Bahn rechnet mit bis zu einer Milliarde Euro Mehrkosten bei „Stuttgart 21“
BUND: Milliardengrab stoppen, bevor es zu spät ist
„Noch ist es nicht zu spät, die Reißleine zu ziehen und ,Stuttgart 21‘ zu stoppen. Wir brauchen in Baden-Württemberg kein Projekt wie die Elbphilharmonie oder den Berliner Flughafen“, kommentiert BUND-Landesvorsitzende Dr. Brigitte Dahlbender Berichte über massive Kostensteigerungen beim geplanten Stuttgarter Tunnelbahnhof, „was wir stattdessen brauchen, ist eine Denkpause und ein vorläufiger Baustopp, um Klarheit über die tatsächliche Kostensituation zu gewinnen.“ Dahlbender verweist darauf, dass nicht die Projektgegner für steigende Kosten verantwortlich sind, sondern das Planungschaos bei der Bahn. Die Bahn habe weder den Brandschutz noch das Grundwassermanagement oder die Planung auf den Fildern im Griff. Das angeblich bestgeplante Projekt entpuppe sich als finanzielles Abenteuer mit offenem Ende. Die übliche Strategie der Bahn - vertuschen und verheimlichen, bis ein Sachverhalt nicht mehr geleugnet werden kann - müsse ein für alle Mal gestoppt werden.
Die Zeche zahlt der Regionalverkehr
Der BUND warnt vor einem Weiterbau nach dem Motto „Augen zu und durch“. „Egal, wer letzten Endes für die Mehrkosten gerade steht - die Zeche zahlt auf jeden Fall der Schienenverkehr im ganzen Land. Wir warnen seit Jahren vor der Kannibalisierung des Regionalverkehrs, jetzt wird sie offensichtlich“, analysiert Dahlbender. Sollte die Bahn die steigenden Kosten aus eigenen Mitteln tragen wollen, ginge dies zu Lasten des Ausbaus des Schienenverkehrs im ganzen Land. „Die Kosten für den Ausbau der Schienenwege explodieren landesweit, wie aktuell die Ausbauvorhaben Südbahn und Breisgau-S-Bahn belegen. Sollten noch mehr Mittel in ,Stuttgart 21‘ fließen, würde das Geld für unverzichtbare Schienenprojekte im ganzen Land fehlen“, so Dahlbender.
Der BUND sieht auch die Gefahr, dass vom Land bezahlte Regionalisierungsmittel für den Nahverkehr auf der Schiene indirekt für das Stuttgarter Prestigeprojekt zweckentfremdet werden könnten. „Die Deutsche Bahn erwirtschaftet ihre Gewinne vor allem aus den Bereichen Infrastruktur und Nahverkehr. Den Gewinn der DB-Netzsparte zahlen vor allem die Länder über die Bestellung von Nahverkehrszügen“, erläutert Dahlbender. Die Politik müsse dafür sorgen, dass diese Gewinne nicht indirekt die Finanzlöcher bei „Stuttgart 21“ stopfen. „Wir erwarten, dass die von DB Netz erzielten Gewinne aus der Bestellung von Nahverkehrszügen wieder vollständig in die Verbesserung der Infrastruktur für den regionalen Schienenverkehr investiert werden“, unterstrich Dahlbender.
Laut Gutachten liegt kein genehmigungsfähiges Konzept für den Brandschutz im geplanten Tiefbahnhof und den Tunnelstrecken vor. „Wir erwarten von der Deutschen Bahn, dass die Landesregierung über das Brandschutzgutachten, dessen Hintergründe, das von der Deutschen Bahn geplante weitere Vorgehen und über die zeitlichen sowie kostenmäßigen Implikationen unverzüglich, vollständig und umfassend aufgeklärt wird“, hieß es. Auch die Grünen-Fraktion forderte mehr Transparenz. Fraktionschefin Edith Sitzmann warnte die Bahn, die Probleme herunterzuspielen.
Brigitte Dahlbender: Die Menschen wollen keinen Cent mehr für den Tiefbahnhof ausgeben als geplant. „Die Bürgerinnen und Bürger haben mit ihrer im Vergleich zu anderen Volksabstimmungen lokal sehr hohen Wahlbeteiligung bewiesen, dass sie sich bei der Entscheidung über wichtige Sachfragen in die Politik einmischen wollen, auch bei Stuttgart 21“, so Brigitte Dahlbender, Sprecherin des Aktionsbündnisses und Landesbündnisses JA zum Ausstieg. Der 27. November 2011 sei deshalb „ein guter Tag für mehr direkte Demokratie“.