Rede von Hans Heydemann, Ingenieure22, auf der 231. Montagsdemo am 28.7.2014
Rostschwindel der Bahn mit Blauen Rohren geht weiter
Liebe K21-Freunde!
Zunächst möchte ich allen Dank sagen, die Beschwerdebriefe und Gelbe Karten verschickt haben an Bürgermeister Hahn, Amt für Umweltschutz (AfU) oder EBA wegen dem Rostwasser aus den Blauen Rohren – das hat dort Wirkung gezeigt, auch wenn dies aus den kargen Antworten so nicht ersichtlich ist. Mit einer solchen Protestwelle haben die nie gerechnet. Und es fällt ihnen zunehmend schwerer, eine Antwort geben zu müssen. Ist es nicht auffällig, dass der doch sonst so redselige Projektsprecher Dietrich vom Kommunikationsbüro sich bisher überhaupt noch nicht dazu geäußert hat?
Doch aus dieser Nummer lassen wir die nicht mehr heraus! Lasst Euch nicht mit diesen nichtssagenden Antworten abspeisen; legt nach, schreibt zurück und fordert genauere Angaben – das ist unser gutes Recht! Nur wenn wir viele sind und nicht nachgeben, können wir die mürbe kriegen! Wir dürfen nicht zulassen, dass die das einfach nur aussitzen!
Ich habe hier den DIALOG21 Nr. 2 mitgebracht – der wurde im September 2010 an alle Stuttgarter Haushalte verteilt. Unter der Überschrift „17 km Rohrleitungen schützen Stuttgarter Mineralquellen“ heißt es dort auf S.4: Die Anforderungen, die mit den Reinigungsanlagen für das Grundwasser zu erfüllen sind, liegen über dem Standard für Trinkwasserqualität.“ Doch was haben die uns da hingesetzt? Ist diese Rostbrühe etwa die versprochene Trinkwasserqualität?
Als diese Blauen Rohre im Sommer 2011 angeliefert wurden, haben wir Ingenieure22 beim EBA Beschwerde eingelegt und den Einsatz von Rohren mit Korrosionsschutz gefordert – dies wurde abgebügelt mit Verweis auf ein Gutachten der Hölscher Wasserbau, welches die Gleichwertigkeit dieser Rohre zu den angeblich von der Bahn ausgeschriebenen Rohre mit PE-Innenbeschichtung belegen würde. Der Rostaustrag sei vernachlässigbar, hieß es damals.
Jetzt hieß es in den Antworten von AfU und EBA an besorgte Bürger nur noch, das Wasser in den Blauen Rohren sei unbedenklich. Ein zertifizierter Probenehmer habe Proben entnommen, das Wasser sei klar gewesen, Eisen nur in Spuren darin zu finden, der Anfangsverdacht einer Verunreinigung damit ausgeräumt!
Doch als am 24.6. ein LKW auf der S21-Baustelle in der Jägerstraße die Blauen Rohre umriss und dort die Rostbrühe für jedermann sichtbar herauslief, wurde das Rostwasser vom AfU als unerklärlich bezeichnet und eine weitere Beprobung angeordnet. Ergebnis: Die abfiltrierte Probe sei klar und unbedenklich, Eisen nur in geringen Mengen enthalten, so die erneute Antwort des AfU an besorgte Bürger.
Abfiltrierte Probe – damit gesteht das AfU ein, dass der Rost aus den Leitungen, um den es hier geht, aus der Probe entfernt wurde. Welche Schummelei! Das AfU erklärt den Rost zum abfiltrierbaren Stoff und lässt diesen vor der Analyse entfernen! Das Analyseergebnis ist dadurch verfälscht und unbrauchbar, es entspricht keineswegs dem tatsächlichen Versickerungsbetrieb, denn an den Versickerungsbrunnen gibt es keine Abfiltrier-Einrichtungen. Der gesamte Rost im Wasser wird unvermeidlich in den Untergrund eingeleitet und schädigt diesen in nicht wieder gut zu machender Art und Weise.
