Rede von Dr. Ing. Hans-Jörg Jäkel, Gruppe Nordlichter, auf der 229. Montagsdemo am 14.7.2014
Belastungen für das Nordbahnhofviertel durch Stuttgart 21: Die Baulogistikstraße – Planung und Realität
Es ist gut, dass die Montagsdemo heute im Nordbahnhofviertel stattfindet! Hier erleben die Anwohner die schmutzige Seite des Großprojektes jeden Tag. Oftmals im Minutentakt fahren schwere LKW durch die Eckart- und die Otto-Umfrid-Straße von und zur zentralen Baulogistikfläche am Nordbahnhof. Dies ist die einzige Zu- und Abfahrt, denn die in den Hochglanzprospekten präsentierte Baulogistikstraße ist zwar im Bau, aber lang‘ noch nicht fertig!
In den Planfeststellungsunterlagen wird beim Abschnitt 1.1 in Anlage 13 ein System von Bauflächen und Baustraßen mit dem Ziel vorgegeben:
- Die Emissionen aus dem Baubetrieb, wie Schmutz, Staub, Abgase und Lärm zu minimieren und einen insgesamt ökologisch verträglichen Bauablauf zu gewährleisten.
- Die Bauabläufe möglichst effizient zu gestalten.
Beide Ziele werden von den Projektbetreibern offenbar überhaupt nicht ernst genommen. In den Planunterlagen heißt es, dass ab Baubeginn die Baustraßen und die Logistikflächen hergestellt werden und nach ca. einem Jahr durchgängig befahrbar sind. Damit hätte die Baulogistik schon 2011 in Betrieb gehen müssen. Das Fällen stattlicher Bäume und das Abreißen denkmalgeschützter Bahnhofsflügel waren offenbar wichtiger. Im April 2013 fand im Gemeindehaus der Martinskirche eine Infoveranstaltung der Projektbetreiber statt. Sie stellten dort einen Zeitplan vor, wie die Baulogistik bis spätestens März 2014 fertiggestellt werden sollte – auf den Seiten des Kommunikationsbüros ist dies nachzulesen.
Aber Abschnitte, deren Fertigstellung für das 3. und 4. Quartal 2013 angekündigt wurde, sind heute noch nicht fertig. Die Brücken über die Nordbahnhofstraße, dort, wo unsere Demo heute endet, sollten im Oktober 2013 eingebaut sein, passiert ist es im Mai 2014. Das letzte Stück der Demostrecke folgt der Rosensteinstraße. In diesem Bereich sollte die Baulogistikstraße am Hang aufgeständert und mit 2,5m Lärmschutzwand bis September 2013 erstellt werden. Im Juli 2014 ist man dabei, die Stützen einzubauen. Diese katastrophale Abweichung der Realität von der mehrfach verschobenen Planung gilt aber nicht nur bei der Baulogistik, sondern beispielsweise beim Nesenbachdüker ebenso wie beim Tunnelvortrieb oder dem Rückbau des nicht mehr benötigten Bahnhofdaches. Wenn dann Herr Kuhn und leider auch Herr Herrmann laut verkünden, dass sie sich bei Stuttgart 21 mehr Tempo wünschen und sich dafür einsetzen wollen, dann kann man nicht verstehen, woher die Herren ihren Glauben nehmen und ob ihnen der schlimme Zustand des Projektes richtig bekannt ist.
Leider muss ich aber alle, die an eine baldige Fertigstellung der Baulogistikstraße glauben und dann hoffen, dass die LKW-Fahrten durch die Wohngebiete im Nordbahnhofviertel entfallen, tief enttäuschen. Hier geht es noch lange weiter mit Lärm, Dreck und Gestank. Zur Begründung ist noch der Abschnitt nördlich der Wolframstraße an der sogenannten Engstelle neben der neuen U12-Trasse zu erwähnen. Dort war im April 2013 die Logistikstraße für August 2013 eingeplant. Dabei hatte man offensichtlich vergessen, dass zuerst darunter ein Stück S-Bahn-Tunnel gegraben werden muss. An diesem Tunnel wird gerade gebaut. Von März bis Juni 2014 sollten die 18 Blöcke der Tunneldecke betoniert werden – Mitte Juli ist nur ein einziger Block fertig. Erst wenn der Tunnel gebaut ist, kann an der Engstelle die Baustraße darauf verlegt werden. Ich bin gespannt, ob dies noch in diesem Jahr passiert. Was soll denn bis dahin mit dem Abraum passieren, der laut Herrn Kefer ab August im Schlossgarten für den Schiefbahnhof ausgebaggert werden soll? Die Planfeststellung gibt vor, diesen Aushub über die Baulogistikstraße zur Verladung am Nordbahnhof zu transportieren. Eigentlich wieder ein Fall für die Aufsichtspflicht von EBA, Regierungspräsidium und Stadtverwaltung, aber diese Institutionen werden leider nur bei Klagen aktiv.
