Groß ist die Anteilnahme an der Verhaftung des S21-Gegners Ernest Petek, der am Samstag, 30. Mai, eine einwöchige Erzwingungshaft in der JVA Stammheim antreten musste. Bei einer Solidaritätsblockade am vergangenen Dienstag wurde ein starkes Zeichen des Protests gegen diese Maßnahme gesetzt. Wir übernehmen einen Bericht über die Blockade im Nordbahnhof-Viertel und Hintergrundinformationen aus den Beobachter-News.
Stuttgart. Der S21-Gegner Ernest Petek wurde am Samstag, 30. Mai, verhaftet. Er befindet sich bis zum nächsten Samstag, 6. Juni, in Erzwingungshaft in der JVA (Justizvollzugsanstalt) Stammheim. Er hatte sich geweigert, eine Ordnungsstrafe für vier Blockadeaktionen zu bezahlen. Am Dienstagmorgen, 2. Juni, gab es vor der Martinskirche im Stuttgarter Nordbahnhofviertel eine Soli-Blockade an der Ecke Eckart- und Otto-Umfrid-Straße. An ihr beteiligten sich rund 40 Aktivist(inn)en. Die Polizei räumte die Blockade nicht, sondern leitete die Baustellenfahrzeuge um.
Über die Verhaftung informierten die Parkschützer-Blockadegruppe und die SeniorInnen gegen S21. Sie zeigen sich über die Aktion der Behörden auch deshalb empört, weil das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart in einem der Fälle, für die Ernest Petek verurteilt wurde, das Vorgehen der Polizei für rechtswidrig erklärt hat.
VG: Blockade fiel unter den Schutz des Versammlungsrechts
Die Blockadeaktionen ereigneten sich in den Jahren 2012 und 2013 morgens am Kurt-Georg-Kiesinger-Platz vor der S21-Baustellenzufahrt. In dem Fall, über den das VG Stuttgart nachträglich entschieden hat, handelte es sich nach Auffassung des Gerichts um eine Blockadeaktion, die unter den Schutz des Versammlungsrechts fiel und nicht um eine reine Verhinderungsblockade, wie die Polizei zunächst befunden hatte.
Bei dieser Entscheidung berief sich das VG Stuttgart auf sein früheres und bereits rechtskräftiges Urteil vom 12. Juni 2014 zu einer vergleichbaren Blockadeaktion. Im Februar 2015 wurde die Rechtswidrigkeit auch vom Polizeipräsidium Stuttgart anerkannt.
Richterin: Urteil und Vollstreckung sind zwei paar Sschuhe
Doch die dazugehörigen Verfahren vor dem Amtsgericht Stuttgart waren bereits formal abgeschlossen. Zudem entfaltete das Urteil des VG Stuttgart nur für den einen konkreten Fall eine Bindungswirkung. Für die drei anderen Fälle, obwohl gleichgelagert, hätte man vor dem VG erneut klagen müssen, um Recht zu bekommen.
Ein Antrag des Rechtsanwalts Leyrer, den Beschluss zur Erzwingungshaft zu revidieren, da Ernest Petek unschuldig sei, wurde am 7. Mai 2015 von Richterin Ingrid Petermann vom Amtsgericht (AG) Stuttgart verworfen. Ihre Begründung: Schuldspruch und Vollstreckungsverfahren seien zwei verschiedene Paar Schuhe.
Wer erst nachträglich Recht bekommt, hat Pech gehabt
Zudem sei für sie nicht zu erkennen, dass Ernest Petek nicht zahlen könne – so Richterin Petermann weiter. Die vorgelegten Akten/Beweismittel wurden vom AG Stuttgart nicht in die Betrachtung aufgenommen und rechtlich gewürdigt.
Dazu erklärt Susanne Bödecker von der Blockadegruppe der Parkschützer: „Das AG Stuttgart verurteilt unseren Mitstreiter Ernest Petek, weil es die Versammlung verkennt. Das kompetentere VG Stuttgart erklärt die polizeilichen Maßnahmen für rechtswidrig, aber das interessiert niemanden mehr. Wer nachträglich Recht bekommt, hat Pech gehabt, ist den Repressionen der Justiz schutzlos ausgeliefert.”
Das Recht wird in den meisten Fällen missachtet
Und weiter: “Wenn es ihm auch gerade nichts nützt, so doch uns, und so lautet auch seine Botschaft: Nicht entmutigen lassen, unsere Überzeugungen weiter zeigen und leben, bis das Prinzip S21 gestoppt ist und das Recht auch verdient, Recht zu heißen. Denn es sind nicht nur unser Bahnhof, unsere Stadt, unser Geld, sondern es ist auch unser Recht, das momentan noch in den meisten Fällen und auf allen Ebenen, bis hin zur Generalstaatsanwaltschaft, zum Justizministerium und zum Ministerpräsidenten nur auf dem Papier steht und in der Realität missachtet, ignoriert oder sogar trotz Amtseid verleugnet wird.“
Die Solidaritätsblockade sei für den verhafteten Ernest Petek und alle Menschen gedacht, “die durch ihn den Mut bekommen, so lange ihre Überzeugung zu zeigen und zu leben, bis S21 gestoppt ist und das Recht auch verdient, Recht zu heißen”, so die Parkschützer.
Fotos von Jens Volle/Beobachternews von der Solidaritätsblockade am Dienstag,2. Juni 2015:
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