Rosenmontagsrede von Siegfried Busch, Blogger (www.metropolis21.de), auf der 212. Montagsdemo am 3.3.2014
TUBA: Oh du lieber Augustin, alles ist hin!
Melodram: …Geld ist weg, Mädl ist weg, alles weg, alles weg (Originaltext)
Halli hallo liebe Leute! Halli hallo, narri narro!!
Ihr seid doch verrückt, warum steht Ihr noch hier, Stuttgart 21 wird doch schon lang gebaut! Seht Ihr nicht die vielen blauen Rohre? Der Narrenruf der Saulgauer ist wie für die blauen Rohre erfunden: Doraus – Detnaus! Doraus – Detnaus!
Aber in Stutengart gibt es auch noch Stuten, echte Pferde! Die Stuten habt ihr alle schon gesehen! Auf den Stuten reiten flotte Polizistinnen und verteidigen unsere schöne neue Rohr-Stadt! Es gibt aber viel mehr blaue Rohre als Stuten. Hallo Rohrgart!
Über die blauen Rohre wurden sogar Gedichte geschrieben, Rohr-Lyrik!
- „Du blaues Rohr, du kannst ja nichts dafür / dass du hier liegst im Garten mit dem Bier.
Und du liegst blau herum noch viel weiter / bis runter zum Neckar als trostloser Begleiter.“ - „Wie hältst du es mit Erotik und Sex / du blaues Rohr mit deinem Ständer?
Die Antwort des Rohrs ist knapp: / „Das Wasser kühlt mich ab!“ - „Was kein Kanonen-Rohr im Weltkrieg geschafft / Die Rohr-Manager haben es fertig gebracht! /
Der Bahnhof ist ein Rohr-Krepierer / Stadtbild und Park sind die Verlierer.“
Ihr Narren und Närrinnen, wisst Ihr denn nicht, dass Stuttgart 21 unumkehrbar ist? Das hat schon der Öttinger gesagt! Und der Altbürgermeister Dr. Sch. – Sch. wie Schuttgart – meinte sogar, dass man vom Bau von S21 kaum was mitbekommt, da müsste man schon den Kopf in einen Gully stecken, weil ja fast alles unterirdisch gebaut wird!
Aber hallo Sie später Professor! Stecken Sie mal den Kopf in einen Gully, ob Sie was sehen oder hören. Und dann klettern Sie mal in einen Gully rein und strecken den Kopf oben raus, zum Beispiel am Planetarium oder am Bahnhof, da erleben Sie Ihr blaues Wunder! Als Oberbürgermeister Dr. Sch. im Amt war, aber noch kein Professor, hatte die Stadt Stuttgart „21 gute Gründe für Stuttgart 21“ gefunden und 2008 drucken lassen.
Quadratisch – praktisch – schlecht. Damals gab es auch noch die Werbung „Das neue Herz Europas“, die hat schon lang ausgedient.
Wer in den 21 guten Gründen blättert und Bescheid weiß, dem fällt bald das „L-Wort“ ein. Das L-Wort, ich will dieses hässliche Wort nicht aussprechen, Ihr kennt es vermutlich: es hat drei Silben, es fängt mit L an, L wie Lü und hört mit c-k auf, c-k wie bei Pack. Zwischen L wie Lü und c-k wie Pack steht noch die Silbe „gen“. Ich habe bei vielen Demos gerufen: L-c-k, L-c-k! Natürlich in der Originalfassung!