Für einen Bauablauf, der derartig von der Planung und von den abgegebenen Versprechungen abweicht, gibt es natürlich auch Verantwortliche. Diese können entweder die von Ihnen zu verantwortende Aufgabe nicht realitätsnah einschätzen – drastisch als Dummheit zu bezeichnen – oder sie wissen es sehr wohl und täuschen vorsätzlich – auch dafür gibt es eine drastische Bezeichnung – LGNPCK. Der eine Grund für die falschen Aussagen ist genauso schlimm wie der andere.
Darüber hinaus treten die Projektbetreiber ja auch noch rücksichtslos und arrogant auf. Es muss immer wieder mal an die Worte von Ex-Bahnchef Mehdorn erinnert werden, dass Stuttgart 21 so toll geplant sei, dass „man schon den Kopf in den Gully stecken muss, um von den Baumaßnahmen etwas mitzubekommen“. Hier an der Otto-Umfrid-Straße würde man fast alles tun, um Lärm, Dreck und Gestank der LKW zu entkommen.
Menschenverachtend war es auch, über viele Monate den Aushub aus dem Zwischenangriff Nord hier herauszufahren. Obwohl direkt auf der Logistikfläche gefördert, wurde dieser Aushub für die Tunnel zwischen Hbf. und Bad Cannstatt bis Mai 2014 nicht wie geplant sofort über die Schiene, sondern mit LKW durch Wohngebiete abgefahren. Beim anderen Zwischenangriff für die Tunnel zwischen Hbf. und Feuerbach sollte ab Juli 2013 gegraben werden, jetzt wurde der Oktober 2014 genannt. Von der geplanten, recht kurzen Baustraße an der Löwentorbrücke ist aber weit und breit nichts zu sehen.
Selbst bei ganz einfachen Maßnahmen wird in diesem Projekt – immer zu Lasten der Bevölkerung – versagt. Der von Jugendlichen aus dem Nordbahnhofviertel gern genutzte Bolzplatz im Rosensteinpark war der Baustelle im Weg. Er sollte im Mai 2013 abgerissen werden. Das hat geklappt. Aber der für September versprochene Ersatz wurde erst im Mai 2014 übergeben. Bei all‘ diesen Grausamkeiten mutet es wie Hohn an, wenn der Ex-Ex-Projektleiter Marquardt (vor Hany Azer) einmal sagte: „Das wird die erste Großstadtbaustelle, von der die Bürger kaum etwas mitbekommen“. Solchen salbungsvollen Worte haben fast alle politisch Verantwortlichen blind vertraut und jetzt ducken sie sich weg und verdrängen die schlimmen Realitäten. Es ist kaum möglich, die katastrophale Situation in öffentlichen Veranstaltungen anzuprangern, denn es wird massiv versucht, das Thema totzuschweigen. Im April 2013 wurde nach Jahresfrist eine erneute Bürgerinformation im Stadtbezirk Nord avisiert. Diese hat bisher nicht stattgefunden und wurde noch nicht mal angekündigt. Frau Bezirksvorsteherin Krüger und die Bürgerbeauftragte Frau Kaiser erinnern sich nicht mal daran, dass sie diese Aufgabe haben.
Die dramatische Diskrepanz zwischen Planung, Sonntagsreden bei Tunneltaufen und Spatenstichen einerseits und der offensichtlichen Realität des Projektes Stuttgart 21 auf der anderen Seite muss den Verantwortlichen auf allen Ebenen – vom Bezirksbeirat bis zum Bundestag – immer wieder verdeutlicht werden. Irgendwann müssen sie handeln, aber es ist die große Frage, was wir bis dahin noch alles ertragen müssen. Die vorhersehbaren Probleme beim Bau, bei der Finanzierung und schließlich auch beim Bahnbetrieb sind so riesig, dass ich mir sehr sicher bin, dass Stuttgart 21 scheitern wird.
Wir werden OBEN BLEIBEN.
Für die Sonntagsarbeit gibt es Verantwortliche. Die römkath und die evang Kirche. Nur in deren Einverständnis geht das. Wer sich nicht beschwert ist nicht beschwert. Brief an die Bischofsitze .