Rede von Steffen Siegel, Schutzgemeinschaft Filder e.V., auf der 246. Montagsdemo am 10.11.2014
Das Fiasko auf den Fildern bringt S21 in Atemnot
Unsere heutige Losung sei: Traue keinem, der länger plant als 20 Jahre!
Mit unserer Hilfe, mit Hilfe der Dresdner TU, aber auch mit Hilfe einer relativ objektiv be-richtenden Presse hat das Erörterungsverfahren (EÖ) dazu geführt, dass nun wirklich jeder erkennt, dass die Filderpläne ein Fiasko darstellen. Kennt Ihr irgend jemanden, der noch behauptet, die Filderpläne seien ein großartiger Teil eines einzigartigen Jahrhundertpro-jekts?
Im EÖ wurde klar: Der Filderabschnitt ist nicht fahrbar, die Bevölkerung wird einen we-sentlich schlechteren S-Bahn-Betrieb bekommen, es wird lauter und wehe uns, es brennt in egal welchem der beiden Bahnhöfe.
Und was macht die DB? Hier nur beispielhaft: Erst schiebt sie im nicht funktionierenden Stresstest eine Minute Wartezeit bei der S-Bahn vor Rohr ein, um dort einen Kreuzungskon-flikt zu entschärfen und hofft, dass es keiner merkt. Und dann, als Herr Steinborn von der TU Dresden trotz dieser Minute beweist, dass ein Mischverkehr einfach nicht fahrbar ist, sagt die Bahn sinngemäß: „Tut uns leid, Sie hatten die falschen Daten. Neue vom Nachsi-mulationslauf wollten wir Ihnen eigentlich nicht geben. Aber wenn es unbedingt sein muss, na bitte.“ Aber: Die S-Bahn ist da um eine weitere Minute verlegt. Solche zwei Minuten kön-nen allerdings das gesamte System gefährden, es kann die Anschlüsse auf eingleisigen Ne-benbahnen in Böblingen und Herrenberg aufs Spiel setzen. So spricht der Zweckverband Ammertalbahn bereits von „höchster Alarmbereitschaft“.
Überall trickst die Bahn und täuscht und verweigert Fakten.
Und plötzlich bekommen so fanatische Befürworter der Antragstrasse, wie Hauk, Razavi und Kunzmann von der CDU oder Rülke und Haußmann von der FDP kalte Füße und sie fordern (wörtlich in einem gemeinsamen Antrag): „Im Sinne eines zukunfts- und leistungs-fähigen Bahnknotens sprechen wir uns für den Filder-Bahnhof Plus aus“. Mit anderen Wor-ten: Sie halten die bisherige Antragstrasse, für nicht zukunfts- und leistungsfähig. Ist das Raffinesse, Unfähigkeit oder Heuchelei?
Der Filder-Bahnhof Plus unter der Flughafenstraße soll jetzt auch noch alle Gäubahnzüge aufnehmen. Auch dieser Bahnhof wäre im Stresstestfahrplan nicht fahrbar. So stehen z.B. in Minute 50 der Spitzenstunde gleichzeitig minutenlang drei Züge im Bahnhof – dieser hat aber nur zwei Gleise!
Der Filder-Bahnhof Plus ist zweifellos in einem Punkt besser, weil der S-Bahn-Terminalbahnhof von der Gäubahn unangetastet bleibt. Er hat dafür aber gravierende Nachteile:
- Erneute Sprengung des Kostendeckels um viele hundert Millionen und Sprengung der Zeitschiene um mehrere Jahre.
- Der Mischverkehr durch L.E. bleibt.
- Die konfliktträchtige Rohrer Kurve bleibt.
- Die Ausnahmegenehmigung bleibt.
- Die unterdimensionierte Wendlinger Kurve bleibt.
- Der Filder-Bahnhof Plus liegt auch nicht näher am Flughafen, er wird nur gedreht.
- Es wird wesentlich mehr bester Filderboden für alle Zeiten vernichtet.
Und noch etwas: Wenn verspätete Züge nach Ulm oder Tübingen von Stuttgart aus hoch-kommen, geraten sie mit den Gäubahnzügen aus Zürich im Filder-Bahnhof Plus in Konflikt und diese nehmen die aus Stuttgart exportierten Verspätungen wieder mit hinab in den Stuttgarter Tiefbahnhof.
Das durch die idiotische Antragstrasse zu erwartende Filderdebakel ist offenkundig, und so klammern sich fast alle in ihrer selbstverschuldeten Not an den nicht minder idiotischen Fil-der-Bahnhof Plus – man sollte eher sagen: „Filder-Bahnhof Stuss“. Hier wird der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben, und statt nachzudenken geht man schon wieder in den perfi-den politischen Ablenkungs-Schlagabtausch und sagt, diese angeblich viel bessere Lösung wird nur durch die GRÜNEN verhindert, die sich weigern, den Kostendeckel zu heben. Und alle sind froh, dass sie einen Schuldigen haben und diesen neuerlichen Schwachsinn nicht umsetzen müssen. Es ist wie im Tollhaus.
