Rede von Dipl.-Ing. Hans Heydemann, Ingenieure 22, auf der
165. Montagsdemo am 18.3.2013
Das Problem mit den Abwasser-Dükern und Cross-Border-Leasing!
Wusstet Ihr, dass der vorgesehene Tiefbahnhofstrog sämtliche Abwasserhauptkanäle aus der Innenstadt zerschneidet? Bisher war ja, wenn überhaupt, nur vom Nesenbach-Düker die Rede – das ist zwar der größte und wegen seiner Tiefenlage auch der bautechnisch schwierigste, weil er unter Wasser gebaut werden muss, und man nicht so recht weiß, ob und wie das gehen wird. Dass er dabei auch noch im lichten Querschnitt von bisher 7 x 3,60m auf nur 6 x 3,60m deutlich um rund 16 Prozent verringert wird, hat aber niemand mitgekriegt. Also wird er künftig weniger Wasser ableiten können als bisher!
Doch der Nesenbachkanal ist nicht der einzige, dem der Bahnhofstrog in den Weg gebaut werden soll: Da ist als nächstes der Abwasserhauptsammler Cannstatter Straße entlang dem abgerissenen Südflügel, der die Bereiche Königstraße und Schillerstraße entwässert. Dieser Abwasserkanal mit einem Querschnitt von 2,08 x 2,05m soll durch ein Rohr mit 2,20m Durchmesser ersetzt werden; das sind nur noch 88 Prozent! Dieser neue Kanal soll nach den Planfeststellungsunterlagen parallel dazu im Park entlang dem früheren ZOB gebaut werden – genau unter dem bereits erstellten GWM hindurch. Wie die Bahn das machen will, bleibt ihr Geheimnis. Wie gesagt, es handelt sich ja um das bestgeplante Vorhaben aller Zeiten!
Dann ist da der Hauptsammler West, als Maulprofil 4,50 x 2,80m mit einem Querschnitt von 10m² aus der Kriegsbergstraße kommend und als Rohr 3,7m Durchmesser unter dem LBBW-Gebäude hindurchgeführt. Weil der U-Bahn-Tunnel im Weg ist, muss der Hauptsammler zunächst bis knapp vor das Technikgebäude am Nordausgang abgeschwenkt werden, bevor er auf drei Einzelrohre 0,8m, 1,6m und 3,2m Durchmesser aufgesplittet unter dem Trogbauwerk hindurchgeführt und auf der anderen Seite knapp vor der Glasfassade der LBBW hochgeführt und dort an die Bestandsleitung wieder angeschlossen wird.
Dazu muss unmittelbar vor dem LBBW-Gebäude eine 20m tiefe Baugrube ausgehoben werden, 12m unterhalb der Fundamente des LBBW-Gebäudes und mehrere Meter tief in das Grundwasser hinein. Wie die Bahn das hinkriegen will, ohne dass das LBBW-Gebäude dabei einstürzt, bleibt ihr Geheimnis. Womöglich steht auch das auf der geheimen Liste der 121 Risiken von Hany Azer.
Schließlich gibt es noch den Abwassersammler Lautenschlagerstraße, bisher als Rohr mit 1,0 m Durchmesser entlang dem abgerissenen Nordflügel verlaufend. Dieses soll nun durch ein Rohr mit nur 90 cm Weite ersetzt werden, was eine Querschnittsverringerung auf 81 Prozent bedeutet. Außerdem soll es an die Zulaufseite des neuen Dükers Hauptsammler West angeschlossen werden, abwassertechnisch ein Unding, weil der Hauptsammler West hier rd. vier Meter höher liegt! Damit ist ein Rückstau im Abwassersammler Lautenschlagerstraße unvermeidlich, die Überflutungsgefahr bei Starkregen erheblich größer.
Weil der bestehende Abwassersammler Lautenschlagerstraße mitten durch die Baugrube des neuen Technikgebäudes hindurchführte, wurde er inzwischen winkelförmig entlang der Baugrubenwand umverlegt und mittels Durchpressung an den Bestands-Schacht 024 wieder angeschlossen; die Bestandsleitung innerhalb der Baugrube wurde entfernt.
Beim Aushub der Baugrube für den Bahnhofstrog muss diese neu verlegte Leitung zurückgebaut und dazu ein weiteres Mal umgelegt und in den neuen Düker des Hauptsammlers West umgeschlossen werden – mit einer neu zu verlegenden, rd. 80 m langen Leitung 90 cm Durchmesser knapp neben der neuen Abwasserleitung DN 1.000 mm Durchmesser in der Baugrube. Die gerade neu verlegte Leitung wird damit nutzlos; die dafür aufgewendeten Baukosten von schätzungsweise 150.000 bis 200.000 Euro sind dann sinnlos vertane öffentlicher Gelder! Warum wurde die Umlegung dieser Leitung nicht so vorgesehen, dass sie nach Errichtung des Dükers dorthin hätte umgeschlossen werden können? In Summe wären durch eine besser abgestimmte Planung allein bei dieser einen einzigen Umlegungsmaßnahme schätzungsweise eine halbe Million Euro an Kosten einzusparen gewesen! Wie gesagt, es handelt sich um das bestgeplante Projekt.
