Rede von Manfred Niess, Klima- und Umweltbündnis Stuttgart und Aktion Stadtwerke, auf der 178. Montagsdemo am 1.7.2013
Stadtwerke Stuttgart – Keine Täuschung durch den Gemeinderat!
Liebe Freunde eines vernünftigen Kopfbahnhofes, liebe Freunde einer nachhaltigen Energieversorgung,
meine Name ist Manfred Niess. Ich spreche im Namen vom Klima- und Umweltbündnis Stuttgart und von der Aktion Stadtwerke.
Ich möchte mit den von Peter Grohmann oft gestellten Fragen beginnen: Wessen Bahnhof? Wessen Park? Wessen Stadt? Wessen Stadtwerke?
Ich bin heute hier, um Ihnen kurz einige Informationen zu geben zu einer der nach S21 wichtigsten Entscheidungen in der Stadt. Es geht um die Frage: Wer hat das Sagen bei den Stadtwerken? Aber die Frage hat viel weitreichendere Konsequenzen: wollen wir in Stuttgart und in Baden-Württemberg ein schnelle, vollständige Energiewende oder nicht? In einem Bürgerbegehren haben über 26 000 Stuttgarter die Frage bejaht: „Sind Sie dafür, dass die Stadt Stuttgart die Konzession und den Betrieb der Netze für Wasser, Strom, Gas und Fernwärme spätestens ab 1.1.2014 selbst übernimmt?“.
Im Gemeinderat war zu hören, dass sie im Prinzip hinter dem Bürgerbegehren stünden, es aber leider aus juristischen Gründen ablehnen müssten. Einige Stadträte haben dem Bürgerbegehren noch einige Krokodilstränen hinterhergeweint. „Die Entscheidung über die Energieversorgung muss in einem rechtlich geregelten Verfahren stattfinden“ sagen sie. Damit verschanzen sich die Gemeinderäte hinter diesem angeblich objektiven Verfahren, schieben die Verantwortung auf Juristen ab und tun so, als ob sie gar keine politische Verantwortung hätten.
Hinter den Kulissen sieht es aber ganz anders aus: Der bürgerliche Block möchte die EnbW unbedingt im Boot haben, die FDP will, dass alles beim Alten bleibt. Eine knappe linke Mehrheit befürwortet kommunale Stadtwerke allein oder mit einem kommunalen Partner. Da im Rathaus eine breite Mehrheit gewünscht wird, sind die SPD und Grünen-Stadträte umgefallen. Laut StZ sind sie bereit, in einem Kooperationsmodell einem starken Partner (nach Wunsch der Bürgerlichen: die EnBW) in der Netzbetreibergesellschaft eine 3/4-Mehrheit zu geben. Dies alles soll nun im Geheimen unter Ausschluss der Öffentlichkeit beschlossen werden. Die Fraktion SÖS und Linke lehnen dies ab.
Eine Mehrheit der Stadtwerke bei der Netzbetreibergesellschaft ist aber entscheidend, ob die Stadt im Energiebereich wieder das Sagen hat oder nicht!
Wir wollen kommunale Stadtwerke wie in München, das den zweitniedrigsten Strompreis hat, einen Gewinn von 556 Mio. Euro macht, bis 2025 den gesamten Strombedarf grün herstellen möchte und dafür 9 Mrd. Euro investiert, anderthalbmal so viel, wie in Stuttgart für S21 ausgegeben wird.
Wir wollen kein weiter so mit einem energiepolitischen Dinosaurier mit 42% Atomstrom. Nachdem die EnBW die TWS vor 10 Jahren übernommen hat, gibt es in Stuttgart gerade mal 1,2% erneuerbaren Strom!
Kurz zum angeblich objektiven Konzessionsverfahren: Das Verfahren soll transparent und diskriminierungsfrei sein.
Wie sieht die Transparenz aus? Das Verfahren wird nicht-öffentlich in einem Unterausschuss behandelt. Nur wenige Gemeinderäte haben ein Herrschaftswissen, die anderen Gemeinderäte werden kaum informiert; nach außen dringt an die Öffentlichkeit außer wenigen Indiskretionen fast keine Information.
Das Verfahren soll diskriminierungsfrei sein: Jetzt soll ein Kooperationsmodell ausgeschrieben werden, welches ausschließlich an den Interessen der EnBW ausgerichtet ist. Alle anderen Bewerber haben bereits angeboten, den Stadtwerken die unternehmerische Mehrheit einzuräumen.
