Rede von Sabine Leidig, MdB (verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion), auf der 213. Montagsdemo am 10.3.2014
Stromfresser abschalten – S21 und die Energiepolitik der Bahn
Liebe Freundinnen und Freunde,
Keine Frage: Die Eisenbahn ist ein relativ umweltfreundliches Verkehrsmittel. Genauer gesagt: Sie schadet der Umwelt deutlich weniger als Flugverkehr, Autofahrerei und LKW-Kolonnen.
Allerdings: DIESE Deutsche Bahn AG tut viel zu wenig für eine möglichst gute Öko-Bilanz. Das ist kein Wunder, denn keiner der hochbezahlten Spitzenmanager im Vorstand hat die Aufgabe oder die Leidenschaft, die Bahn als sozialökologischen Trendsetter aufzubauen – obwohl genau das eine zeitgemäße Unternehmensstrategie wäre. Mehr noch: ein Journalist für Verkehrspolitik erzählte mir neulich, wie erstaunt er war, dass die Spitzenleute bei der Bahn selber fast nie Zug fahren, sondern in den großen schwarzen Limousinen oder per Flieger reisen. Ich finde, das ist vor allem ein kleiner sozialer Skandal, weil sie gar nicht wissen, wie es sich anfühlt und was die wirklichen Probleme sind für Menschen die regelmäßig mit Bahn und Bus unterwegs sind!
Nun präsentierte der Bahnchef Rüdiger Grube vor einem Jahr die grüne Bahncard, mit der beruhigenden Zusage, ihre Besitzer würden ab sofort CO-2-frei durch die Republik reisen. Und mit der wohltönenden Ankündigung, bis 2015 würden 35 Prozent des Bahnstrom-Mix auf Ökostrom basieren.
Aber diese Nummer ist mehr als „Greenwashing“. Was Grube da tut ist offensive Augenwischerei:
Erstens gilt das Versprechen nur für den Fernverkehr. Der Nahverkehr ist damit ausdrücklich nicht gemeint. Aber da sind 14 mal mehr Menschen auf der Schiene unterwegs als im Fernverkehr.
Zweitens unterscheidet sich der aktuelle Bahnstrommix in nichts vom Allgemeinen: 24 Prozent stammen aus der Verbrennung von Kohle, 8 Prozent aus Erdgas und satte 20 Prozent sind Atomstrom. Und die Ziele für den zukünftigen Strommix der DB AG liegen lediglich auf der Linie der Bundesregierung – nicht darüber. Der Öko-Ehrgeiz hält sich also in äußerst engen Grenzen.
Drittens ist die Bahn keineswegs besonders engagiert beim Aufbau neuer Kraftwerke für Wind- und Sonnenergie. Ihr Ökostrom kommt vor allem aus alten Wasserkraftwerken. Das ist an sich nicht schlimm, aber die DB-AG ist eben gar kein Vorreiter für regenerative Energie.
In Wirklichkeit ist der Top-Mann Rüdiger Grube ganz erheblich verstrickt in die alten, fossilen Energie-Strukturen:
Erinnert euch: Grube war einer der Erstunterzeichner von ganzseitigen Zeitungsanzeigen, mit denen 2010 gegen die Ausstiegspläne der Regierung und für Atomkraft appelliert wurde. Diese Kampagne war übrigens organisiert von Jürgen Großmann, dem damaligen RWE-Chef, der wiederum im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn sitzt.
Grube engagierte sich auch immer wieder für das noch nicht fertig gebaute neue Kohlekraftwerk in Datteln, eine CO-2-Schleuder, die auch Bahnstrom liefern soll.
Außerdem: die teuersten Bahnprojekte, verschlingen nicht nur gigantische Summen öffentlicher Mittel, sondern sie verschwenden auch bergeweise Energie! Die Hochgeschwindigkeitsstrecke über die Schwäbische Alb – ausgerechnet auf der Verbindung mit dem größten Höhenunterschied und der größtmöglichen Steigung wird deutlich mehr Energie kosten, als die herkömmliche Verbindung über Geislingen. Ähnliches gilt für Nürnberg-Erfurt. Dabei ist Hochgeschwindigkeit (die beginnt ab 250 Stundenkilometer) auch auf der Schiene schädlich: Ab Tempo 200 sinkt der tatsächliche Nutzen für die Fahrtzeit – aber der Energieverbrauch steigt im Quadrat! Und die neu eingekauften ICE-Züge (Modell „ICx“) fahren auch nur maximal 200. Noch ein Argument gegen die unsinnige Bolzstrecke über die Alb.
Und schließlich: Stuttgart 21. Da haben wir einen ebenerdigen Hauptbahnhof – mit kurzen Wegen, fast alles fußläufig und Rollstuhl-gerecht. Und was macht die Bahn? Sie baut zwei Kellerbahnhöfe: hier einen in der City und einen besonders tief liegenden unter dem Flughafen. Damit ist enormer zusätzlicher Energieaufwand verbunden nicht nur beim Bau, sondern dann auch beim Betrieb - für Dutzende Rolltreppen, für Dauerbeleuchtung, für den zusätzlichen Abstieg und Aufstieg der Züge.
