Rede von Dieter Reicherter, Richter a. D., auf der 161. Montagsdemo am 18.2.2013
Liebe Freundinnen und Freunde,
am Anfang zwei Zitate.
Aus dem Lukasevangelium: „Wenn jemand von euch ein Haus bauen will, setzt er sich doch auch zuerst hin und überschlägt die Kosten. Er muss ja sehen, ob sein Geld dafür reicht. Sonst hat er vielleicht das Fundament gelegt und kann nicht mehr weiterbauen. Alle, die das sehen, werden ihn dann auslachen und werden sagen: Dieser Mensch wollte ein Haus bauen, aber er kann es nicht vollenden.“
Aus dem Strafgesetzbuch die Bankrottvorschrift des
§ 283 Absatz 1 Nr. 2:
„Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ... bei drohender ... Zahlungsunfähigkeit ... durch unwirtschaftliche Ausgaben ... übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird.“
Als Steuerzahler und Bahnkunde möchte ich weder, dass die angeblich dummen Schwaben in aller Welt verspottet werden, wenn das bestgeplante Projekt aller Zeiten scheitert, noch, dass sich die Justiz irgendwann mit Projektverantwortlichen als Bankrotteuren beschäftigen muss, wenn das Geld endgültig ausgegangen ist.
Das sollten auch diejenigen bedenken, die bauen wollen auf Teufel komm raus und vor unserem Rosensteinpark nicht Halt machen.
Die Vorschrift des § 266 des Strafgesetzbuches, die ich schon mehrfach erläutert habe, verlangt von demjenigen, der ein fremdes Vermögen zu betreuen hat, sparsames und wirtschaftliches Handeln und verbietet das Verschleudern des fremden Vermögens. Das gilt auch für Politiker und Manager. Unser Finanz- und Wirtschaftsminister Dr. Nils Schmid hat sogar einen Eid abgelegt, dass er seine Kraft dem Wohle des Volkes widmen, seinen Nutzen mehren und Schaden von ihm wenden werde. Auch will er Verfassung und Recht wahren und verteidigen, wozu also auch die Beachtung der Haushaltsvorschriften gehört, sowie seine Pflichten gewissenhaft erfüllen. Dazu passt seine gestrige Äußerung, er dürfe der Bahn nicht hineinreden, weil er sonst in eine Mitverantwortung gedrängt werde, wie die Faust aufs Auge. Eine Mogelpackung wie Pferdefleisch im Rindsgulasch.
Die Juristen zu S21 haben überzeugend, so meine ich zumindest, dargelegt, dass derzeit der sogenannte Gesellschaftszweck des Finanzierungsvertrags nicht erreicht werden kann, weil gleich mehrere Milliarden fehlen. Folgerichtig hat das Bundesverkehrsministerium auch ausgeführt, dass derzeit keine weiteren Zahlungen mehr freigegeben werden können. Wer in dieser Situation weitere Kosten durch weitere Arbeiten verursacht und weitere Schäden durch Kahlschläge anrichtet, handelt daher nicht nur auf eigenes Risiko einschließlich persönlicher Haftung und strafrechtlicher Verantwortlichkeit, sondern wird sich auch den Vorwurf gefallen lassen müssen, seine Amts- bzw. Dienstpflichten zu verletzen und – als Minister – seinen Eid zu brechen. Nicht umsonst hat sich der Aufsichtsrat der Bahn entschlossen, seine Verantwortung und mögliche persönliche Haftung durch ein Rechtsgutachten klären zu lassen. Vielleicht sollten das die Vorstände der Bahn auch tun und dann endlich die Hosen herunter lassen. Noch ist es nicht zu spät dafür. Gerne mögen sie die Öffentlichkeit auch darüber informieren, welchen – womöglich kriminellen – Einfluss Politik und Wirtschaft auf das Projekt genommen haben, das jedenfalls nicht den Interessen des Bahnverkehrs dient.
Derzeit liegt dem Wirtschafts- und Finanzministerium ein von mir gemeinsam mit einem Partner gestellter Antrag nach dem Umweltinformationsgesetz auf Einsicht in die Unterlagen zu den Gestattungsverträgen für den Rosensteinpark vor. Man darf gespannt sein, auf welche Erkenntnisse wir dort stoßen werden. Immerhin wird dadurch auch das Ministerium merken, dass ihm kritische Bürger auf die Finger sehen und die Zeit des Durchregierens von oben zu Ende ist, wie es uns auch der rot – grüne Koalitionsvertrag bereits versprochen hat.
Dass die Vorgaben des Europäischen Rechts zum Artenschutz bei den Planungen oder besser gesagt Fehlplanungen für den Rosenstein bislang nicht umgesetzt sind, will ich an dieser Stelle nur erwähnen. Und dass sich bislang niemand um die Belange der Bodenkunde und der Archäologie bei den im Rosensteinpark geplanten Maßnahmen gekümmert hat, wundert da überhaupt nicht mehr. Selbst im Schlossgarten war dies nicht vorgesehen.
Seit einem Jahr setzen wir uns in einer Minigruppe von Interessierten auch für diese Kulturgüter ein. Verräterisch, wie ernst die Verantwortung von den Behörden genommen wird, ist die Antwort des Staatsministeriums an mich: „ Die Stadt Stuttgart als zuständige untere Denkmalschutzbehörde wurde ebenfalls gebeten, die DB Projektbau GmbH auf die rechtlichen Rahmenbedingungen und insbesondere auf § 20 Denkmalschutzgesetz für Baden-Württemberg aufmerksam zu machen, damit die ausführenden Baufirmen für die Belange des archäologischen Denkmalschutzes sensibilisiert und über ihre rechtlichen Pflichten in Kenntnis gesetzt werden können.“
Leider habe ich bislang keine Antwort (das Schreiben ist auch erst fünf Monate alt) auf folgende Bedenken erhalten:
„Bitte verstehen Sie es nicht als Ironie, wenn ich darauf hinweise, dass bei den bisherigen Arbeiten im Rahmen des Projekts Stuttgart 21 auch Subunternehmer und Schwarzarbeiter eingesetzt wurden und ich mir deswegen nicht vorstellen kann, dass möglicherweise nicht aus unserem Kulturkreis stammende Menschen sich um archäologische Gesichtspunkte kümmern werden. Deswegen bitte ich doch, dass sich die zuständigen Behörden aktiv für den Denkmalschutz einsetzen und die Bauarbeiten überwachen.“
Hätten nicht inzwischen engagierte Mitarbeiter der Universität Hohenheim in Eigeninitiative ein Forschungsprojekt im Schlossgarten durchgeführt und dabei wertvolle Erkenntnisse gewonnen, wären auch diese kulturellen Belange der Untätigkeit der zuständigen Behörden zum Opfer gefallen.
Damit die Menschen in den Behörden und Ämtern, die schließlich dafür bezahlt werden, endlich ihre Pflichten erfüllen und das auch im Rosensteinpark umsetzen, sind wir weiter gefordert. Nur so können wir OBEN BLEIBEN!