Der dritte Jahrestag der Parkräumung ist vorüber; es war kein Festtag, kein Feiertag. Es war ein Gedenktag unter dem Motto "Vielfalt statt Einfalt". Er wurde am Rande der umzäunten Brache begangen, unerwähnt in den folgenden Tagen von der örtlichen Presse, die lieber langatmige Artikel über Faschingsfreuden schreibt als über klagende und dennoch nicht verzweifelte Menschen. Sei´s drum. „Ihr werdet uns nicht los, …“, kann man auch hier wieder sagen. Und: Wir machen trotzdem weiter, auch wenn es den Park nicht mehr gibt; denn wir vergessen nicht.
Wie könnte man auch jene Nacht im Park vergessen, wo 1000 Parkschützer bei garstigem Wetter und gegenüber einer Übermacht an Polizei bis zum frühen Morgen ausgeharrt haben, um sich dann entkräftet aus dem Park zu entfernen oder von der Polizei abgeführt bzw. weggetragen zu werden. Jede und jeder, der in jener Nacht im Park war, hat eine Geschichte zu erzählen. Am vergangen Samstag hörten wir diejenige von Ernest P.; so oder ähnlich war es vielen ergangen.
Der Gedenktag war „offen“ organisiert worden, ohne ein festgelegtes Programm, und doch gab es Spielangebote wie Dosenwerfen auf „führende“ Köpfe der Park- und Bahnhofszerstörerszene, gab es freies Schreiben und Malen am 100 Meter langen Fließ-Bauzaun, dazu Musik von den Trommlern und Capella, Kaffee, gespendete Kuchen bei den Versorgern und beim BürgerInnenparlament. Und es gab eine berührende Bilderausstellung vom Park, als er noch schön und lebendig war. Als er noch Sauerstoff und Erholung spendete und für Tiere und Innenstadtbewohner eine Oase der Entspannung und der Ruhe sein durfte. Der lebende Park in seinen vielen Facetten, auf eindrucksvollen Großfotos dargestellt. Welch einen Schatz hatte Stuttgart doch! Und welch ein Elend, dass die Politik es nicht verhindert hat, sich diesen Schatz freiwillig und devot nehmen zu lassen.
Die Aussichtsplattform wurde nicht nur mit Bannern verhängt, sondern auch als Rednerbühne genutzt und so hörte man in loser, ungeplanter Reihenfolge Gedichte, Lieder und Berichte. (Einer davon, ein Rückblick auf den 14./15.2.2012, ist – siehe unten – auf BAA erschienen.) Das Wetter war grandios, schon deshalb machte es Spaß, sich wieder zu treffen, sich zu vernetzen, Freunde zu treffen, sich auszutauschen, zu diskutieren und zu erinnern. Der Dank gilt den Ideengebern zu diesem „Event“, denn es wurde ein würdiger Gedenktag, der so notwendig ist wie der zum 30.9. Durch die Präsenz vieler Parkliebhaber wurde wiederum gezeigt, dass niemals vergessen wird, was den Menschen und der Natur in jener Nacht angetan wurde.
Man erinnerte sich auch, dass nach der Parkräumung dann ab Mitte April 2012 die weggetragenen und personalienfestgestellten Besetzer Bußgeldbescheide bekommen hatten. Die Parkräumungsprozesse im Jahr 2013 wurden anschließend aufmerksam verfolgt. Die aufrechten Menschen, die sich in jener Nacht den Polizisten friedlich entgegengesetzt hatten, wurden in den Prozessen ausnahmslos zu Bußgeld verurteilt. Dass sich die Justiz nicht zu schade ist, angesichts dieser Schändung der Natur, der Rodung des historischen Schatzes dieser Stadt den Parkbeschützern auch noch Strafen aufzuerlegen, grenzt an Zynismus und Menschenverachtung. Es ist schamlos, Menschen, die eine schreckliche Nacht in einer Ausnahmesituation im Park verbracht haben, die ihren zivilen Ungehorsam demonstriert haben, die sich für ein Menschenrecht eingesetzt haben,… dass man diese Menschen auch noch bestraft. Das Mindeste wäre gewesen, die Verfahren einzustellen.
