beamte holten den Baumschützer von der Trauerweide, zwei weitere wurden weggetragen bzw. -geführt.
Die drei DemonstrantInnen, die sich auf und an den Baum begeben hatten und ca. einen Meter weit in das Baugelände „eingedrungen“ waren (das Baugelände war frei zugänglich), erhielten wenig später die Mitteilung über ein gegen sie laufendes Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedensbruch.
In einem offenen Brief wandten sie sich an das Polizeipräsidium Stuttgart, Abt. Staatsschutz und an das Amt für öffentliche Ordnung, um die politische Relevanz ihres Vergehens öffentlich zu machen und sich gegen jegliche Kriminalisierung ihres Aktes des zivilen Widerstands zu verwahren.
Wir werden auf BAA über den Fortgang des Ermittlungsverfahrens berichten. Hier ist der offene Brief:
"Betrifft: Ermittlungsverfahren gegen uns
Sehr geehrte/r Frau/Herr Hodek,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Martin Schairer,
mit Ihrem Schreiben vom 22.12.2015 geben Sie uns Gelegenheit, zu der gegen uns ausgesprochenen Beschuldigung Stellung zu nehmen. Wegen einer Protestaktion für den Erhalt der Trauerweide am Bahnhof Feuerbach läuft gegen uns ein Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedensbruch/Verstoß Versammlungsgesetz. Wir protestieren entschieden gegen diese Maßnahme.
Es wundert uns, dass Sie bei Ihren Ermittlungen bisher nicht darauf gestoßen sind, dass die Beschuldigungen gegen uns unbegründet und haltlos sind. Es ist nicht nur uns bekannt, dass sich niemand in seinen/ihren Rechten verletzt fühlte. Laut uns gegenüber geäußerter schriftlicher Aussage von S 21-Projektsprecher Hamann, hat die DB-AG keine Anzeige erstattet und hat dies unseres Wissens auch nicht vor zu tun. Die Tatsache, dass keinerlei Anzeigen vorliegen, bestätigte auch der Pressesprecher der Polizei, Herr Keilbach, auf Anfrage von uns.
Gegen uns den Vorwurf des Hausfriedensbruchs zu konstruieren, ist Ihr politisch und rechtlich dummer Versuch, von der eigenen Verantwortlichkeit abzulenken. Die Bevölkerung weiß sehr genau, dass die Trauerweide hätte erhalten werden können und nicht ohne Weiteres hätte gefällt werden dürfen. Der Beschuldigung des Hausfriedensbruchs steht eine Anzeige von Mitgliedern der BI Trauerweide Feuerbach gegen die DB-Projekt AG wegen der unrechtmäßigen und unnötigen Fällung dieses stadtbildprägenden Baumes gegenüber. Offensichtlich hat es das Amt für öffentliche Ordnung und das Polizeipräsidium Stuttgart wieder einmal versäumt, sich von der Bahn die rechtlichen Voraussetzungen für die Fällung von Bäumen (einklagbar!) nachweisen zu lassen.
Sie agieren in Kumpanei mit einer Interessengruppe, die bereits am 30.9.2010 gegen ein eindeutiges Verbot einer Bundesbehörde wertvolle Bäume vernichten ließ. Es ist, als ob sich stadtbekannte Gauner von Ihnen den Weg in die Bank absichern lassen können, weil sie den Besitz eines Schließfachs im Hause behaupten. Und es zeigte sich einmal mehr, dass Sie friedliche Menschen an der Wahrnehmung von Grundrechten hindern, obwohl diese polizeilichen Maßnahmen von den Gerichten später als rechtswidrig beurteilt werden, wie zuletzt Ihr Einsatz im Schlossgarten am 30.9.2010. Dass die Versammlungsfreiheit auch über dem Hausrecht eines Eigentümers im öffentlichen Raum steht, können Sie im Fraport-Urteil des Bundesverfassungsgerichts nachlesen.
Hier wird nicht die von der Politik immer wieder proklamierte Streit- und Beteiligungskultur der Bürgerinnen und Bürger gefördert, sondern das kritische Denken und Handeln kriminalisiert. Die Bürgerinnen und Bürger sollen eingeschüchtert und zum braven Abnicken erzogen werden. Bei der Durchsetzung der wirtschaftlichen und politischen Ziele stören der mündige Bürger und die mündige Bürgerin nur.
Wir fordern daher eine sofortige Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen uns. Die Verschwendung von Arbeitszeit und finanziellen Mitteln wäre sinnvoller in einem Ermittlungsverfahren gegen die DB-AG eingesetzt, in dem es z.B. darum geht, bewusste Falschaussagen und falsche Darstellungen zu untersuchen, die gemacht wurden, um Entscheidungsträger und die Bürgerschaft in Bezug auf das Prestigeobjekt S 21 zu Gunsten der DB-AG zu täuschen und zu manipulieren. Wir denken hierbei besonders an die sogenannte Volksbefragung. Solche Machenschaften sind vorsätzlicher Betrug und müssen juristisch und politisch geahndet werden.
Da Ihr Vorgehen, ein Ermittlungsverfahren gegen uns eingeleitet zu haben, von öffentlichem Interesse ist, fordern wir Sie auf, die sofortige Einstellung nach dem "Weihnachtsfrieden" öffentlich bekannt zu geben.
Herzlichen Dank im Voraus,
die Unterzeichneten."