Rede von Dr. Wolfgang Sternstein, Friedens- und Konfliktforscher, auf der 233. Montagsdemo am 11.8.2014
Liebe Freunde,
warum wohl hat die Deutsche Bahn ihre mit viel Tamtam angekündigte Öffnung der Baugrube im Schlossgarten abgesagt? Darüber darf spekuliert werden. War es die Einsicht, dass man sich lächerlich machen würde, wenn man den Journalisten ein ödes Baufeld mit ein paar Teilstücken dessen vorführt, was später einmal eine Baustraße sein soll? Ein blumengeschmückter Bagger sollte, so die Ankündigung von Herrn Kefer, den ersten Baggerbiss ausführen, um aller Welt zu demonstrieren, dass das Projekt jetzt unumkehrbar geworden ist.
Ich vermute, die Bahn hat diese Show abgesagt und sich auf eine Pressekonferenz beschränkt, um die Blamage zu verheimlichen – die Blamage nämlich, dass bei diesem Monsterprojekt nichts funktioniert. Die für Mitte des Jahres angekündigte Baustraße ist nicht fertig, die doppelte Grundwasserentnahme noch immer nicht genehmigt, der Nesenbach-Düker, der als erstes in Angriff genommen werden müsste, weil er unter dem Bahnhofstrog liegt, nicht einmal begonnen usw. usf.
Wir haben uns durch den Rückzug der Bahn nicht beirren lassen, vielmehr haben wir ihre Ankündigung zum Anlass genommen, einen Aktionstag zu veranstalten mit vielen interessanten, einfallsreichen und provokativen Aktionen.
Ich möchte kurz über die Bannerparade berichten, die am Dienstag vergangener Woche von 9-12 Uhr am Baugelände für den Bahnhofstrog stattfand. 800–1000 Personen waren an der Aktion beteiligt. Um 10 Uhr gab es eine Menschenkette. Die Vielfalt und der Einfallsreichtum der Bewegung, die sich in den Texten der Banner spiegelte, haben mich tief beeindruckt. Obwohl ich seit vier Jahren dabei bin, habe ich viele Banner nicht gekannt. Anderen ist es ähnlich ergangen. Die Kette der 150 Banner zog sich am Geländer der Brücke der ehemaligen Schlossgartenstraße entlang über den Bauzaun bis zum Planetarium, ja sogar bis zum Biergarten hin.
Hier nur ein paar Beispiele: S21 Wehrt euch – empört euch; Stuttgart steht auf Kopfbahnhof; Wir lassen nicht locker; Ihr kriegt uns nicht los – wir euch schon; Ihr macht alles kaputt – uns nicht und viele andere.
Unterstützt und bereichert wurde die Aktion durch die Capella Rebella, die Nonnen und Mönche mit ihrem Gong in den eindrucksvollen schwarzen Kutten, die Versorger und Michael mit seinem Lautsprecherwagen, der als Lügendetektor fungierte.
Das Medienecho war schlicht überwältigend. Wir waren in der überregionalen Presse, im Südwestrundfunk und sogar mit einer Stellungnahme von Matthias, unserem Pressesprecher, in der Tagesschau.
Ich denke, ich spreche für uns alle, wenn ich Rosanna, die knapp 100 Banner gemalt hat und Matthias von Herrmann für die hervorragende Pressearbeit unseren Dank ausspreche. Dieser Dank gilt selbstverständlich auch allen übrigen Beteiligten an der Aktion.
Natürlich gab es auch einige Pannen. Die sind bei einer so vielgestaltigen und gelegentlich auch ein wenig chaotischen Bewegung wie der unsrigen fast unvermeidlich. Es wäre besser gewesen, wir hätten einen gemeinsamen Flyer für den Aktionstag gehabt. Auch ich habe es versäumt, mich darum zu kümmern, da ich mit der Organisation der Bannerparade voll beschäftigt war.
Fazit: Die Bannerparade hat die Kraft und die Lebendigkeit der Bewegung gegen Stuttgart 21 allen vor Augen geführt. Sie ist nun schon mehr als vier Jahre aktiv, und sie wird hoffentlich solange aktiv bleiben, bis dieses Monsterprojekt an seinen inneren und äußeren Widersprüchen scheitert. Solange und noch viel länger wollen wir – oben bleiben!