Mit der Entscheidung, den Stadtwerken nur eine Minderheitsbeteiligung als Netzbetreiber zu geben, kettet der Gemeinderat das Schicksal der Stadt an einen maroden Energieversorger, dessen dauerhaftes Überleben nicht gesichert ist; außerdem gefährden sie die Existenz der neuen Stadtwerke.
D. h. im Klartext: das Verfahren ist eine Farce, die Entscheidung wird politisch gefällt und für viele Gemeinderäte ist jetzt schon klar, wer der zukünftige Kooperationspartner sein soll, obwohl eine 100% kommunale Lösung möglich wäre.
Als Netzbetreiber ist die EnBW natürlich auch ein guter Netzwerker: Bei der CDU macht die Lobby- Arbeit „Haus und Grund“, bei der SPD gibt es ein Netzwerk von ver.di und dem Verein „Mit uns für Baden-Württemberg“, einem EnBW Lobby-Verein.
Außerdem macht die Landesregierung bei SPD und Grünen mächtig Druck. Schließlich ist sie auf Zahlungen der EnBW zur Finanzierung des Mappus-Deals angewiesen. Dazu kann man mit Franz Alt nur sagen: verfilzt und zugenäht.
Für was haben wir eine neue Regierung und einen neuen Bürgermeister gewählt? Warum wird S21 ohne Genehmigung weitergebaut? Wie kann es eine Energiewende ohne richtige Stadtwerke, aber mit der EnBW geben? Wo ist der Politikwechsel? Sind Grüne und SPD die Urlaubsvertretung der CDU?
Wir fordern: 100% kommunale Stadtwerke, ohne einen fossil-nuklearen Netzbetreiber. Wir fordern eine Entscheidung, die im Interesse der Stadt ist, kein shareholder value sondern ein citizen value, wo die Gewinne nicht einer Aktiengesellschaft zufließen, sondern eine regionale Wertschöpfung in der Kommune stattfindet.
Wir fordern, dass die Gemeinderäte sich ihrer Verantwortung stellen: Liebe Montagsdemonstranten, bitte schickt viele der ausliegenden Briefe an die Gemeinderäte, damit das Verfahren endlich transparent und öffentlich wird.
Wir bleiben auch in der Energiewirtschaft oben!
Grün-Rot hatte noch zu Oppositionszeiten eine Rekommunalisierung der Energieversorgung befürwortet und mit der Dezentralisierung der Stromproduktion den Weg in einen möglichen gesellschaftlichen Wandel gesehen Man denke hier auch an das Konzept des ehemaligen Direktors der Stadtwerke Rottweil Siegfried Rettich in den 80zigern des letzten Jahrhunderts. Eine der ersten Handlungen der grossen CDU/SPD Koalition damals war übrigens Rettich als von der SPD eingebrachten Energieberater der Landesregierung zu entfernen
Nun, statt eines Wandels haben wir eben nach dem geltenden rot-grünen Koalitionspapier einen Wechsel bekommen, ein Wandel, der sich auf den Wechsel der regierenden Pappnasen beschränkt. Same banana different peel. Einmal mehr. Man hat sich so daran gewöhnt.
Doch mit den milliardenschweren Stromtrassen auch für die Windparks der EnBW in der Nordsee ergibt sich für die Landesregierung ein völlig anderes Szenario: diese Stromtrassen müssen sich amortisieren wie auch die Windparks der EnBW in der Nordsee und sind nach der neuartigen Energiepolitik der rot-grünen Landesregierung jetzt eben alternativlos und marktkonform.
Eine Rekommunalisierung und damit Vertrieb und Produktion des Stromes in Bürgerhand ist wie unter der CDU/FDP auch unter Rot-Grün nicht erwünscht und die grossen Vorsätze von Rot-Grün für eine Stromproduktion in Bürgerhand und damit eine weitere mögliche Demokratisierung der Gesellschaft sind über Bord gegangen. Wer´s noch nicht gemerkt hat, der weiss es jetzt.
