Beitrag von RA Dr. Eisenhart von Loeper, Aktionsbündnis gegen S21, bei der 180. Montagsdemo am 15. Juli 2013
Bürgerbegehren bringt S21 vor Gericht zum Kochen - Verfassungsverstoß der Mischfinanzierung beim Milliardenfiasko Stuttgart 21
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Freundinnen und Freunde,
das gab es noch nicht: Erstmals wird am Mittwoch, 17. Juli ab 9.30 Uhr im Stuttgarter Verwaltungsgericht aufgrund unseres Bürgerbegehrens die Frage verhandelt, ob die Zuschussfinanzierung der Landeshauptstadt zu Stuttgart 21 verfassungswidrig ist. Wir sagen: Das Grundgesetz verbietet es, dass sich ein reiches Land eine Bundesaufgabe als Prestigeprojekt ködert. Verträge solcher Art sind verfassungswidrig und nichtig.
Leider hatte das Verwaltungsgericht Stuttgart vor vier Jahren gegen das erste Bürgerbegehren entschieden und die Fragestellung der verfassungswidrigen Mischfinanzierung damals gar nicht gesehen. Es hat damals immerhin aber bescheinigt, dass auch eingegangene Verträge bei einem Wegfall ihrer Geschäftsgrundlage kündbar seien.
Die Gerichtsverhandlung verspricht spannend zu werden. Wir sind in unserer Prozessführung bestens aufgestellt, besonders mit unserem Berliner Rechtsanwalt H.-G. Kluge, der ehemals Richter am Oberverwaltungsgericht und Staatssekretär im Justizministerium war und der sich hier mit uns stark engagiert. Wenn das Verwaltungsgericht das Bürgerbegehren als verspätet abweisen wollte, wäre ihm dieser Weg versperrt, denn die Verhandlung ist mit zahlreichen schriftlich eingereichten Beweisanträgen vorbereitet, die kurz umrissen an die frühere Entscheidung anknüpfen und darauf zielen: Es gibt bei S21 seit einigen Monaten eine völlig neue Lage, weil die Geschäftsgrundlage der dazu eingegangenen Verträge weggefallen ist, seitdem niemand für das Finanzierungsdefizit der Deutschen Bahn von 2,3 Mrd. EUR aufkommen will. Die Bahn nicht, weil sie nach Aktienrecht wirtschaftlich handeln muss und daher die Hälfte der Mehrkosten von Stadt und Land einklagen will, und Stadt und Land nicht, die es ihrerseits ablehnen, zusätzliche Geschenke an die Bahn zu leisten.
Wird das Gericht den Beweisanträgen zur neuen Lage pflichtgemäß nachgehen, dann haben wir in einem späteren neuen Termin spannende Vernehmungen insbesondere von Staatssekretären der Bundesregierung zu erwarten. Die Sache S21 käme dann zum Kochen und auf die Kippe. Darauf müssen sich die Bahn und die Politik jetzt einrichten.
Sollte das Verwaltungsgericht aber über alle Anträge anfechtbar abweisend entscheiden, dann bliebe der weitere Rechtsweg aussichtsreich. Allerdings sollten wir dann parallel dazu wegen des Wettlaufs mit der Zeit über einen neuen Vorstoß für ein drittes Bürgerbegehren beraten. Denn auf keinen Fall darf die Bahn immer weiter Fakten schaffen, Stadt und Land in ein bis zwei Jahren mit einer von niemand gewollten Bauruine erpressen und zur weiteren Mitfinanzierung zwingen. Das wäre mit der Souveränität von Stadt und Land und mit dem Gebot sparsamer Haushaltsführung absolut unvereinbar.
Ein neues Bürgerbegehren müsste daher noch im Vorfeld der Bundestagswahl die rechtlichen Konsequenzen aus der unbestreitbar weggebrochenen Finanzierung von Stuttgart 21 einfordern und mit der Idee der Feststellungsklage verknüpfen. Dieser Schritt ließe eine breite Zustimmung erwarten und er ließe sich sogar bei Ablehnung des Gemeinderats in gerichtlichem Eilverfahren durchsetzen, wie es der Verwaltungsgerichtshof Mannheim vor drei Jahren im Nagolder Konfliktfall anerkannt hat.
Wieso sollte das Gericht bei einer Nachprüfung einer Entscheidung denn später eingetretene Änderungen der Sachlage überhaupt berücksichtigen können?
Das Gericht hat doch (nur) zu entscheiden, ob angefochtene Entscheidung – zum Zeitpunkt, zu welchem diese ergangen ist, korrekt war.
Wenn jetzt ausgeführt wird, dass es bei S21 seit einigen Monaten eine völlig neue Lage gibt, muss wiederum die gesetzliche Frist von 6 Wochen beachten, so dass auch ein 3. Begehren schon wieder verfristet sein dürfte.
Die Mischtfinanzierung ist auch bei der angefochtenen Entscheidung schon rechtswidrig
gewesen.
Die Mischfinanzierung war (schon) vor vielen Jahren strittig und ist also nichts Neues, insbesondere nichts, worauf man sich aktuell stützen könnte.
Ich gehe also davon aus, dass das Gericht sich damit auch jetzt gar nicht befassen wird.
So spannend war es dann aber auch nicht.
Stuttgart – Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 sind erneut vor Gericht gescheitert. Das Verwaltungsgericht Stuttgart wies am Freitag ihre Klage gegen die Stadt Stuttgart auf ein Bürgerbegehren zurück. Mit diesem wollten die Projektgegner erreichen, dass die Stadt aus dem Milliardenvorhaben aussteigt und sich nicht an den Kosten beteiligt. Nach Ansicht der Kläger ist die Mischfinanzierung des Projekts verfassungswidrig. Die Vorsitzende Richterin Sylvia Thoren-Proske sagte dagegen: „Ein Kündigungsgrund wegen verfassungswidriger Mischfinanzierung liegt nicht vor.“