Ja, die Not ist offenbar so groß, dass sogar die SSB für den Filder-Bahnhof Stuss plädiert, die Mehrheit im Regionalparlament (CDU,FW,FDP, SPD) sogar dafür Geld anbietet. Und wie schlimm muss es um die Antragstrasse stehen, wenn sogar unser alternativloser Wolfgang Drexler fordert, alle Optionen neu zu prüfen und der Geburtshelfer von S21 Professor Hei-merl sagt es am deutlichsten: „Wir versündigen uns an unseren Kindern und Enkeln, wenn wir die Antragstrasse bauen“ und weiter sagte er: Bei mehreren Zwangspunkten, und davon haben wir hier viele, kann das System kollabieren. Na, kapiert er jetzt endlich, was er angerichtet hat? Wo waren die denn alle beim EÖ, warum haben sie dort nicht mit uns gegen die Antragstrasse gekämpft, denn nur über diese wurde dort befunden? Eigent-lich müssten sie sich bei uns bedanken und unsere Ideen aufnehmen.
Wir haben ihnen einen Weg aufgezeigt, die Filderprobleme drastisch zu minimieren, näm-lich die Gäubahnzüge weiter über die bestehende Panoramastrecke zu führen und in Vai-hingen einen Halt einzuplanen, wo man in die S-Bahn zum Flughafen umsteigen könnte. Wem der Anschluss des Flughafens wichtig ist, der hätte längst diesen Halt in Vaihingen bauen müssen.
Man hat den Eindruck, die Bahn und große Teile der Politik haben den gesunden Men-schenverstand überwunden. Im EÖ wurde die Unfahrbarkeit der Antragstrasse bewiesen und dann versuchte man geschickt, von den Problemen des Gesamtprojektes abzulenken. Nur zwei Tage waren für die Planrechtfertigung vorgesehen (mit zwei weiteren Tagen als Option). Wir konnten in diesen zwei Tagen überzeugend darstellen, dass
- S21 unter ganz anderen Voraussetzungen geplant wurde, als es sich heute darstellt.
- S21 nicht finanzierbar ist.
- S21 eine kriminelle Bahnsteigneigung im Tiefbahnhof hat.
Und schließlich durfte Dr. Christoph Engelhardt am vorletzten Tag ansatzweise zeigen, dass die Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs bei weitem nicht der des heutigen Kopfbahnhofs entspricht und dass der Stresstest voller Unstimmigkeiten ist. Die Versammlungsleitung sagte, weil ja noch ganz viele Punkte offen waren, dass er am letzten Tag noch genügend Zeit bekäme, dies darzulegen. An diesem letzten Tag wurde sein Beitrag aber immer wieder weiter nach hinten geschoben und so kam er gerade mal dazu, seine Thesen zur Leistungs-fähigkeit, zum Stresstest und zur mangelhaften Entfluchtung anzureißen. Die Bahn blieb alle Antworten schuldig und das Regierungspräsidium schaute nur zu, statt die Wahrheit einzu-fordern und beendete unvermittelt die Veranstaltung. Dabei hieß es in der lange vor dem EÖ veröffentlichten Tagesordnung: „Bei Bedarf(!) wird die EÖ um zwei Tage fortgesetzt“.
Die Vermutung liegt nahe, dass man das Projekt nicht noch einmal grundsätzlich in Frage stellen wollte, erst recht nicht jetzt, wo es um den Filderabschnitt so beängstigend schlecht aussieht und allein dieser S21 zu Fall bringen müsste. Es hieß stets, S21 sei ein unverzichtba-rer Abschnitt der Magistrale Paris-Bratislava und nun stellt sich heraus, dass S21 nur ein Störfaktor dieser ohnehin absurden Magistrale ist. Der Filderabschnitt ist völlig irrsinnig, aber aus Sicht der Geldversenker alternativlos, also verzögert man, unterbindet Diskussio-nen und wurstelt sich irgendwie durch, um S21 nicht insgesamt zu gefährden. Was hier gerade abläuft, ist Perversion pur.
S21 ist viel schlimmer als das Chaos beim Berliner Flughafen. Dort geht es „nur“ um ein mieses, teures Projekt, hier bei S 21 dagegen wird dazuhin ein hervorragend funktionieren-des System unwiederbringlich zerstört.
Otto v. Bismarck sagte vorausschauend: „Ein Gedanke, der richtig ist, kann auf Dauer nicht niedergelogen werden.“
Also rufe ich Euch auf:
- Tut alles, um gerade jetzt mit Zweifelnden zu sprechen.
- Schreibt Briefe an Eure Abgeordneten, an Frau Merkel, an Herrn Dobrindt, aber auch ans RP und fordert eine Neuaufnahme des EÖ.
Wehren wir uns mehr denn je, es geht um unsere Stadt, um unsere Mobilität, unser Geld, unsere Kinder und auch die Enkel von Prof. Heimerl.
Oben bleiben!
Gute Rede, Danke!