Das Angemessene wäre gewesen, diesen Menschen zu sagen: „Bürger und Bürgerinnen, wir beugen uns in Hochachtung vor euerm Engagement, wir sind stolz auf euch.“ Das hätte die Regierung sagen können. Aber auch eine schwäbisch-grüne Regierung ist zu solcher Größe nicht fähig, wie sollte sie auch. Die schwäbische Sparsamkeit – auch mit Lob - ist ja sprichwörtlich. Und von dieser Norm abzuweichen, wäre zwar bürgernah, doch ist eben Lob für bürgerschaftliches Engagement nur für bestimmte Tätigkeiten gedacht.
Dass im Anschluss an den 14.2.2012 auch in den Medien mit keinem Wort die Standhaftigkeit von 1000 Bürgern gewertschätzt wurde, war verwerflich, denn die Medien sind es, die das Bild der Bürger nach außen bringen sollten.
Wie die Justiz mit einem einfachen Parkverteidiger umgeht, zeigte am vergangenen Samstagnachmittag eine vorgetragene Rede von Jochen Sch., der selber nicht anwesend sein konnte, doch dessen Worte eindrucksvoll verlesen wurde. Er wurde aufgefordert, 100 Euro Bußgeld wegen Nicht-Befolgung der polizeilichen Anweisung in der Nacht zum 15.2. zu zahlen, was er verweigert. Nun soll er in Erzwingungshaft gehen.(Erzwingungshaft ist so ähnlich wie Daumenschraube im Mittelalter, nur physisch humaner. Durch Freiheitsberaubung soll der Bürger zur Einsicht kommen, die 100 Euro zu zahlen. Wenn er dann aus der Haft entlassen ist, muss er trotzdem das Bußgeld zahlen, man hofft, dass er es dann freiwillig tut.) Jochen Sch. stellte in seiner Rede dar, wie viele Ungereimtheiten es in jener Nacht vom 14. auf 15.2.2012 seitens der Politik und Polizeiführung gegeben hatte, wie ein Kompetenzdurcheinander die Räumung zu einem juristischen Fiasko gemacht hatte. Dies wurde in den Parkräumungsprozessen klar, hielt aber die RichterInnen nicht davon ab, Ungereimtheiten zu Fakten zu erklären. Es ging eben auch bei den Parkräumungsprozessen nicht um Aufklärung, sondern um Vertuschung von polizeilichem Einsatzwirrwarr und um Verurteilung und das Schließen von Akten zu Vorgängen, die ein juristisches und politisches Unwohlsein hervorriefen. Jochen Sch. jedenfalls stellte in seinem Papier dieses justizielle Gewurschtel dar, wofür ihm Dank gebührt.
Angemessen wäre gewesen, angesichts aller Irritationen, Unklarheiten und Kompetenzschiebereien die Verfahren einzustellen, da das öffentliche Interesse nicht so weit geht, nach dem Schreddern von 300 Bäumen auch noch einhundert Menschen für ihr „An-den-Bäumen-Hängen“ zu bestrafen. Ohne die Parkräumungsprozesse wäre allerdings auch hier wieder – wie beim 30.9. – politische und juristische Ungereimtheiten nicht zutage gekommen und die interessierte Öffentlichkeit hätte nicht ein weiteres Lehrstück von überforderter Justiz vor Augen geführt bekommen.
Die Sonne ging unter und es wurde kalt. Noch immer waren Menschen dabei, ihre Kommentare und Sprüche an den Fließzaun zu sprühen oder pinseln. Von 14 bis 18 Uhr waren die "Parkbesucher" (Sag mir, wo die Bäume sind ...) vor Ort gewesen, nun wurde die Verstärkeranlage abgebaut, wurden die Sprüche am Zaun ein letztes Mal angesehen und abfotografiert. Nochmals Dank an die Initiatoren dieses Gedenktages! Bis zum nächsten Jahr, am 14.2. Ihr werdet uns nicht los …
(Fotos und Text: Petra Brixel)
Hier gibts noch ein paar Bilder vom 14.02.:
http://gniluek.de/stuttgart21/2015/02/14/index.html
Vielen Dank Petra, für diesen Bericht. Genau so war die Stimmung am Samstag. Und es ist wichtig, diesen Tag nicht zu vergessen.