Die Gemeinderatsfraktionen Bündnis90/Grüne sowie SÖS/Linke haben jeweils Anträge an die Stadtverwaltung eingereicht mit Forderungen nach Aufklärung und Austausch der Rohre gegen solche aus korrosionsbeständigem Werkstoff. Die Antwort der Stadtverwaltung steht noch aus.
Jetzt hat auch der BUND eine Pressemitteilung zum Rostwasser herausgegeben: die Landesvorsitzende Frau Dr. Dahlbender weist auf die Verockerungsgefahr für Erdreich und Gewässer hin und die davon ausgehende Bedrohung für die im Wasser lebende Tierwelt. Sie fordert Aufklärung der eindeutig nachgewiesenen Rostverschmutzung und Austausch der Rohre gegen solche aus korrosionsbeständigem Material, sollte Korrosion der verwendeten Stahlrohre die Ursache sein.
Wie verheerend sich höhere Eisengehalte in Gewässern auswirken, wurde kürzlich aus dem Spreewald bekannt. Dort ist durch jahrelanges Einleiten eisenhaltiger Wässer aus ehemaligen Braunkohle-Tagebaugruben in die Spree inzwischen das gesamte Flussgebiet von einer Verockerung und einem dadurch bedingten Absterben des aquatischen Lebens bedroht – ohne Aussicht auf wirksame Abwehrmaßnahmen. (anzusehen im Film „Ein Fluss verrostet“). Die dort zuständigen Behörden wiegeln nur ab, den Schaden muss die Bevölkerung hinnehmen.
Wie will die Stadt Stuttgart ein ähnliches Desaster mit dem Grund- und Mineralwasser verantworten, wenn sie zulässt, dass aus rostenden Rohren jahrelang Millionen Kubikmeter Rostwasser weiträumig im Stuttgarter Heilquellen-Schutzgebiet versenkt werden?
Auch wir Ingenieure22 haben kürzlich Post vom AfU bekommen: einen Vierzeiler, kurz, knapp und nichtssagend! Darin heißt es, das AfU sei lediglich Verwaltungshelfer des EBA, ohne eigene originäre Zuständigkeiten. Anstatt auf unsere Fragen einzugehen, verweist das AfU lediglich darauf, „dem EBA zur Klärung der Eigenschaften des in den Zulaufleitungen zu den Versickerungsbrunnen Maßnahmenvorschläge unterbreitet zu haben. Sobald die Ergebnisse vorliegen, wissen wir, ob Handlungsbedarf besteht.“ Welche Maßnahmen dies sein sollen, wird nicht gesagt.
Aus Antworten des AfU an besorgte Bürger ist zu entnehmen, dass dem EBA eine wöchentliche Überprüfung durch die Vorhabensträgerin über zwei Monate hin als Abhilfemaßnahme empfohlen wurde. Wie bitte? Die Bahn als Vorhabensträgerin soll sich also selber überprüfen! Das AfU hat schon eine recht merkwürdige Auffassung von der ihm obliegenden Prüf- und Überwachungspflicht! Und was bitte soll mit der wöchentlichen Beprobung über zwei Monate hin überhaupt bezweckt werden? Will man den Rost etwa wegmessen?
Das AfU tut so, als sei der Rost in den Blauen Rohren lediglich eine vorübergehende Anfangs-Erscheinung, die über kurz oder lang von allein verschwinden werde. Dem ist jedoch nicht so; der Rostvorgang (Eisenkorrosion) in den hier verbauten Rohren aus gewöhnlichem Stahl ohne inneren Korrosionsschutz geht bei sauerstoffhaltigem Wasser, wie im Grundwassermanagement-Betrieb ja vorgesehen, unaufhaltsam immer weiter und lässt sich durch kein noch so ausgeklügeltes Messverfahren unterbinden.
Das AfU gibt weiter an, die Einleitgrenzwerte seien von der Vorhabensträgerin einzuhalten – und weist zugleich darauf hin, für Eisen sei gar kein Einleit-Grenzwert festgelegt. Das heißt aber keineswegs, dass Eisen in unbegrenzter Menge eingeleitet werden darf. In den Gutachten der Antragsunterlagen zur Planfeststellung sind als höchste Erwartungswerte 1,0 bzw. 0,2 mg Eisen je Liter Baugruben-Wasser angegeben, und mehr darf nicht dazukommen, wenn das GWM seine Aufgabe erfüllen soll.
