Nachfolgend übermitteln wir Ihnen eine Erklärung von RA Bernhard Ludwig, der mit Unterstützung des Aktionsbündnisses die Verfassungsbeschwerde des Eigentümers einer der wegen Stuttgart 21 zum Abriss vorgesehene Häuser eingereicht hatte. Tenor: Das Bundesverfasungsgericht hat sich in seiner jetzigen Entscheidung noch nicht mit den maßgeblichen Einwänden des Klägers befasst, nach seiner Auffassung: befassen müssen. D.h. es hat weder geurteilt über die Frage, ob die gegebene Mischfinanzierung von Stuttgart 21 verfassungskonform ist, noch über die Frage, ob ein schwerer Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum gerechtfertigt ist für den Bau eines Bahnhofs, der eine Kapazitätsverringerung darstellt.
Voraussichtlich wird daher das BVG in der eigentlichen Sache erneut befasst, wenn die Bahn das bisher noch nicht eingeleitete Enteignungsverfahren beginnt.
Erklärung zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts über die Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde gegen den Weiterbau von Stuttgart 21
Das Bundesverfassungsgericht hat am 17.04.2013 beschlossen, die Verfassungsbeschwerde eines Eigentümers einer Wohnung in einem Gebäude, dessen Abbruch der Planfeststellungsbeschluss im Abschnitt 1.1 von "S 21" vorsieht, nicht zur Entscheidung anzunehmen (vgl. Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 28/2013 vom 19.04.2013). Der Eigentümer hatte im Sommer 2012 vorläufigen Rechtsschutz gegen den Vollzug des Planfeststellungsbeschlusses beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim zur Verhinderung seiner Enteignung beantragt, war aber am 13.08.2012 unterlegen. Dagegen richtete sich seine Verfassungsbeschwerde.
Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass der verfassungsrechtlich garantierte Schutz des Eigentums es verbietet, eine Enteignung zur Verwirklichung des mit einem Planfeststellungsbeschluss zugelassenen Vorhabens anzuordnen, wenn feststeht, dass diese Enteignung aufgrund nachträglich eingetretener Änderungen der Sach- oder Rechtslage nicht mehr dem Gemeinwohl dienen würde, und zwar auch dann, wenn zuvor die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss, der enteignungsrechtliche Vorwirkung entfaltet, rechtskräftig abgewiesen wurde.
Dem widerspricht nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 13.08.2012 nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hatte einen Anspruch auf Aufhebung des rechtskräftig bestätigten Planfeststellungsbeschlusses nur nach den Grundsätzen geprüft, die bislang in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt waren, und ihn wegen der entgegen stehenden Rechtskraft seines Urteils vom 04.06.2006 (Az. 5 S 848/05) verneint. Dieser prozessrechtliche Standpunkt des Verwaltungsgerichtshofs ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts (nur darauf werden Gerichtsentscheidungen vom Bundesverfassungsgericht überprüft) sei insoweit nicht ersichtlich.
Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht über die eigentlichen Fragen nicht entscheiden, ob die Anordnung der Enteignung hier nicht mehr dem Gemeinwohl dienen würde, weil die Finanzierung des Projekts zu einem erheblichen Teil verfassungswidrig ist (Verstoß gegen Art. 104a Abs. 1 GG), zudem einen unzulässigen Rückbau der Leistungsfähigkeit des bestehenden Bahnknotens bedeuten würde und die noch offenen, für das Projekt wesentlichen Planfeststellungsabschnitte (1.3 und 1.6b) deshalb nicht genehmigungsfähig sind.
Da die Anordnung der Enteignung nicht durch den Planfeststellungsbeschluss selbst unmittelbar erfolgt, sondern erst in einem nachfolgenden Enteignungsverfahren verfügt wird, stellt sich die Frage, ob sie dem Gemeinwohl noch dienen würde, jetzt umso dringender. Denn der Eigentümer, dessen Wohnung die Deutsche Bahn AG im Wege einer im März beantragten vorzeitigen Besitzeinweisung zum 21.05.2013 in Anspruch nehmen will, wird sich dagegen notfalls gerichtlich wehren. Dabei wird er seiner Enteignung entgegen halten, dass sie deshalb nicht dem Gemeinwohl dient, weil inzwischen die Finanzierung aufgrund eines verfassungswidrigen Finanzierungsvertrags ausgeschlossen ist und das Projekt in den noch offenen Planfeststellungsabschnitten auch deshalb scheitern wird, weil es als planerischer Missgriff die Leistungsfähigkeit des Bahnknotens Stuttgart verringern würde.
Kontakt: Bernhard Ludwig, Rechtsanwalt