Die Kampagne gegen die Tunnelbohrmaschine (www.tunnelbohrer.infooffensive.de) gibt bekannt:
In einer Nacht- und Nebelaktion, also wie immer, ist am Donnerstag, 5.12.2013 das Schiff Yaris aus Kehl unbemerkt im Hafen Stuttgart eingetroffen.
Es hatte wohl den 200 t schweren Antrieb des Bohrkopfes für die S-738, die den Fildertunnel bohren soll, an Bord.
Wir konnten unser Ziel, die Tunnelbohrmaschine auf ihrem Transportweg nicht ungehindert passieren zu lassen, nicht verwirklichen.
Zumindest nicht auf dem Wasserweg – es gibt ja auch noch den Landweg.
Transport des Bohrkopfes am 12.12.2013, ab ca. 19:00 Uhr, Am Mittelkai 20 – 22, Hafen Stuttgart.
Mensch sieht sich...
Zur Erinnerung und Motivation die Rede von Eisenhart von Loeper, die er am 8.06.2013 in Kehl auf der Passarelle
beim Kampagnenauftakt gehalten hat:
Liebe Freundinnen und Freunde,
für das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 beteilige ich mich mit Euch allen hier gern an dieser Auftaktkundgebung für den zivilem Widerstand gegen den Bohrertransport.
Je mehr wir im Aktionsbündnis erfahren mussten, wie wenig Argumente gehört werden, wie wenig sie zählen,
und je mehr wir erleben mussten, dass die Justiz zwar eifrig Menschen bestraft, die sich unter hohem persönlichen Einsatz für das Gemeinwohl einsetzen, aber nicht bereit ist, sich mit den Mächtigen und dem großen Geld anzulegen,
desto mehr sind wir uns einig, dass es ein moralisches Recht auf zivilen Ungehorsam gibt.
Wir müssen uns mit allen vernünftigen und friedlichen Mitteln diesem Zerstörungswerk in den Weg stellen. Die Blockade dieses Tunnelbohrers muss beispielgebend für den zivilen Widerstand werden.
Schon vor Jahrzehnten hat die Anti-Atom-Bewegung unweit von hier, in Whyl, gezeigt, wie mit dem Widerstand durch Platzbesetzungen und Zehntausenden von Protestierern ein Atomausstieg durchgesetzt werden konnte – und das fast 30 Jahre bevor es auch die Politik begriffen hat. Deshalb finde ich es großartig, dass sich so viele badische, elsässische und kurpfälzische Initiativen beteiligen, um den Wahnsinn von Stuttgart 21 und das dahinter stehende Prinzip zu überwinden.
Wenn wir es schaffen, dieses Monster entlang der ganzen Transportstrecke – sagen wir mal – kritisch zu begleiten, dann können wir viele Menschen wachrütteln. Damit durchkreuzen wir das überall erkennbare Bemühen, Stuttgart21 zu verschweigen. Denn es gilt mehr denn je der alte Slogan der Bürgerbewegungen: „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht!“
Die Tunnel-Bohrmaschine der Firma Herrenknecht ist ein technischer Dreh- und Angelpunkt für die DB AG und ihre Helfer, Stuttgart 21 umzusetzen – trotz Unwirtschaftlichkeit, mittels rücksichtsloser Machtpolitik und unter Missachtung menschlicher Grundbedürfnisse.
(1) Die Deutsche Bahn selbst und die Bundesregierung haben am 12. Dezember letzten Jahres ihren Offenbarungseid geleistet: Stuttgart 21 ist mit der Kostenexplosion um bislang 2,3 Milliarden € längst wirtschaftlich am Ende und würde heute nicht mehr begonnen. Die Bahnchefs haben aber öffentlich Ausstiegskosten von zwei Milliarden Euro zusammenphantasiert, um sagen zu können, der Ausstieg sei um 77 Millionen € teurer als der Weiterbau.
Wie absurd das ist, zeigen allein schon zwei Fakten:
1,1 Mrd. € betreffen allein die von der Bahn jetzt eingeräumte eigene Fehlkalkulation, für die der Vorstand einstehen müsste.
Und 548 Millionen Euro wurden für den Fall des Ausstiegs mit 30 Prozent des Restauftrags angesetzt, das heißt, mehr als eine halbe Milliarde Euro Kosten für vorzeitig abgeschlossene Ingenieur-und Bauverträge ohne jede Gegenleistung?! Die Bahn erklärt sich damit selbst für blöde!
Aber da steckt etwas anderes dahinter: Bahn und Bund halten an S 21 fest, weil der Größenwahn der Großindustrie ihre Politik bestimmt. Die ZEIT schrieb dazu (am 28.02.13):
„Alle wissen, dass Stuttgart 21 in einem Desaster enden wird. Doch wird der neue Bahnhof trotzdem gebaut, weil er längst ein Symbol der Macht ist …“ Man wollte also einen Ausstieg und Turbulenzen mitten im Wahljahr vermeiden. Deshalb haben die Kanzlerin und ihre Koalition den Vorstand und Aufsichtsrat der Bahn zum Weiterbau-Beschluss vom 5. März veranlasst. Ein solcher Eingriff aus derart niedrigen politischen Beweggründen ist ein glatter Verstoß gegen das Aktienrecht. Ein so zustande gekommener Beschluss ist nichtig und erfüllt den Straftatbestand der Untreue.
(2) Unabhängig davon wiegt schwer für die Frage unseres Widerstands: Das Stuttgart 21-Prinzip missachtet die Grundbedürfnisse der Bahnreisenden auf eine kundenfreundliche Infrastruktur und zerstört das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf eine am Gemeinwohl orientierte Stadt. Das ist eine verfassungswidrige, eine perfide Moral.
