Dr. Eisenhart von Loeper, Rechtsanwalt und Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S21, auf der Kundgebung zum 5. Jahrestag des Schwarzen Donnerstags am 30.9.2015
Fünf Jahre S21 – Rechtsbrüche: Verlangen nach Entschwärzung und Umkehr
Liebe Anwesende, Freundinnen und Freunde,
Schwarzer Donnerstag, das ist die schmerzlich erlebte Arroganz der Macht am Abgrund gewalttätig strafbarer Staatsgewalt. Es war empörend kriminell und verfassungswidrig, die Menschen im gewaltfreien Widerstand gegen S21 gefährlich brutal körperlich zu verletzen.
Unsere Bürgerbewegung hat sich dennoch nicht zerschlagen lassen. Gratulation. Bei uns zählt stetiger mutiger Einsatz, lernfähig mit langem Atem; in der Mahnwache, in all den kreativen Gruppen, in sinnvollen Aktionen gegen S21. Wie gut, dass es Euch gibt.
Von damals zum Heute können wir den Bogen spannen: Wir zielen auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung durch fundierte Informationen, auf Kontrolle gegen alle Übergriffe und Rechtsbrüche der Staatsgewalt, bis hin zur Umkehr bei S21. Wir zeigen deshalb heute Flagge und ziehen Bilanz. Das tue ich für das Aktionsbündnis gegen S21 und als dessen juristischer Arm:
(1) Denn der „Käs“ S21 und seine Rechtsbrüche sind nicht gegessen. Aufarbeitung von allem Murks ist angesagt, den uns die Machtbesessenen seit Mappus, Pofalla und Co. in Bund und Land bieten. Und weil Angela Merkel bei dem großen Flüchtlingsstrom eine moralische Position ergriffen hat, sagen wir ihr: Gut so, wenn Milliarden Steuergelder verstärkt eingesetzt werden für die Grundbedürfnisse von Menschen in Not, für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, dann muss aber Schluss sein mit hohen Milliardenausgaben für Großprojekte, die den Bahnhof drastisch verkleinern, Leib und Leben der Menschen beim Brandschutz und bei sechsfach überhöhter Gleisneigung gefährden. Leider können die Bahnreisenden, auch nicht der Gutachter Andersen, dagegen klagen, wie das Eisenbahn-Bundesamt fälschlich den Eindruck erweckte, aber das bleibt ein KO-Kriterium für S21 auch beim nicht planfestgestellten Filderabschnitt.
(2) Schluss mit S21 auch deshalb, weil die reichen Länder die ärmeren nicht aussaugen dürfen – das verlangt das Grundgesetz, denn es verbietet die Mischfinanzierung zu Gunsten der Reichen. Weil die Bahn eine bundeseigene staatliche Aufgabe wahrnimmt, muss sie die Ausgaben dafür bestreiten und darf ein als unwirtschaftlich erkanntes Projekt nicht wiederbeleben mit den Milliarden eines reichen Landes. Das hat der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim in seinem Urteil vom April grundsätzlich anerkannt, aber zugleich gemeint, der Städtebau der Stadt lasse S21 zu. Das liegt schief, denn städtebauliche Folgeentscheidungen zu S21 auf dem Gleisvorfeld sind stets nachgelagert und scharf zu unterscheiden vom Inhalt des Bahnprojekts. Auch hat der VGH der Stadt einen frei erfundenen, also illegalen Beurteilungsspielraum für Zuschüsse von über 500 Millionen Euro eingeräumt. Mit der Revision beim Bundesverwaltungsgericht haben wir sehr gut begründete Chancen, feststellen zu lassen, dass die S21-Verträge null und nichtig sind. Das jedenfalls wird die Umkehr unerlässlich machen, zumal es auch den Milliarden Kostenanteil des Landes betrifft. Jeder Weiterbau von S21 verschleißt jetzt sinnlos Milliarden Euro, die anderswo fehlen.
(3) Die größte Zäsur nach dem Schwarzen Donnerstag ist für mich das Geständnis, der „Offenbarungseid“ der Bahn-Vorstände Grube und Kefer vom 12. Dez. 2012. Hiernach überschreitet S21 bereits mit 2,3 Milliarden Euro die vertragliche Kostenobergrenze und ist unwirtschaftlich. S21 ist seither rechtlich und finanziell gescheitert, weil die insgesamt gültige Basis fehlt. Das Projekt mit mutmaßlich zweistelliger Milliarden Euro-Ausgabe fortzuführen, heißt Stadt und Land skandalös zur Geisel der Bahn zu machen.