Das Verhalten des AfU in dieser Rost-Sache ist höchst befremdlich. Dies lässt den Verdacht aufkommen, die Amtspflicht zur gewissenhaften Überprüfung würde zugunsten der Vorhabensträgerin vernachlässigt – das aber wäre ein schwerwiegender Straftatbestand und mit der Amtsführung nicht vereinbar. Das Amt für Umweltschutz ist nicht der Bahn als Vorhabensträgerin verpflichtet, sondern der Allgemeinheit, das sind wir Bürger dieser Stadt!
Das Einleiten rosthaltigen Wassers in den Untergrund des Stuttgarter Heilquellen-Schutzgebietes kann zuverlässig nur verhindert werden durch Rohre aus korrosionsbeständigen Werkstoffen, z.B. HD-PE, wie von der Bahn selber im Antrag auf Genehmigung der 7. Planänderung in Abschnitt 3.2 und 5.4 beschrieben . Wir fordern deshalb, dass die Vorhabensträgerin die eingebauten Rohrleitungen aus ungeschütztem Stahl gegen solche aus HD-PE ersetzen muss, bevor das GWM in Betrieb geht. Dann kann aber vorerst noch keine Baugrube ausgehoben werden! Das S21-Vorhaben hätte mindestens ein weiteres Jahr Verzug.
Und noch ein weiterer Skandal: Auffällig an den von uns untersuchten Wasserproben ist der sehr hohe Mineralien-Gehalt (u. a. Sulfat), die sehr hohe Gesamthärte sowie die hohe elektrische Leitfähigkeit, alle jeweils um ein Vielfaches höher als die entsprechenden Werte des hiesigen Trinkwassers und auch des hier anstehenden Grundwassers. Diese Werte liegen alle im Wertebereich der Stuttgarter Mineralwasserquellen.
Daraus folgt zwingend, dass es sich bei diesem Wasser nicht um solches aus dem städtischen Trinkwassernetz gehandelt haben kann, wie das Kommunikationsbüro es im Februar 2014 öffentlich bekannt gegeben hatte, und auch nicht um Grundwasser, sondern ein hoch mineralisiertes Wasser aus tieferen Bodenschichten gewesen sein muss!
Dies lässt den Verdacht zu, dass hier offenbar widerrechtlich Mineralwasser entnommen und für den Probebetrieb des GWM verwendet wurde, zumal ja noch gar keine Baugruben ausgehoben sind und folglich auch noch kein Baugrubenwasser abzuführen ist.
Der Einsatz von Trinkwasser für den Probebetrieb ist teuer – von der sinnlosen Verschwendung des Trinkwassers abgesehen. Nach Angabe des AfU wurden 1,5 l/s eingesetzt; das klingt wenig, macht aber je Stunde 5,4 m³ aus, das sind täglich rund 130 m³. Für den Zeitraum von 90 Tagen ab Ende Februar bis Ende Mai, als die Leitungen gespült wurden, ergibt das etwa 12.000 m³; bei einem Wasserpreis von 2,50 €/m³ macht das 30.000 €. Bei Verwendung von Mineralwasser, welches ja kostenlos in den erbohrten Brunnen auf dem S21-Baugelände ansteht, fallen nur ein paar Euro an Pumpstrom an.
Für die Entnahme von Mineralwasser hat die Bahn jedoch kein Wasserrecht! Damit hätte Hölscher gegen das Baurecht verstoßen und einen klaren Rechtsbruch begangen.
Die Beweiskraft der Analysewerte der Wasserproben, die die Verwendung von Mineralwasser belegt, ist ebenso eindeutig wie der Fingerabdruck auf der Tatwaffe, der den Mörder überführt.
Unsere Frage nach der Herkunft des in den Blauen Rohren geführten Wassers wurde bis heute nicht beantwortet. Warum ermittelt das AfU nicht gegen Hölscher und die Bahn, sondern deckt all diese Verstöße? Etwa auf höhere politische Anweisung? Oben bleiben!