Es betrifft nicht allein die Stuttgarter, sondern uns alle als Bahnfahrer, wenn der Tiefbahnhof mit gefährlichem Gleisgefälle und unzureichendem Brandschutz realisiert wird. (Was soll man übrigens von Grubes Entschuldigung bei den Opfern von Eschede halten, wenn er zugleich einen Bahnhof durchpowert, der mit Sicherheit in seiner Geschichte noch viele Menschenleben kosten wird?)
Es betrifft nicht nur die Stuttgarter, wenn die Leistungsfähigkeit in der Spitzenstunde von 50 auf 32 Züge, also um etwa 30 Prozent vermindert wird und zweistellige Milliardenbeträge sinnlos verschwendet werden, die an anderer Stelle für wichtige Infrastrukturprojekte fehlen.
(3) Dieser Tunnelbohrer darf auch deswegen nie nach Stuttgart gelangen, weil die Kostenfrage völlig ungeklärt ist. Es müsste doch jeder Projektpartner - auch die Landesregierung und die Stadt Stuttgart, egal ob Befürworter oder Gegner - darauf bestehen, dass die ungesicherte Gesamtfinanzierung jetzt durch gerichtliche Entscheidung geklärt wird, statt sich mitten im Tunnel einer Erpressung der Bahn zu weiterer Mitfinanzierung auszusetzen. Die Politik muss endlich begreifen, dass wir Bürgerinnen und Bürger nicht mehr ihre beliebige Manövriermasse und Melkkühe sind.
Umso weniger, als die geplanten 61 km Tunnelbohrungen tiefe Wunden in Natur und Umwelt schlagen, die Gebäudesicherheit, den Grundwasserschutz , den Mineralquellenschutz und damit auch die Lebensinteressen künftiger Generationen missachten würden.
(4) Wo bleibt in diesem Konflikt die Justiz? Sie hätte nach unserem Grundgesetz die balance of power, die Kontrollaufgabe im Sinne der Gewaltenteilung zu erfüllen. Doch bei Stuttgart 21 hat die Justiz bisher leider über das Versagen und den Rechtsbruch der Mächtigen hinweggesehen. Und was noch ausstehende Verfahren bringen werden, wissen wir nicht.
Gerade deshalb muss unser Widerstand eindrucksvolle Zeichen setzen: Wenn also gewaltfrei Bau- oder Transportmaßnahmen zu S 21 angemessen effektiv behindert werden und wenn dies zum Schutz höherrangiger Rechtsgüter geschieht, sehe ich darin einen sogenannten rechtfertigenden Notstand. Wir stellen uns dem Lug und Trug entgegen, wir widersetzen uns dem gesetzwidrig zustande gekommenen Beschluss der Bahngremien zum Weiterbau von S 21. Nicht wir begehen dann Rechtsbruch, sondern wir wollen den weiteren Rechtsbruch vereiteln!
Als Anwalt bin ich ein sog. Organ der Rechtspflege, und als solches verweise ich darauf, dass jeder letztlich selbst für sein Verhalten einstehen muss.
Ich wünsche mir mit Euch, dass wir einen zivilen Widerstand gegen den Bohrerprojekt hinbekommen, bei dem jeder sich so einbringen kann, wie er es für richtig hält oder wie er sich traut. Wir bewundern die Mutigen, die große Risiken auf sich nehmen, aber wir wollen Aktionen machen, die allen ermöglichen mitzumachen, auch ohne Helden zu sein und ohne sich als Helden zu verbrennen.
Lasst uns gemeinsam die Vorbereitungen fortsetzen gegen den Versuch, dieses Zerstörungsmonster nach Stuttgart zu bringen. Auf dass unser Widerstand zu einem Meilenstein bei der Beendigung dieses Wahnsinns werde!
Der Tunnelbohrer soll bleiben, wo er ist. WIR BLEIBEN OBEN.
Wer ist denn nun eigentlich ursprünglicher Autor dieses Textes?
Nach der Formulierung müsste das ja ein Anwalt sein.
Die von Andrea zitierte Äußerung von Eisenhart von Loeper am Ende seiner verdienstvollen Rede vom 8. Juni 2013 anlässlich des beginnenden Tunnelbohrer-Transportes kann ich als Gründlerbiograf nicht unkommentiert lassen. Er hatte gesagt:
„Ich wünsche mir mit Euch, dass wir einen zivilen Widerstand gegen den Bohrerprojekt hinbekommen, bei dem jeder sich so einbringen kann, wie er es für richtig hält oder wie er sich traut. Wir bewundern die Mutigen, die große Risiken auf sich nehmen, aber wir wollen Aktionen machen, die allen ermöglichen mitzumachen, auch ohne Helden zu sein und ohne sich als Helden zu verbrennen.“
Wenn diese Äußerung Eisenharts eine Bezugnahme auf das Fanal Hartmut Gründlers am 16. November 1977 sein soll, so hätte ich die Oberflächlichkeit der Faktenbewertung zu bedauern. Die Selbstverbrennung Gründlers, der übrigens dem Nagolder Rechtsanwalt Mitte der Siebzigerjahre persönlich begegnete, war nicht so sehr Ausdruck eines zivilen Widerstandes gegen ein Großprojekt (damals: AKW-Weiterbau und die letztlich unlösbare Endlagerung) sondern ein Zeichen auf einer höheren Stufe gegen das damals schon erkennbare, die freiheitlich-demokratische Grundordnung untergrabende Prinzip der Lüge auf Regierungsebene; für Gründler war dieses Feuerzeichen der so nicht geplante letzte Akt seines von Gandhi inspirierten „Experimentes mit der Wahrheit“.
Wilfried Hüfler, Reutlingen