Rede von Martin Poguntke, TheologInnen gegen Stuttgart 21, auf der 294. Montagsdemo am 26.10.2015
S21-Zuschüsse des Regionalparlaments
Liebe Freundinnen und Freunde unseres wunderbar funktionierenden Kopfbahnhofs!
Alle wissen es – auch die Betreiber: Das Projekt S21 ist in jeder Hinsicht sinnlos, schädlich und gefährlich. Dennoch bezahlt die Region Stuttgart dafür laut Finanzierungsvertrag sage und schreibe 100 Millionen Euro. Angeblich, weil der öffentliche Personennahverkehr der Region durch S21 verbessert wird.
Aber das glauben sie doch selber nicht, diese S21-Befürworter. Sie wissen doch ganz genau, dass das Gegenteil der Fall ist: S21 würde – wenn es denn fertig werden würde – den S-Bahnverkehr viel eher beeinträchtigen als verbessern. Die Region zahlt also 100 Millionen nicht nur für keine(!) Leistung, sondern für eine Verschlechterung.
Und als ob das nicht schlimm genug wäre, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, hat sie vor einigen Monaten beschlossen, noch mehr zu bezahlen, zu den 100 Millionen noch einmal 20 Millionen dazu!
Und warum? Angeblich, weil der Filderbahnhof nun deutlich verbessert werde. Ja sind die noch ganz knusper? Zusätzliches Geld dafür bezahlen, dass der Filderbahnhof nun – mit dem geplanten
dritten Gleis – den Bahnverkehr ein bisschen weniger verschlechtert(!) als die bisherige Planung!
Wir haben vom Aktionsbündnis gegen S21 einen Brief an alle Regionalräte geschrieben, mit der Bitte, uns zu erklären, warum eigentlich der Verband Region Stuttgart S21 nun mit weiteren 20 Millionen mitbezahlt.
Geantwortet hat natürlich fast niemand. Aber einer davon war der Waiblinger Oberbürgermeister Andreas Hesky von den Freien Wählern. Immerhin: Er hat geantwortet. Aber was er da geschrieben hat, entbehrt jeder Vernunft:
Der Hauptvorteil von S21 sei, dass die S-Bahn-Stammstrecke durch Regio-Expresszüge entlastet und pünktlicher werde. Das ist doppelter Unsinn:
- Erstens könnte man diese neuen Regio-Expresszüge schon heute – auch ohne S21 – einführen. Aber man hat‘s bislang nicht getan, weil gar kein richtiger Bedarf dafür besteht.
- Zweitens würden diese zusätzlichen Züge auf vielen Strecken die Gleise mit den S-Bahnen teilen. Die S-Bahnen müssten dann in den Lücken dazwischen fahren. Das würde die S-Bahnen nicht pünktlicher machen, sondern noch verspätungsanfälliger.
Ein zweites Argument hat er genannt, das er gar nicht hätte schreiben dürfen: „Wir wollen das Projekt S21 mit dieser zusätzlichen Finanzierung ‚voranbringen‘“.
- Die Region darf aber – wie die Stadt Stuttgart und wie das Land Baden-Württemberg – an Schienenprojekten nur solche klar benannten Teile mitfinanzieren, die zu ihren gesetzlichen Aufgaben gehören.
Alles andere – alle pauschale Mitfinanzierung, um ein Projekt „voranzubringen“ – wäre die grundgesetzlich verbotene „Misch-Finanzierung“. Das ist die Sache, wegen der unsere Juristen sich gerade durch die gerichtlichen Instanzen kämpfen, um das für S21 endlich klipp und klar klären zu lassen: Mischfinanzierung von Bahnprojekten ist verboten – auch für die Region Stuttgart. Und auch für OB Hesky und die sogenannten Freien Wähler.
120 Millionen für eine Verschlechterung des S-Bahnverkehrs! Und woher kommt das ganze Geld? Aus den Kreisen und Gemeinden. Alle Gemeinden in den vier Landkreisen rund um Stuttgart – und natürlich ein gutes Viertel davon die Stadt Stuttgart selbst – müssen von 2010 bis 2019 zehn Jahre lang jedes Jahr für Stuttgart 21 einen festen zweckgebundenen zusätzlichen Betrag als Erhöhung der sogenannten „Kreisumlage“ bezahlen, der dann an die Region weitergeleitet wird.
Z.B. muss allein die Stadt Esslingen laut Finanzierungsvertrag 3.585.910 Euro bezahlen, und das zehn Jahre lang jedes Jahr – und ab jetzt noch eine dreiviertel Million mehr für diese zusätzlichen 20 Millionen. Das sind allein für die Stadt Esslingen zusammen 4,3 Millionen.
Diese Region nimmt ihre Gemeinden zu Geiseln zur Finanzierung eines gefährlichen und untauglichen Murks-projekts. Die Gemeinden können deshalb ihre Kindergärten und Schulen schlechter ausstatten. Das ist auch ein sozialer Skandal.
Und Sie und wir alle arbeiten seit Jahren auf allen Ebenen hart daran, diesen Skandal endlich zu beenden. Und wir werden nicht Ruhe geben, bis es soweit ist!
Am 4. November trifft sich wieder der sogenannte „Lenkungskreis“, den man eher einen „Schenkungskreis“ nennen könnte. Denn die Projektpartner, die eigentlich die Bahn kontrollieren sollten, schenken ihr dort erstens Geld und zweitens ein unglaubliches rechtsstaatswidriges unkontrolliertes Vertrauen.
Teil dieses sogenannten „Lenkungskreises“ ist auch die Region. Deshalb fordern wir von ihr: Hört auf mit der Unterstützung von S21! Das Projekt ist gescheitert. Jede weitere Fortsetzung geschieht wider besseres Wissen und zum Schaden der Steuerzahler, der Umwelt und der Region Stuttgart.
Deshalb: Oben bleiben!
Projekt gescheitert ?!
Leider sieht das sonst niemand so, schon blöd.