Dabei gibt es wirklich naheliegende Alternativen. Hier in Stuttgart nach wie vor und einfach: oben bleiben!! Und überall im Land liegen Möglichkeiten in der Luft und auf der Strecke:
Die vielen Lärmschutzwände könnten mit als Solarzellen-Träger genutzt werden – in Brandenburg wird das an den Autobahnen erfolgreich gemacht.
Es könnten reihenweise Windkraftanlagen entlang von Bahnstrecken gebaut werden; zum Beispiel zwischen Hamburg und Berlin, wo es immer heftig windet.
Warum gibt es nicht Projekte, bei denen man Stromtrassen entlang der Schienenwege nutzt – und damit Windstrom aus dem Norden nach Süddeutschland bringt?
Und warum sind nur 60 Prozent des Schienennetzes elektrifiziert? Selbst auf so wichtigen Strecken wie der Südbahn zwischen Ulm und Friedrichshafen fahren Diesellocks, obwohl die Elektrifizierung längst versprochen ist - seit 1926!
Dabei müsste man ja gar nicht bis in den letzten Winkel Oberleitungen legen: mit hoch entwickelter Akku-Technik in Strom-Loks könnten auch Lücken überbrückt werden.
Die Schweiz hat es geschafft 100 Prozent ihres Netzes zu elektrifizieren – und das ist die Grundvoraussetzung für eine grüne Bahn.
Hermann Scheer, der Träger des Alternativen Nobel-Preises, hatte vor Jahren schon den Vorschlag gemacht, alle Bahnhofs-Dächer mit Photovoltaik-Anlagen zu bestücken. Das Management hat darauf nicht einmal reagiert. Dabei hat die Bahn den größten Gebäudebestand in unserer Republik – mit riesigen Dachflächen. Seit Existenz des EEG hätte man damit enorme Mengen Solarstrom herstellen können.
Wir haben als LINKE mal vor drei Jahren ein Programm verfasst, wie Baden-Württembergs Eisenbahn wirklich „ergrünen“ könnte; mit vielen Einzelprojekten und dem Ziel Verkehr von der Straße weg auf die Schiene zu bringen. Mit einem halben Dutzend Stadtbahnprojekten – wie es ein solches vorbildlich in Karlsruhe gibt; mit Modellen für sanften Tourismus per Rad, Schiff und Schiene, wie bei der Bodensee-S-Bahn. Unser Ausgangpunkt: wenn man auf Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm verzichtet, dann kann man landesweit eine solche Öko-Eisenbahn verwirklichen.
Wir nannten das Programm „Bahnsinniges Baden-Württemberg“. Es ist heute genauso aktuell wie damals.
Liebe Freundinnen und Freunde, meine „Öko-Bilanz“ lautet: Die Eisenbahn ist grün, aber die Deutsche-Bahn-AG-Politik und ihre Top-Leute stehen dem umweltfreundlichen Schienenverkehr im Weg. Deshalb ist es auch aus ökologischen Gründen wichtig, für eine andere, eine Bürgerbahn zu kämpfen.
Ich hatte in den vergangenen Wochen zweimal Besuch aus Südkorea. Einmal von einem Filmteam, die kritisch dokumentieren was die neoliberale Privatisierungswelle angerichtet hat. Und dann Parlamentariern der demokratischen Partei, die sich mit Argumenten gegen die dort geplante Bahnprivatisierung munitioniert haben. und im Gespräch mit dem EVG-Vorsitzenden Alexander Kirchner stimmten wir überein, dass diese DB-AG eine neoliberale Nachwehe darstellt. Und ich sage: diese müssen wir endlich überwinden!
Stuttgart21 ist das markanteste Symbol für das Falsche bei der Bahn. Und deshalb werde ich auch im Bundestag nicht „Ruhe geben“, sondern den Finger immer wieder in diese buchstäblich klaffende Wunde legen: beim Fall Pofalla, der den Aufsichtsrat überredet hat das Projekt nicht zu stoppen, obwohl die Kosten unverantwortlich hoch sind, mit kleinen und einer großen Anfrage, die wohl nach der Sommerpause im Bundestag zur Sprache kommt…. Viel wichtiger aber ist, dass hier in Stuttgart mit der Protestbewegung und dieser demokratischen Erneuerung ein wesentlicher Ausgangspunkt für das Neue entstanden ist.
Ich bin sicher, dass sich die Risse im Beton vertiefen und in absehbarer Zeit mit eurer Hilfe sozialökologische Alternativen sogar im Verkehr durchgesetzt werden können.
In diesem Sinne danke ich allen die hier so unermüdlich engagiert sind und freue mich immer wieder dabei zu sein.