Ein närrisches Gedicht von Christian Morgenstern über einen verrückten Raben hat die Überschrift Kilometer 21 oder kem 2-1. Das Galgenlied fängt so an:
„Ein Rabe saß auf einem Meilenstein / und rief Ka-em-zwei-ein, Ka-em-zwei-ein…“ Das kann man aktuell umdichten: „Ein Rabe saß im Rosenstein / und rief Lügenpack zwei-ein, Lügenpack zwei-ein…“
Bei der Grundwasser-Anhörung auf der Messe am 12. Dezember sagte ein Herr aus Stuttgart-Vaihingen zum L-Wort: „Dieser Ausdruck ist unstreitig aggressiv und gehört einer unteren Sprachebene an, ist also nicht salonfähig, aber dem Inhalt nach – ich betone: nicht der Form, sondern der Sache nach – ist er voll gerechtfertigt.“
Er hat für das hässliche L-Wort was Besseres vorgeschlagen. Sein Vorschlag heißt so (jetzt seid Ihr aber gespannt!), also, statt dem aggressiven L-Wort sollen wir rufen: „Wir haben Anlass zu der Vermutung, dass die Projektbetreiber die Parlamente und die Öffentlichkeit nicht rechtzeitig, nicht vollständig und nicht korrekt informiert haben!“ Das ist doch wunderbar korrekt! Der winzig kleine Nachteil ist die Länge: 47 Silben statt nur 3. Aber wir können es ja mal praktisch ausprobieren, Ihr seid dran!
TUBA: Oh du lieber Augustin…
Melodram: alles ist hin - Nordflügel weg, Südflügel weg, Park ist weg, alles weg…alles ist hin!
Die Halbwertszeit von den 21 guten Gründen war sehr kurz, schon ein Jahr später gab es das Pixiheftle der Stadt Stuttgart nicht mehr. Es kam jetzt aus dem Kommunikationsbüro der Bahn und war größer im Format, statt 18 Seiten jetzt 48 Seiten, also fast dreimal so dick und auch das Dreifache der Bilder, statt 5 Bildern sind es jetzt 15, meistens vom Typ Schwindelbilder. Und viel mehr gute Gründe sind dazu gekommen, alle 21 Kapitel haben andere Überschriften! Raffinierte Propaganda! Zum Beweis genügen schon die Kapitelüberschriften. Dazu passen sehr gut die Narrenrufe aus unserm Faschingsländle:
- Mehr Züge im Durchgangsbahnhof. Esslingen: Halli-Galli
- Stadt wird schöner! TUBA Die Stadt wird schöner! TUBA
- „Das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm wird den Ruf Stuttgarts mitprägen.“ Fragt sich nur wie! Reutlinger: Schandi - Schando!
- Die Mineralquellen sind gut geschützt… Stuttgart-Hofen: Komma gschwomma!
- Jetzt hört Euch mal an, was im Text dabei steht: Die Mineralquellen „werden ständig auf ihre Ausschüttung und Zusammensetzung des Wassers untersucht. …Bei Abweichungen werden sofort schon im Vorfeld festgelegte Maßnahmen ergriffen.“ Aha! Schon im Vorfeld festgelegte Maßnahmen! Vergesst aber nur nicht die Plakate mit der Aufschrift: „Mineralbad geschlossen!“
Zum Schluss kommt aber der Knaller: Die 21 guten Gründe sind weg! Aus dem Verkehr gezogen! Die Broschüre wird nicht mehr ausgelegt! (Sie steht aber noch auf der Projektwebsite der Bahn http://www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de.) Noch vor drei Monaten lag sie im Rathaus und im Turmforum. Warum ist sie jetzt auf einmal verschwunden?
Klar, die Projekt-Kosten stimmen inzwischen auch offiziell nicht mehr, die Bahn musste das zugeben, hat vorher aber noch die Volksabstimmung abgewartet. Aber geben die Bahn und die Befürworter auch zu, was sonst noch alles grottenfalsch ist? Schlicht erfunden, wenn nicht dreist gelogen? Oder glauben die das etwa selbst? Die Realität sieht ganz anders aus!
Die „21 guten Gründe für Stuttgart 21“ sind eine Sammlung von falschen Werbesprüchen, Halbwahrheiten und Luftnummern! Die Menschen aus dem Land und besonders die Stuttgarter werden zum Narren gehalten! Deshalb sind wir ja so narret!
TUBA: Oh du lieber Augustin…
Melodram: … alles ist hin! Geld ist weg, Bäume weg, alles weg, alles im Dreck! O du lieber Augustin, alles ist hin!