(4) Die Deutsche Bahn hat 1,1 Mrd. Euro als selbst verschuldet eingestanden, drei Jahre zuvor 891 Millionen Euro „schön-gerechnet“ und so den Baubeginn von S21 manipulativ herbeigeschwindelt. Der Vergleich ist angebracht: Manipulierte Abgaswerte beim VW-Konzern lösen jetzt gewaltige Schadensfolgen und strafrechtliche Verfahren aus. Auch hier haben problematische Verflechtungen der Bundesregierung mit der Autoindustrie den Betrügereien den Nährboden bereitet. Bei S21 steckt die Bundesregierung noch tiefer in der Tinte, weil hier die betrügerische Manipulation dem Bahn-Vorstand und seinem Aufsichtsrat, somit über die Staatssekretäre auch der Bundesregierung bekannt war. Das ist hoch brisant und entlarvt die sogenannte Volksabstimmung als Teil dieses Betrugs.
(5) Mehr noch: Obwohl das Projekt unwirtschaftlich geworden war, nötigte die Bundesregierung 2013 den Bahn-Aufsichtsrat mit aller Macht zum Weiterbau von S21. Und da lehnt es der Berliner Generalstaatsanwalt ab, strafrechtlich gegen die Bahn-Verantwortlichen wegen Untreue zu ermitteln, als hätten die Täter nicht gewusst, was sie tun. CDU-Justizsenator Heilmann nannte das „vertretbar“.
(6) Wir haben daraufhin die Freigabe und Entschwärzung amtlicher Vermerke des Kanzleramts verlangt und eingeklagt, um den Rechtsbruch der Bundesregierung sichtbar zu machen. Es gelang uns, Vermerke für Pofalla und Merkel weiter zu entschwärzen:
a) Und zwar mit den Mitarbeitervermerken des Kanzleramts zu S21, „die BKin hat sich explizit dazu bekannt“, es müsse sich erweisen, „inwieweit in Deutschland weiterhin große Infrastrukturvorhaben umgesetzt werden können“ und es müsse das „eindeutige Votum der Volksabstimmung“ berücksichtigt werden. Alles dies ist blanker Unsinn, denn Gesetzeskraft hat weder ein Bekenntnis von Angela Merkel noch die unsinnige pure Größe des Projekts noch gar eine betrügerische Volksabstimmung.
b) Das Kanzleramt gesteht auch ein, dass sich die drei Staatssekretäre im Bahn-Aufsichtsrat bemühten, den möglichen Projektabbruch wegen der gewaltigen Kostensteigerung und deren Folgen durch externe Gutachter untersuchen zu lassen und dass die Bahnberechnung von zwei Milliarden Ausstiegskosten „nicht belastbar“ sei. Es wird sogar die massive Einflussnahme der Politik-Prominenz auf die Weiterbau-Entscheidung des Aufsichtsrats zu S21 als „im wesentlichen zutreffend“ anerkannt. Nur ziert sich das Kanzleramt einzugestehen, dass diese Einflussnahme unzulässig war.
(7) Wir haben ein erdrückendes Beweismaterial in Händen, dass Ermittlungen gegen die Bahn-Verantwortlichen wegen Untreue jetzt unaufschiebbar sind. Staatsanwälte und ihr Justizsenator dürfen nicht zur Strafvereitelungsbehörde werden, weil es politisch opportun ist. Durch eine gezielte Kampagne ist jetzt klar zu machen:
a) Bahnvorstand und Staatssekretäre im Bahn-Aufsichtsrat haben drei Jahre lang in Milliardenhöhe Kosten vertuscht und verschleiert, sind also in der Sache tief verstrickt.
b) Wer die Ausstiegskosten der Bahn für „nicht belastbar“ erklärt und auf den Ausstieg gedrängt, davon aber sofort absieht, weil Merkel, Pofalla und andere sie massiv „auf Linie“ bringen, kann nicht als unschuldig gelten. Wird der Sinneswandel des Tatopfers derart eindringlich herbeigeführt, ist es auch nach der Rechtsprechung „nicht vertretbar“ zu behaupten, die Täter hätten nicht gewusst, was sie tun.
c) Schließlich wissen wir von der Bundeskanzlerin, von Pofalla und Kauder, dass sie mit machtpolitischen Abweichlern rigide umgehen. Pofallas ausfällige Vorgehensweise gegen den Abweichler MdB Bosbach, er könne dessen „Fresse“ nicht mehr sehen, sagt alles. Die Staatssekretäre haben sich also der Kanzlerin im Bahn-Aufsichtsrat gebeugt, um ihre berufliche Position nicht zu gefährden. Ermittlungen jetzt noch zu unterlassen, ist untragbar.
Aus diesen und anderen Gründen ist das durch vielfache Manipulationen und Rechtsbrüche geschaffene Großprojekt S21 ein unerträglicher Ballast für die Grundbedürfnisse der Menschen und für den Rechtsstaat. Tragen wir bei, unsere Welt um diese Last zu erleichtern.
Oben Bleiben!