Aus dieser Alternativlosigkeit der Stromtrassen für die Landesregierung wie beschrieben, für die der Verbraucher kräftig zahlen muss, hier vornehmlich die Privathaushalte wohlgemerkt, ergibt sich eben für die Energiepolitik des Landes und damit auch für die Stadt Stuttgart ein völlig anderes Szenario als das, was zur Energiewende notwendig wäre: die Landesregierung muss aus wirtschaftlichem Interesse, denn ihr gehören die EnBW etwa hälftig, nicht nur dieser Stadt eine Abfuhr erteilen. Und das wird zunächst demokratisch versucht wie bei S21 und wie es Herr Niess hier beschrieben hat.
Andere Kommunen mussten das schon beim Versuch des Netzrückkaufes erfahren. Denn da geht nichts geht bei der EnBW, jedenfalls nichts zu wirtschaftlich akzeptablen Konditionen für die Kommunen. Und manche Kommunen, wie OB Ziegers Schuldenkommune Esslingen schlagen sich mit der EnBW gleich gar nicht herum wie z. B. OB Klenk derletzt oder immer noch und nehmen dankend das Geld als Grundstock für eine weitere Verschuldung.
Nun sind die Netze vom Verbraucher schon ein paar Mal bezahlt, trotzdem will die EnBW den unrealistischen Zeitwert beim Verkauf des Netzes realisieren. Dieser ist bei Gericht umstritten. Dort wird vorwiegend (noch!!) für den Ertragswert beim Kaufpreis entschieden.
Aber da die Gerichte jetzt über die EnBW wissen, und das nicht nur beim Netzrückkauf, was die Landesregierung unter dem Amortisierungsdruck des im Norden produzierten Windstromes will und wollen muss, um „erfolgreich“ zu wirtschaften, wird man dort versuchen, den Karriereknick abzuwenden und die Waagschale von Justitia wird sich beim Kaufpreis gen Zeitwert senken, die künftige Zeit wird das belegen, wenn es um Kaufpreisstreitigkeiten beim Verkauf oder ückkauf des Netzes gehen wird, auch in der Landeshauptstadt.
Das wäre dann die zweite zu nehmende Hürde. Also noch ein langer und steiniger Weg zur Rekommunalisierung der Produktion und Verteilung von Strom in Stuttgart.
Herrn Schmid´s und Herrn Kretschmanns EnBW und ihre Vertreter in den Ministerien, der Verwaltung und im Gemeinderat werden der Stadt auf dem Weg zur neuartigen rot-grünen Gestaltung der Energiewende heimleuchten. Wie bei S21. Dasselbe Spiel.
So sieht eben der vom Bürger gewählte Wechsel auch bei der Energiefrage aus. Es ist aussichtslos. Zumal zu wenige sich der Fragen bewusst sind.
Und einmal mehr schlägt die Stunde der Zyniker an der Spitze von Politik und Verwaltung.
Verwaltung und Gemeinderat haben sich nunmehr seit über 3 Jahren mit der Konzessionsvergabe für die Strom- und Gasnetze sowie die Wärmeversorgung befasst. Letzte Woche wurden überstürzt Beschlüsse gefaßt, obwohl wesentliche Rechtsfragen nicht geklärt sind.Nach dem Schreiben des Bundeskartellamtes vom 16.07.2012 wurde die von der Stadt geplante Vorgehensweise für die Auswahl eines Kooperationspartners – Bereich Gruppe D (Konzeption Kooperationsmodell) aus Zeitmangel nicht geprüft. Auch im Gemeinderat scheint Unklarheit darüber zu bestehen, wie der Schlußsatz des Schreibens vom 16.07.2012: „… Nach Auffassung der Beschlussabteilung ist die Konzession für Strom und Gas nach der Bieterreihenfolge auf der ersten Stufe zu vergeben und die Kriterien der zweiten Stufe können im Verfahren der Landeshauptstadt Stuttgart nur bei gleicher Punktzahl zweier Bewerber auf der ersten Stufe zum Zuge kommen. …“ zu verstehen ist.Der jetzt vorliegende Beschlussvorschlag zur Gruppe B (Ausgestaltung des Konzessionsvertrages) und zum Konzessionsvertrag bezüglich der Klausel zum Kündigungsrecht beim Kontrollwechsel („Change of Control-Klausel“) ist nicht nachvollziehbar und in sich widersprüchlich.Frage:Werden Sie als Oberbürgermeister diese wichtigen Fragen im Vorfeld der Gemeinderatsbeschlüsse zur Konzessionsvergabe mit den Kartellbehörden in Bund und Land abstimmen, um rechtliche Risiken möglichst zu reduzieren?