Grundsätzlich stellt die Dükerung immer ein Hindernis dar mit einer Einschränkung der bisherigen Abflussleistung, was bei Starkregen-Ereignissen die Überschwemmungsgefahr in der Innenstadt vergrößert! Das ist nie in der Öffentlichkeit dargestellt worden.
Außerdem müssen die Düker regelmäßig von dem sich hier unvermeidbar absetzenden Schlamm gereinigt werden, weil dieser nicht wie in einer gerade durchgehenden Leitung fortlaufend von selber weggespült wird. Wer trägt die dadurch verursachten Folgekosten? Die Bahn als Verursacher wohl sicher nicht! Also werden das die Bürger der Stadt durch erhöhte Abwassergebühren tragen müssen! Auch das ist nie in der Öffentlichkeit dargestellt worden.
Während der mehrtägigen Umschlussarbeiten der neuen Düker an die jeweilige Bestandsleitung ist keine Abwasserableitung möglich. Dafür wird eine sehr aufwendige Ersatzlösung notwendig, die aber nirgends berücksichtigt ist! Der Tiefbahnhof verschlechtert also die Abwasserableitung der gesamten Innenstadt!
Aus fachtechnischer Sicht hätte das Tiefbauamt Stuttgart der aufwendigen Dükerung der Hauptabwassersammler für den geplanten Tiefbahnhof S21 nicht zustimmen dürfen; damit könnte dieser nicht gebaut werden. Das lässt vermuten, dass Druck von hoher politischer Seite auf die Entscheidung ausgeübt worden ist. Wir haben dem Tiefbauamt dazu 16 peinliche Fragen gestellt – auf die Antworten sind wir gespannt.
Es kommt aber noch besser: Das Abwassernetz der Landeshauptstadt Stuttgart wurde 2001 – wie die Trinkwasserversorgung übrigens auch – mit einem Cross-Border-Leasing-Vertrag an einen US-Investor verkauft, gehört also gar nicht mehr der Stadt! Diese darf – und muss! – das Abwassernetz betreiben und auch unterhalten; dafür zahlt die Stadt dem Investor alljährlich ein hübsches Sümmchen von etlichen Millionen Euro! Der Erlös aus beiden Verkäufen diente damals dazu, der Bahn 2001 vorzeitig die Gleisflächen abzukaufen!
Wurde der Investor als Besitzer des Abwassernetzes überhaupt zu diesen Veränderungen am Abwassernetz befragt? Nach den Vertragsunterlagen darf die Stadt wohl Instandsetzungs- und Erneuerungsmaßnahmen am Abwassernetz vornehmen, aber keine Verschlechterung herbeiführen. Genau dies aber geschieht mit dem vorgesehenen Bau der Düker! Somit handelt die Stadt vertragswidrig!
Und jetzt der Skandal: In der öffentlichen Sitzung des Umwelt- und Technikausschusses des Gemeinderates am 26. Februar hat Technikbürgermeister Thürnau, SPD-Mitglied und strammer S21-Befürworter, auf die Frage von Gangolf Stocker geantwortet, das Abwassernetz sei definitiv nicht verleast! Diese Aussage ist wahrheitswidrig – was hat Thürnau veranlasst, so zu antworten? Ob nun falsch unterrichtet oder schlicht gelogen, weder das eine noch das andere ist hinnehmbar!
Wann hört die Befürworterriege in der Stadtverwaltung endlich damit auf, ihre Bürger immer wieder täuschen zu wollen? Oben bleiben!
Diese Rede bedarf nach meiner Einschätzung unbedingt einer historischen Ergänzung, damit sie auch außerhalb des Widerstandes verbreitet und in ihrer Bedeutung richtig eingeschätzt werden kann.In meinem FREITAG Blog habe ich dazu ein paar Infos zusammengesucht, die man ausbauen und insbesondere auch im Wahlkampf zusammen mit anderen Katastrophenszenarien in jeden Stuttgarter Briefkasten befördern sollte:
„Nun ist das keine abstrakte Panikmache am heimischen Schreibtisch. Es gibt da durchaus „feuchte“ Erfahrungen. Eher alltäglich wäre z.B.das Unwetter vom 03.07.2009 oder das vom 21.05.2011.
In die Vollen ging es am 15. August 1972 – ca. eine halbe Stunde, nachdem ich selbst eine der später betroffenen Unterführungen passiert hatte:
„genau um 15.40 Uhr brach …. das Unheil los: Hagelschlag von oben und bald auch meterhohe Fontänen aus den Gullys der überlaufenden Kanalisation.
