Rede von Martin Klumpp bei der 249. Montagsdemo

Rede von Martin Klumpp, Prälat i. R., auf der 249. Montagsdemo am 1.12.2014

BAHNHOF STUTTGART

Liebe Freundinnen und Freunde der Stadt Stuttgart,

Viele sagen: Es wird doch schon gebaut. Begreift es endlich! Ihr könnt jetzt nichts mehr machen!
Gerade deshalb sind wir hier. Neulich kam ich mit der Bahn in Stuttgart an, gehe den weiten Weg von hinten auf die große Bahnhofshalle zu und sehe nun erst recht, wie total verschandelt dieser amputierte Bau jetzt aussieht. Mein Blick fällt in die wüste Grube: Das alles ist noch schlimmer als ich jemals dachte.

Verwundert reibt man sich die Augen, wenn ein Prozess, bei dem der Rechtsstaat sträfliches Verhalten von Polizeibeamten juristisch aufarbeitet, sang- und klanglos plötzlich endet. Ich meine: Da wäre doch genaue Klärung angezeigt. Das ist gewiss besonders bitter für jene, die bleibend körperliche Schäden tragen. Menschlich angemessen wäre, wenn die Angeklagten oder ihre Chefs wenigstens auf jene zugehen würden, die so geschädigt wurden.

Als dieses Kaufhaus Milaneo eingeweiht wurde, las man in der Zeitung, niemand bekenne sich dazu, es gewollt zu haben, niemand wolle daran schuldig sein. War da wirklich niemand? Als ob in Stuttgart die allergrößten Häuser von alleine wüchsen.

Wo man so blind beim Planen ist, kann ich gut verstehen, dass bei Stuttgart 21 Manager, die etwas von sich halten, ganz schnell die Segel streichen.

Liebe Freundinnen und Freunde dieser Stadt, eine Geschichtsklitterung lassen wir nicht zu. Deshalb sagen wir es jede Woche, wer Stuttgart 21, wer diese Stadtverwüstung wollte.

Wir nennen auch beim Namen, warum sie es betrieben, und auch, mit welchen Mitteln sie es dann erzwangen. Diese Schande ist und bleibt ein Teil der neuesten Geschichte unserer Stadt, leider!

  • Wenn wir immer wieder lesen, welchen neuen Anwalt Herr Mappus jetzt beschäftigt, klingt das häufig so, als sei er ganz allein der Täter. Er allein. Die CDU blickt weg, als ob sie ihn schon nicht mehr kennen würde. Nein, er war genau so und er handelte genau so wie sie es wollte, wie es ihr und wie es auch der SPD gefiel. Das ist bis heute schwer begreiflich.
  • Warum wollten sie es trotzdem unbedingt, wo bald schon klar war, dass dieser Bahnhof für den Verkehr nichts Gutes bringt und für die ganze Stadt ein Schandfleck bleibt? Milliardenprojekte, die nur kosten und nichts bringen, mehren nicht den Wohlstand in der Stadt, sie füllen nur die Kassen Weniger bis zur nächsten Insolvenz, bei der dann wieder alle zahlen.
  • Was waren die Methoden? Sondergenehmigung auf Sondergenehmigung, genau an dem vorbei, was für alle Bürger gilt. Wo darf man mit dem Bau beginnen, wenn der Brandschutz völlig unklar ist? Wer wird belangt, wenn deutlich wird, dass man bewusst mit falschen Zahlen kalkuliert hat? Wie kann man hier beginnen, wenn noch nicht klar ist, wie's auf den Fildern weiter geht?

Die Bahn ist wie ein Chamäleon. Wenn es um Vorstandsbezüge geht, dann ist man vornehm Bahn AG. Wenn es um Pünktlichkeit, Sauberkeit und Service geht, dann ist man nur marode. Da war der frühere Staatsbetrieb um vieles besser. Wenn die Bahn - wie andere große Unternehmen - das, was sie hier verbaut, aus wohl verdientem Gewinn bezahlen müsste, dann wäre das Projekt sehr schnell gestorben. Ich kann mir kein großes Unternehmen vorstellen, das sein profiliertes Hauptbetriebsgebäude, das sogar als Wahrzeichen der ganzen Stadt gilt und damit auch der Werbung dient, so verschandelt wie die Bahn den Bahnhof Stuttgart.

Allein durch den Griff in die Steuerkasse kann man sich solchen Unsinn leisten. Alle Regeln von Markt und Wirtschaft scheinen, wenn es um die Bahn geht, abgeschafft.

Jetzt mache ich bewusst zwei Vorschläge, die im ersten Moment etwas utopisch klingen. Wer aber wirklich Fortschritt will, der muss auch das noch nicht Gedachte ernsthaft denken.

Wenn ich mir klar mache, wie viele Millionen und Milliarden hier unsinnig verbrannt werden, dann könnte man mit einem Teil der Summen, aber mit viel besserem Ergebnis mitten in der Stadt z. B. dort, wo jetzt der Karstadt steht, eine riesengroße wunderschöne Wohnanlage errichten und sie so subventionieren, dass auch ganz normale Leute und Familien sich dort die Miete leisten können. Das wäre eine neue Urbanität im 21. Jahrhundert: Neues Wohnen mitten in der Stadt. Zugegeben nicht besonders billig, aber besser.

Wenn ich noch einmal bedenke, wie viele Millionen und Milliarden hier unsinnig verbrannt werden, dann wäre es wahrlich ein gerechter Ausgleich, wenn man dort, wo jetzt im früheren Rosensteinpark noch Bahngeleise liegen, wieder Bäume und viele wunderschöne Rosen wachsen ließe. Wir brauchen dort nicht eine Bauausstellung, eher eine Gartenbauausstellung. In Berlin hat das Volk entschieden, dass das Tempelhofer Feld ein Feld bleibt. Beifall für Berlin!

Wenn Herr Oberbürgermeister Kuhn Bürgerbeteiligung gut findet, dann soll er diese Variante ehrlich auch erfragen. Oder wir bilden ein Begehren, um das voranzutreiben. Da wäre ich trotz meines Alters gern dabei.
Dieser Park würde zwar viel kosten, wäre aber gut und heilsam für die Stadt!

Liebe Freundinnen und Freunde, wir müssen diese Linie, dass es bei jeder Stadtplanung immer nur um Gewinn und Kapitalerträge geht, deutlich unterbrechen. Die Städte brauchen eine neue Zukunft und eine neue Art der Stadtentwicklung. Wenn wir das im Streit um Stuttgart lernen, dann ist der Streit im Blick auf unsere Zukunft sinnvoll.

Redetext als PDF-Datei

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