Drei Angestellte der Imperial GmbH in der überschwemmten Böblinger Straße ertranken. Claus Lange, 29, Jürgen Wolf, 28, und Heinrich Schnabel, 21, waren im Lagerraum im zweiten Untergeschoß des Gebäudes beschäftigt, als durch einen Luftschacht das Wasser eindrang und die Fluchtwege — Tür und Aufzug — blockierte. Binnen kurzem war der zweieinhalb Meter hohe Raum bis an die Decke gefüllt.“
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42872068.html
„ein eiskalter Hagelstrom bahnte sich seinen Weg von den Höhenlagen der Stadt hinunter in die Tiefe: in Untergeschosse, in Keller, in Baugruben und in die Straßentunnel. In einem Firmenkeller stieg der weiße Brei bis an die Decke und erstickte drei Beschäftigte. In Heslach begruben die Hagelmassen einen Mann, der sein Kellerfenster hatte schließen wollen; in Stuttgart Ost ertrank eine Frau in einem Sturzbach, und in Bad Cannstatt erschreckte ein Blitz einen Mann zu Tode. Und in den Tunnels, besonders in der Charlottenplatz-Unterführung, drohten viele Autofahrer zu ertrinken. Die Hagelbrühe war bis auf zwei Meter Höhe gestiegen, hatte die Autos angehoben und Blech über Blech gestapelt. Es herrschte das Chaos.“
http://www.von-zeit-zu-zeit.de/index.php?template=thema&theme_id=71
„Die Menschen klammern sich an ihre Autodächer und suchen irgendwo nach Halt. Unter ihnen bewegen sich die Fahrzeuge in einem schaumigen Cocktail von Eis und Regenwasser wie Korken.Das Eis schwimmt wie eine Krone auf dem Bier. Eine dichte, weiße Masse bis zu 20 Zentimeter dick. Das eiskalte Wasser darunter steigt langsam zur Decke der Unterführung in der Innenstadt hin an. Dieter Jarausch steuert ein Schlauchboot mit einem Paddel durch das Gemisch von Hagelkörnern und Regen. Das Schlauchboot bewegt sich auf die Menschen zu, die auf ihren Autos sitzen und um Hilfe rufen. Viele haben das Autodachfenster aufgekurbelt und sich selbst nach oben gezogen, als die Flut in die Unterführung strömt. Jetzt klettern sie mit Hilfe des jungen Feuerwehrreferendars in das Gummiboot. „In dem Moment wussten wir nicht, ob und wie viele es nicht geschafft haben und in den Autos stecken geblieben sind. Wir haben damals mit Toten gerechnet“, erinnert sich Jarausch, mittlerweile im Ruhestand, mit 40 Jahren Abstand zum Geschehen. Die Feuerwehr habe zunächst die Taucher nicht einsetzen können: „Der Einsatzwagen mit dem ganzen Gerät war im Regen selbst abgesoffen.“
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.katastrophe-in-stuttgart-das-unglueck-kam-aus-dem-nichts.a6298d57-b9a3-48dc-9c7d-96efd3b631dc.html
Typisch Stuttgart ist dann allerdings dies:
„Die einzige Vorsorge, mit der Stuttgarts Stadtväter die verstörten Bürger zu besänftigen gedachten, ist denn auch verkehrstechnischer Art: In Stuttgarts Autotunneln sollen künftig, wenn es zu naß wird, die Lichter angehen — die Ampeln schalten auf Rot.“
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42872068.html
Ein kurzer Videoeindruck zum 15.08.1972 findet sich hier, eine Stuttgarter Wetterchronik in Bildern hier.“
https://www.freitag.de/autoren/seriousguy47/mo_demo-165_1-kacke-quillt-aus-allen-duekern
Interessieren würde mich in diesem Zusammenhang auch: Was passiert im Tunnelbahnhof bei einem solchen Ereignis?
Ach ja, die Hyperlinks:
Hier 1:
https://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=M2vfxZ072q4
Hier 2:
http://www.fotoagentur-stuttgart.de/sites/extremwetter.html
Alles ein einziger Skandal! Aber Stichwort: geheime Risikoliste Hany Azer, das ist der Schlüssel! Wenn man an diese Liste ran käme und sie veröffentlichen könnte, wäre dies wahrscheinlich das sofortige Ende von S 21 !!
Also macht euch mal Gedanken…
Vor einiger Zeit gab es einen Zeitungsartikel, in dem es darum ging, daß die Stadt Stuttgart aufgrund einer EU-Richtlinie irgendwelche Regenrückhaltebecken oder Abwasserrrohre erweitern muß, um bei einer höheren Regenwassermenge vorbereitet zusein. Die Meldung hab ich leider nicht archiviert. Weiß jemand was genaueres ?